Männer zum Vermeiden
US-Autorin Nicole Tersigni erklärt in ihrem Buch »Men to Avoid in Art and Life« witzig und bildreich, was Mansplaining ist. Mit Ölgemälden als Memes.
Mansplaining, Manspreading – was genau diese Begriffe bedeuten, die inzwischen in aller Munde sind, ist nicht nur im deutschen Sprachraum kompliziert. Während Manspreading – das breitbeinige Sitzen im öffentlichen Raum, zusammengesetzt aus den englischen Begriffen für Mann und Spreizen – noch relativ leicht zu erkennen ist, wird es beim Mansplaining (von der Kombination aus Man und der Abkürzung für Explaining, also Erklären) schon deutlich komplizierter.
Die Amerikanerin Nicole Tersigni hat mit ihrem Buch „Men to Avoid in Art and Life“(Männer, die man in der Kunst wie im Leben meiden sollte) einen so klaren wie vergnüglichen Weg gefunden, die Verhaltensmuster des Mansplainings aufzuzeigen – und nebenbei noch Alten Meistern eine neue Plattform zu geben. Dafür nutzt die 30-Jährige Ölgemälde, die sie mit neuen Texten versieht. Etwa „Die heilige Familie“von Jacob Jordaens dem Älteren, in dem die Hirten Maria erklären, dass sie gelesen hätten, es sei besser für das Baby, sich zum Stillen hinzulegen. Oder die Szene eines unbekannten Meisters, die einen Herren zeigt, der gegenüber zweier Damen sowie eines eingeschlafenen Hundes doziert.
Und von Tersigni mit den Sätzen: „Sie mögen einen Doktortitel auf diesem Gebiet haben. Aber laut einem Wikipedia-Artikel, den ich kürzlich durchgegangen bin ...“versehen wurde.
Insgesamt 91 Werke finden sich in dem Buch, dessen Entstehung im Sommer vorigen Jahres begann. „Ich habe am Ende eines langen Tages durch Twitter gescrollt, um auf andere Gedanken zu kommen“, erzählt Tersigni im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. „Und bin dabei auf so viele Tweets gestoßen, in denen Männer witzigen Frauen deren eigene Witze retour erklären.“Was nicht das erste Mal war, dass die Autorin und Stand-upComedienne, dieses Verhalten beobachtete; sie war auch selbst mehrmals in den Genuss ausführlicher Erklärungen wildfremder Männer gekommen, die ihr „behilflich“sein wollten zu verstehen, warum ihre Jokes so lustig seien. „Entnervt habe ich dann ’Frauen umringt von Männern‘ gegoogelt, und bin auf ein Gemälde gestoßen, in dem eine Frau mit ihrer entblößten Brust in der Hand in einer Gruppe von Männern steht“, erzählt sie weiter.
Um das nervende Thema in etwas Lustiges zu verwandeln, postete sie das Bild und schrieb darüber „Vielleicht hören sie endlich auf zu erklären, wenn ich meine Brust raushole“. Nachdem sie dafür jede Menge Zustimmung bekommen hatte, postete Tersigni noch ein paar weitere Bilder mit entsprechenden Kommentaren, „und auf einmal bekam das Ganze eine unglaubliche Dynamik“, erinnert sie sich.
„Plötzlich postete Alyssa Milano (Schauspielerin und Aktivistin, Anm.), dass dies ihr neuer Lieblings-Feed sei, und Busy Philips (US-Moderatorin und Late Night-Host, Anm.), dass sie die Idee genial finde.“
Wenig später meldete sich dann eine Agentin des Chronicle-Verlags bei ihr, um ihre Ideen in Buchform herauszubringen. „Das ist alles unglaublich schnell gegangen“, erzählt sie.
Nerv getroffen. Heuer im August wurde das Buch in einer Auflage von 10.000 Stück gedruckt, kurz danach noch einmal 5000 und nach dem Erscheinen eines New York Times-Artikels sind jetzt sogar weitere 70.000 Exemplare bestellt. Das Thema scheint einen Nerv getroffen zu haben, zumal in dieser witzigen Form des Vor-Augen-Führens von Verhaltensmustern. „Wenn Du den Menschen die Wahrheit sagen willst, bring sie zum Lachen. Andernfalls bringen sie Dich um“zitiert die Comedienne Jen Kirkman George Bernhard Shaw im Vorwort – wo sie dem geneigten Leser übrigens auch erklärt, dass er sich gerade in jenem Teil des Buches befindet, das Vorwort genannt wird. Um einmal mehr zu verdeutlichen, wie nervig es ist, wenn einem etwas erklärt wird, das keiner Erklärung bedarf.
Was aber auf den folgenden Seiten ohnehin jeder amüsiert versteht, der es verstehen will. So unterscheidet Tersigni die Spezies in fünf Gruppen: den generellen Mansplainer, den Besorgten, den Komiker, den Sex-Experten und den Gönnerhaften. Die alle ihre eigenen Wege finden, dem „schwachen“Geschlecht ihre Überlegenheit vor Augen zu führen. Etwa, in- dem die Mansplainer mit Sätzen wie „Du solltest Dich geschmeichelt fühlen, dass Du attraktiv genug bist, dass sie Dich belästigen“oder „Ich weiß, wie erschöpfend es sein kann, Hausfrau und Mutter zu sein. Aber wenn Du Dir Deine Zeit besser einteilen würdest ...“ungefragten Trost und Rat andienen. Oder der Kümmerer verkündet „Ich hätte Dir die Beförderung gern gegeben. Aber ich war besorgt, dass die zusätzliche Verantwortung einfach zu viel für Dich gewesen wäre.“
Wenig witzig, dafür wunderbar komisch sind auch die Spaßmacher, die sich ausgiebig darüber beklagen, dass Frauen ihre Witze nicht verstehen, weil sie eben keinen Humor haben. Genau wie die männlichen Experten in weiblicher Physiognomie, die den Frauen erläutern, dass sie wissenschaftlich erwiesen körperlich unfähig seien, Freude am Sex zu empfinden – weil jede andere Erklärung ja lächerlich wäre.
Besonders weit verbreitet sind – in der Kunst wie im Leben – vor allem die Gönnerhaften, die einer einen schweren Korb balancierenden Frau „erklären“, „dass sie doch so viel hübscher wäre, wenn sie nur lächeln würde“. Oder der Verwunderte, der leicht beleidigt fragt „Alles, was ich gesagt habe, ist, dass sie klüger sei als sie aussieht. Wie kann das beleidigend sein?“
Die Beispiele ließen sich endlos fortführen, und auf dem Tersigni’schen Twitterfeed @nicsigni kommen immer wieder neue dazu. Die zu einem überwältigendem
»Wenn Du den Menschen die Wahrheit sagen willst, bring sie zum Lachen.«
Feedback geführt haben, wie Tersigni erzählt – sowohl von Frauen, die einfach froh waren zu sehen, dass vieles jetzt ganz offiziell ein Witz ist; aber auch von Männern. „Sogar die ’Guten’ sagen, dass sie sich mancher Dinge nicht bewusst waren“, berichtet die Autorin, „so wie wir alle derzeit täglich dazu lernen, wo wir unbewusst voreingenommen sind.“Denn Tersigni weiß natürlich – wie die meisten Frauen –, dass es jede Menge ganz großartiger Männer gibt. Weshalb es auch nicht nötig ist, ihr das etwa auf ihrem Twitter-Account noch einmal zu erklären. Auch wenn manche der Versuchung nicht widerstehen können.