Fragiles von vorvorgestern, Grelles und Buntes von heute
Wenigstens die Eröffnung der 33. Ausgabe von Wien modern konnte stattfinden: Das RSO Wien spielte ein vielfältiges Programm.
Der Alptraum eines jeden Festivalveranstalters: Auf die Premiere folgt rasch die Dernie`re. Der Lockdown beendet die 33. Ausgabe von Wien modern vorzeitig. Der guten Stimmung eines neugierigen und interessierten Publikums konnte dies am Freitag im Konzerthaus wenig anhaben, wo auf den Auftakt am Donnerstag mit einer tönenden Skulptur des Klangforums im Stephansdom die Eröffnung im bürgerlichen Konzertsaal mit dem RSO Wien folgte.
„Stimmung“heißt heuer das Zauberwort, um das sich vier Wochen lang ein buntscheckiges Programm kümmern sollte. Das kann alles und nichts heißen. Ein recht schwammiges Motto. Noch plakativer war der Titel des Eröffnungskonzerts: „Tuning of Mind and Body“.
Belanglos der altvat’rische Einstieg mit „The Tuning Meditation“(1971) der Amerikanerin Pauline Oliveros: Ohne metrische Ordnung suchen Musiker eines Riesenapparats neue Töne, die ein fragiles Ganzes ergeben (die Bezeichnung Cluster ist in Zeiten wie diesen nicht angebracht). Die Avantgarde von vorvorgestern sollte besser in Frieden ruhen, so hübsch das RSO auch individuell zu improvisieren weiß.
Aufregung pur, Spannung und Konzentration dafür in „Filz“(2013/14) des Deutschen Enno Poppe für Viola solo, vier Klarinetten und Streichorchester. Man wollte ein klassisches dreisätziges Konzert dahinter vermuten, wo Einfälle und Ausdrücke ein atemberaubendes Pingpong von dampfender und stampfender Musik abgeben. Nicht erst Beuys hat den „Filz“in Kunstbezirken salonfähig gemacht, für Poppe ist er eine Chiffre für Rohstoff und tönendes Material, das sich in Floskeln, Abschnitten und gar Motiven mitteilt. Durchdringen, Korrespondieren und Dialogisieren auf allen Ebenen – ein Wechselspiel zwischen Sinnlichkeit, Dramatik und radikaler Wucht. Dank der BratschenKoryphäe Tabea Zimmermann, die sich mit Inbrunst, Virtuosität (auch mit sagenhaft raumfüllendem Ton) und Intensität für Poppes Wurf stark machte, ein durchschlagender Erfolg.
Aktuelles. Nach der Pause dann zwei bereits in der Coronazeit entstandene Auftragswerke. Nicht nur Klangfarben-Jongleure feiern hier fröhliche Urständ,’ der wienerische Kolumbianer Germa´n Toro Pe´rez unterstrich in „Trazos II“für großes Orchester mit zwei Klavieren und zwei Harfen im Vierteltonabstand, dass es in einer innovativen Komponistenküche auch grelle Farben und Gewürze wie Ingwer und Chili geben muss.
Der Franzose Hugues Dufourt verliert sich dagegen in Geschwätzigkeit bis Larmoyanz, wenn er sich in „Les deux saules d’apre`s Monet“Vorlagen anderswo holt. Dirigent Leo Hussain sorgte für korrekte Pinselstriche entlang den Oberflächen, erfrischend bunt dagegen das Entree im Halbstock der Feststiege: „Die Maschine“von Skrepek + Platzer, ein klangorientiertes Upcycling aus Materialien von Schrottplätzen.