Das letzte Aufbäumen Donald Trumps
Bis zum bitteren Ende will der US-Präsident kämpfen, während sich einige Republikaner von ihm abwenden. Die Sache ist delikat: Mit Blick auf 2024 will man es sich mit ihm nicht verscherzen.
Donald Trump ist wütend und frustriert, er ärgert sich und schlägt verbal um sich. Als die Niederlage gegen seinen Herausforderer Joe Biden am Samstag feststand, schwieg er zunächst. Nach einer Schrecksekunde meldete er sich wieder, um den Vorwurf zu wiederholen, wonach Wahlbeobachter davon abgehalten worden seien, die Auszählung der Stimmen zu überwachen. Er stellte klar, dass er diese Wahl bis zum bitteren Ende juristisch bekämpfen werde. Hinter vorgehaltener Hand fragen sich indessen immer mehr Berater, wie sie ihrem Chef die Tatsache beibringen könnten, dass diese Schlacht vermutlich nicht mehr zu gewinnen ist.
„Joe Biden sollte nicht unberechtigt die Präsidentschaft für sich beanspruchen“, schrieb Trump. „Die rechtlichen Schritte beginnen gerade.“Die Kampagne des Präsidenten will das Ergebnis gleich in mehreren Bundesstaaten anfechten. In Wisconsin soll ein
Antrag auf Neuauszählung der Stimmen eingebracht werden. Auch in Nevada will Trump Klagen einbringen, angeblich sollen tausende Menschen gewählt haben, die gar nicht dort leben. Beweise blieb das Weiße Haus vorerst schuldig. Matt Morgan, einer von Trumps Anwälten, beharrte: „Diese Wahl ist noch nicht vorbei.“
Tatsächlich wird sich das juristische Nachspiel wochenlang hinziehen, sofern Trump seine Niederlage nicht eingesteht. Viele Klagen und Anträge können offiziell erst eingebracht werden, wenn die Auszählung abgeschlossen ist. Dann entscheiden die Gerichte der Bundesstaaten und im Anschluss unter Umständen der Supreme Court. Erst in der zweiten Dezemberwoche müssen die einzelnen Staaten offiziell mittels Wahlmänner die Resultate an den Kongress übermitteln. Zumindest bis dahin besteht die theoretische Möglichkeit, dass die Gerichte Trump in einzelnen Punkten Recht geben und sich am Ergebnis noch etwas ändert.
Für die Republikaner und Trumps Mitarbeiter im Weißen Haus ist die Angelegenheit delikat. Viele Berater glauben nicht mehr daran, dass der Präsident das Blatt noch wenden kann. Zwar orten sie einzelne Unregelmäßigkeiten. Doch schien Bidens Vorsprung so groß, dass diese für eine Kehrtwende nicht ausreichen, selbst wenn Trump einige der Rechtsschlachten gewinnen würde. Am Beispiel von Pennsylvania: Am Samstag lag Biden knapp 30.000 Stimmen vor Trump. Eine Klage des Präsidenten bezieht sich auf Wahlkarten, die bis zu drei Tage nach dem 3.November eingegangen sind und mitgezählt werden. Deren Volumen beläuft sich auf wenige Tausend. Selbst wenn die Richter entschieden, sie zu verwerfen, würde das am Ergebnis wohl nichts ändern.
Die Gemütslage unter den Republikanern schwankt zwischen Hoffen und Bangen.
Einzelne Konservative drehen Trump bereits den Rücken zu. Der republikanische Senator aus Pennsylvania, Pat Toomey, sagte, dass es „einfach keine Beweise“für die Anschuldigungen des Präsidenten gebe. Larry Hogan, der Gouverneur Marylands, ließ Trump ausrichten, dass „frivole Klagen für unser Land absolut falsch sind“. Blieb die Frage, wer innerhalb des Weißen Hauses die Rolle übernehmen könnte, dem Präsidenten sachte beizubringen, dass die Schlacht verloren sei. Manche sahen in Jared Kushner, dem Schwiegersohn, den idealen Überbringer. Andere hofften darauf, dass Stabschef Mark Meadows, der nun ebenfalls an Covid-19 erkrankt ist, Trump zur Räson bringen würde.
Samtpfoten. Gleichzeitig müssen viele Vertraute des Präsidenten auf Samtpfoten gehen. Denn sie wissen um die politische Bedeutung einer Wahlempfehlung Trumps, der den Umfragen trotzte und besser als erwartet abschnitt – auch wenn er das Rennen um das Weiße Haus letztlich zu verlieren drohte. Zu Wort meldete sich Brad Parscale, der Trumps Kampagne bis Juli leitete. Wer 2024 als Republikaner eine Chance haben wolle, solle nun besser Trump den Rücken stärken. Nikki Haley, eine aussichtsreiche Konservative auf die nächste Präsidentschaft, antwortete umgehend: „Trump und die Amerikaner verdienen sich Transparenz und Fairness“, sagte die frühere Botschafterin bei der UNO.
Während sich Biden auf die Präsidentschaft vorbereitet, werden die Tage im „alten“Weißen Haus turbulent bleiben. Solange Trump nicht aufgibt, wird die Gemütslage seiner Partei weiter zwischen Hoffen und Bangen wechseln: Hoffen auf eine juristische Sensation – oder zumindest eine Wahlempfehlung Trumps. Und Bangen vor einer angespannten Situation im Land, die außer Kontrolle geraten könnte.