»Mit dem Tod beschä
Die Beschäftigung mit der eigenen Vergänglichkeit habe nichts mit einer Lebensversicherung oder einer Führung auf dem Zentralfriedhof zu tun, sagt Trauerbegleiter Martin Prein. Da müsse man schon um einiges tiefer in sich selbst hineinschauen.
Sie beschäftigen sich ja vor allem damit, was passiert, wenn der Tod schon eingetreten ist. Aber Sie bekommen über die Angehörigen sicher auch mit, was davor passiert. Martin Prein: Es gibt Angehörige, die berichten, dass jemand friedlich entschlafen ist. Aber ich höre immer wieder auch von schweren Leidenswegen – zum Teil auch trotz Palliativbetreuung. Von den Trauernden bekomme ich beide Seiten zu hören.
Es gibt aber jedenfalls auch das angenehme Hinübergleiten in den Tod?
Natürlich. Aber, da lehne ich mich jetzt weit hinaus – ich bin mir nicht sicher, ob man diesen angenehmen Tod immer sicher herstellen kann. Ich glaube, das sagen Palliativmediziner auch.
Viele Menschen sagen ja, sie haben keine Angst vor dem Tod, aber sehr wohl Angst vor dem Sterben.
Man könnte eine Definition aufstellen: Sterben ist noch leben, die Schlussphase. Aber das Zentrale am Sterben ist, dass es noch im Leben stattfindet. Das bedeutet: Es ist nicht mehr Sterben, wenn ein Toter vor uns liegt. Das ist auch für uns als Mitmenschen, als Lebende, ganz etwas anderes.
Hat die Angst vor dem Sterben auch mit der Art des Todes zu tun?
Wir gehen immer von einem Sterbenden aus, der alt und krank ist und die letzten Wochen vor sich hat – so sterben aber nicht alle. Viele sterben ja auch innerhalb von Sekunden, zum Beispiel durch einen Unfall. Wenn Menschen sagen, sie haben Angst vor dem Sterben, hoffen sie halt, dass sie schnell und schmerzfrei sterben. Aber sie sagen, dass sie vor dem Totsein an sich keine Angst haben – das glaube ich ihnen aber nicht.
Warum nicht?
Weil die ganze Biologie auf Arterhaltung ausgerichtet ist. Selbst wenn ich sage, dass mir der Tod egal ist, und ich in einem Flugzeug sitze, in dem die Triebwerke brennen und alles nach unten trudelt, glaube ich nicht, dass man dann sagt: „Ah, schau, jetzt sterbe ich bei einem Flugzeugunglück. Warum schreien denn die anderen so blöd?“Jeder, der einmal Panikattacken gehabt hat, hat einen kleinen Eindruck bekommen, wie sich diese tief in uns sitzende Todesangst anfühlt.
Und wie fühlt sich die an?
Es ist die Bewusstwerdung, dass wir sterben werden. Unser Hirn befähigt uns aber auch, dass wir mit diesem Wissen leben können. Da haben wir menschheitsgeschichtlich Dinge aufgerichtet, um uns davor zu schützen: Kultur, Gesellschaft, Religion, Werte, aber auch ganz selbstwertdienliche Überzeugungen – symbolische Unsterblichkeit in unseren Kindern, unseren Werken. Vieles ist in Wahrheit von Todesangst getrieben, was von draußen aber nicht so ausschaut.
Also haben wir uns eine Art Schutzschild aufgebaut.
Genau, wir haben einige psychologische Mechanismen, die verhindern, dass diese Todesangst durchbricht. Unsere tiefsten Seelenschichten nagen viel öfter an dieser Todesangst herum, als uns bewusst ist.
Und wie arbeiten wir dagegen?
Da ist etwa dieses Selbstwertgefühl, diese eigene Bedeutung. Das meine ich nicht narzisstisch im Sinn von „Ich bin so wichtig“, aber irgendwo in uns drin haben wir schon so eine Überzeugung, dass es mich gibt, das ist schon etwas Besonderes. Religion und Esoterik bedienen das ganz gut. Viele selbstwertstabilisierende Dinge helfen uns, dass die Todesangst nicht durchdringt. Wir sehen sofort, wenn man Menschen den Selbstwert nimmt, wenn man sie zutiefst entwürdigt, dann löst man in ihnen existenzielle Ängste aus.