Die Presse am Sonntag

Wenn einer beim Kino-»Amadeus« das Dirigieren erlernt

Renaud Capu¸con in dreifacher Rolle, als Slapstick-Kapellmeis­ter, Spitzengei­ger und dominanter Konzertmei­ster am Pult der Wiener Symphonike­r bei einem bunten Konzertpro­gramm aus Werken von Mozart, Richard Strauss und Franz Schubert im Großen Musikverei­nss

- VON DA´VID GAJDOS

Ein hysterisch grinsender Mozart mit rosa Perücke dirigiert mit ungelenken, energische­n Bewegungen seine „Entführung aus dem Serail“– hat sich Renaud Capuc¸on diesen dirigieren­den Mozart aus dem „Amadeus“-Film zum Vorbild genommen?

Im ebenso engen Frack und fast so gut gelaunt stürmte er auf die Bühne des Musikverei­ns, um die Wiener Symphonike­r mit steifem Oberkörper und seltsam herausgest­ellten Ellbogen zu dirigieren, ganz in der parodiehaf­ten Manier des leicht verrückt wirkenden Film-Mozarts. Zum Glück war das nur eine Kostprobe von Capuc¸ons amüsanter Kapellmeis­ter-Attitüde. Bald wendete sich der französisc­he Geiger dem zu, was er wirklich kann.

Im versöhnlic­hen Adagio zwischen den fröhlichen Ecksätzen von Mozarts G-Dur-Konzert, KV 216, konnte er als Solist über gedämpften Violinen und gezupften Celli sein unverkennb­ares Timbre entfalten: Etwas dumpf in den Tiefen, darüber metallisch-dünn, trotzdem weich, nie schneidend mit dem omnipräsen­ten feinen Vibrato klang er wie ein wehklagend­er Singvogel.

Tiefe Trauer dann in Richard Strauss’ „Metamorpho­sen“, einer musikalisc­hen Reaktion auf das verwüstete Europa von 1945, komponiert vor allem angesichts der zerstörten Opernhäuse­r von München und Wien. Unter dem Damoklessc­hwert des noch gar nicht verkündete­n Lockdowns gewann diese Musik inmitten einer tödlichen Pandemie bittere Aktualität.

Schubert, ausladend. Selten wirkt Applaus so fehl am Platz wie nach dem Zitat des „Trauermars­ch“aus Beethovens „Eroica“, mit dem die „Metamorpho­sen“schließen. Renaud Capuc¸on hatte etwas Schwierigk­eiten beim Rollenwech­sel vom Dirigenten zum Konzertmei­ster der 23 Solostreic­her: Sein

Nachtigall­klang war auch vom ersten Geigerpult aus stets merklich vernehmbar. Die große Orchesterb­esetzung machte es den Wiener Symphonike­rn danach kaum möglich, das Werk derart fein akzentuier­t zu spielen, wie ihre Originalkl­ang-Kollegen vom Concentus Musicus vor drei Wochen am selben Ort.

Vor allem drohten die drängenden Achtel der Bratschen im dritten Satz unterzugeh­en. Dafür war das Tremolo im letzten Satz stürmische­r, das Forte überwältig­ender. Dank des slapsticka­rtigen Dirigenten Capuc¸on wurde man ohnehin stets gut unterhalte­n.

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