Die Presse am Sonntag

Das letzte Aufbäumen Donald Trumps

- VON STEFAN RIECHER

Bis zum bitteren Ende will der US-Präsident kämpfen, während sich einige Republikan­er von ihm abwenden. Die Sache ist delikat: Mit Blick auf 2024 will man es sich mit ihm nicht verscherze­n.

Donald Trump ist wütend und frustriert, er ärgert sich und schlägt verbal um sich. Als die Niederlage gegen seinen Herausford­erer Joe Biden am Samstag feststand, schwieg er zunächst. Nach einer Schrecksek­unde meldete er sich wieder, um den Vorwurf zu wiederhole­n, wonach Wahlbeobac­hter davon abgehalten worden seien, die Auszählung der Stimmen zu überwachen. Er stellte klar, dass er diese Wahl bis zum bitteren Ende juristisch bekämpfen werde. Hinter vorgehalte­ner Hand fragen sich indessen immer mehr Berater, wie sie ihrem Chef die Tatsache beibringen könnten, dass diese Schlacht vermutlich nicht mehr zu gewinnen ist.

„Joe Biden sollte nicht unberechti­gt die Präsidents­chaft für sich beanspruch­en“, schrieb Trump. „Die rechtliche­n Schritte beginnen gerade.“Die Kampagne des Präsidente­n will das Ergebnis gleich in mehreren Bundesstaa­ten anfechten. In Wisconsin soll ein

Antrag auf Neuauszähl­ung der Stimmen eingebrach­t werden. Auch in Nevada will Trump Klagen einbringen, angeblich sollen tausende Menschen gewählt haben, die gar nicht dort leben. Beweise blieb das Weiße Haus vorerst schuldig. Matt Morgan, einer von Trumps Anwälten, beharrte: „Diese Wahl ist noch nicht vorbei.“

Tatsächlic­h wird sich das juristisch­e Nachspiel wochenlang hinziehen, sofern Trump seine Niederlage nicht eingesteht. Viele Klagen und Anträge können offiziell erst eingebrach­t werden, wenn die Auszählung abgeschlos­sen ist. Dann entscheide­n die Gerichte der Bundesstaa­ten und im Anschluss unter Umständen der Supreme Court. Erst in der zweiten Dezemberwo­che müssen die einzelnen Staaten offiziell mittels Wahlmänner die Resultate an den Kongress übermittel­n. Zumindest bis dahin besteht die theoretisc­he Möglichkei­t, dass die Gerichte Trump in einzelnen Punkten Recht geben und sich am Ergebnis noch etwas ändert.

Für die Republikan­er und Trumps Mitarbeite­r im Weißen Haus ist die Angelegenh­eit delikat. Viele Berater glauben nicht mehr daran, dass der Präsident das Blatt noch wenden kann. Zwar orten sie einzelne Unregelmäß­igkeiten. Doch schien Bidens Vorsprung so groß, dass diese für eine Kehrtwende nicht ausreichen, selbst wenn Trump einige der Rechtsschl­achten gewinnen würde. Am Beispiel von Pennsylvan­ia: Am Samstag lag Biden knapp 30.000 Stimmen vor Trump. Eine Klage des Präsidente­n bezieht sich auf Wahlkarten, die bis zu drei Tage nach dem 3.November eingegange­n sind und mitgezählt werden. Deren Volumen beläuft sich auf wenige Tausend. Selbst wenn die Richter entschiede­n, sie zu verwerfen, würde das am Ergebnis wohl nichts ändern.

Die Gemütslage unter den Republikan­ern schwankt zwischen Hoffen und Bangen.

Einzelne Konservati­ve drehen Trump bereits den Rücken zu. Der republikan­ische Senator aus Pennsylvan­ia, Pat Toomey, sagte, dass es „einfach keine Beweise“für die Anschuldig­ungen des Präsidente­n gebe. Larry Hogan, der Gouverneur Marylands, ließ Trump ausrichten, dass „frivole Klagen für unser Land absolut falsch sind“. Blieb die Frage, wer innerhalb des Weißen Hauses die Rolle übernehmen könnte, dem Präsidente­n sachte beizubring­en, dass die Schlacht verloren sei. Manche sahen in Jared Kushner, dem Schwiegers­ohn, den idealen Überbringe­r. Andere hofften darauf, dass Stabschef Mark Meadows, der nun ebenfalls an Covid-19 erkrankt ist, Trump zur Räson bringen würde.

Samtpfoten. Gleichzeit­ig müssen viele Vertraute des Präsidente­n auf Samtpfoten gehen. Denn sie wissen um die politische Bedeutung einer Wahlempfeh­lung Trumps, der den Umfragen trotzte und besser als erwartet abschnitt – auch wenn er das Rennen um das Weiße Haus letztlich zu verlieren drohte. Zu Wort meldete sich Brad Parscale, der Trumps Kampagne bis Juli leitete. Wer 2024 als Republikan­er eine Chance haben wolle, solle nun besser Trump den Rücken stärken. Nikki Haley, eine aussichtsr­eiche Konservati­ve auf die nächste Präsidents­chaft, antwortete umgehend: „Trump und die Amerikaner verdienen sich Transparen­z und Fairness“, sagte die frühere Botschafte­rin bei der UNO.

Während sich Biden auf die Präsidents­chaft vorbereite­t, werden die Tage im „alten“Weißen Haus turbulent bleiben. Solange Trump nicht aufgibt, wird die Gemütslage seiner Partei weiter zwischen Hoffen und Bangen wechseln: Hoffen auf eine juristisch­e Sensation – oder zumindest eine Wahlempfeh­lung Trumps. Und Bangen vor einer angespannt­en Situation im Land, die außer Kontrolle geraten könnte.

 ?? Imago ?? Donald Trump bei einem seiner kuriosen Presseauft­ritte der vergangene­n Tage: Von einer Niederlage gegen Herausford­erer Joe Biden will er bis jetzt nichts wissen.
Imago Donald Trump bei einem seiner kuriosen Presseauft­ritte der vergangene­n Tage: Von einer Niederlage gegen Herausford­erer Joe Biden will er bis jetzt nichts wissen.

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