Elektromobilität – ja, aber wie? Der Mini-VW gegen den Audi SUV
Soll ein Elektroauto ein Ersatz sein für ein Auto mit Verbrennungsmotor mit entsprechend großem Akku für eine große Reichweite? Oder soll es ein kleines, leichtes Auto sein für kleine Strecken, das entsprechend ressourcenschonend hergestellt und betrieben werden kann? Eine der vielen Fragen rund um die Zukunft des Autofahrens.
Es ist immer wieder interessant zu lesen, welche Vorhersagen es einst für die Mobilität im Jahr 2000 gab. 1955 zeichnete beispielsweise der Austro-Amerikaner Frank R. Paul ein fliegendes Auto mit Atomantrieb. 1958 stellte Ford tatsächlich ein Konzeptfahrzeug vor, das von Kernbrennstoff angetrieben wird, den Ford Nucleon.
Realistischer war schon, was Roy Amara im Jänner 1982 als Präsident des Instituts für die Zukunft der „New York Times“für 2000 vorhersagte: „Wir werden noch mit Autos fahren, aber mit kleineren und effizienteren. Im Jahr 2000 ist es zudem möglich, dass zehn Prozent dieser Autos mit Strom angetrieben werden.“
Nun gut, kleiner und leichter sind unsere Autos 38 Jahre später nicht geworden, im Gegenteil. Der Trend hin zu SUV hält an und macht auch die Kleinwagen ständig größer und schwerer. Und was die zehn Prozent betrifft: 2019 gab es zwar weltweit eine enorme Steigerung bei der Neuzulassung von elektrisch angetriebenen Autos, die Zahl schnellte um 40 Prozent nach oben – um knapp 2,3 Millionen Stück auf einen Bestand von 7,9 Millionen E-Autos. Das klingt viel, relativiert sich aber im Vergleich zum weltweiten Pkw-Bestand: 2019 waren 1,17 Milliarden Pkw angemeldet. Der Anteil der Elektroautos liegt also bei weniger als einem Prozent.
Dass Elektroautos die Zukunft sind, daran lassen die Politik und die Autohersteller keinen Zweifel. Milliarden werden in die Forschung gesteckt, mit Millionen wird der Kauf von umweltfreundlichen E-Autos gefördert. Wobei die Debatte über die Umweltfreundlichkeit abendfüllend ist, wenn man den Abbau von Lithium und Kobalt, die wesentliche Bestandteile des Akkus sind, einkalkuliert. Und natürlich die Herkunft des Stroms: Ideal, wenn er von der eigenen Fotovoltaikanlage produziert wird; weniger gut, wenn er aus dem Kohlekraftwerk kommt. Das ist auch ein Grund für die neue Zurückhaltung Chinas bei der Förderung von E-Autos: Weil es immer mehr gibt, benötigen sie immer mehr Strom – und dafür muss man neue Kohlekraftwerke bauen.
Das deutsche Umweltministerium hat in einer Studie („Wie umweltfreundlich sind Elektroautos?“, Oktober 2019) den CO2-Ausstoß verschiedener Fahrzeuge über ihr Autoleben untersucht und kommt zu folgendem Schluss: „Im Vergleich mit einem besonders sparsamen Dieselfahrzeug liegt der CO2-Vorteil eines Elektroautos bei 16 Prozent, gegenüber einem modernen Benziner bei 27 Prozent.“In Zahlen: Ein Benziner produziert über den gesamten Lebenszyklus umgerechnet 183 Gramm CO2 pro Kilometer, ein Dieselauto 159 Gramm und ein Elektroauto 134 Gramm.
Einige Jahre früher kam eine Untersuchung von Wissenschaftlern des
Elektroautos
sind auf Österreichs Straßen mit Stand 30. September 2020 unterwegs. Ende 2018 lag die Zahl noch bei 20.831 Fahrzeugen, sie hat sich also in zwei Jahren fast verdoppelt. Vor zehn Jahren waren es nur 353 Elektroautos.
Prozent
macht der Anteil der E-Autos am gesamten PkwBestand in Österreich aus. Insgesamt sind 5,08 Millionen Pkw zugelassen, der größte Teil davon – 54,5 Prozent – wird laut den Zahlen der Statistik Austria mit einem Dieselmotor angetrieben.
kWh
kostet einen durchschnittlichen österreichischen Haushalt mit allen Steuern und Abgaben zwischen 17 und 24 Cent.
Massachusetts Institute of Technology („Personal Vehicles Evaluated against Climate Change Mitigation Targets“, 2016) zu einem differenzierten Schluss. Demnach ist ein Kleinwagen (in der Studie ein in den USA vertriebener Mitsubishi Mirage) über sein ganzes Betriebsleben gerechnet umweltfreundlicher als ein Elektroauto der Oberklasse (im Vergleich ein Tesla Model S P100D, ein Fahrzeug mit einer 100-kWh-Batterie).
94 Prozent der Fahrten unter 50 km. Damit sind wir bei einer grundsätzlichen Frage: Wie sieht unsere Elektromobilität in der Zukunft aus? Soll ein Elektroauto ein Ersatz sein für das Auto mit Verbrennungsmotor mit einem großen Akku für viel Reichweite, der mit entsprechend großem Ressourcenaufwand hergestellt werden muss? Oder soll es sich auf kleine Strecken beschränken, mit einem kleinen Akku, der auch weniger Kobalt und Lithium benötigt? Ein E-Auto, das sich reichweitenmäßig weitgehend auf die Pendlerstrecke beschränkt – womit 94 Prozent der täglichen Autofahrten abgedeckt wären. Die sind nämlich laut VCÖ weniger als 50 Kilometer lang.
Um die Frage an konkreten Autos festzumachen: Es geht um den Audi e-tron und den VW e-Up. Das eine ein großes, massives SUV – 4,9 Meter lang, 1,94 Meter breit – mit einer 95 kWhBatterie, die allein etwa 700 Kilogramm wiegt. Preis: ab 74.990 Euro. Das andere ein kleines Stadtauto – 3,56 Meter lang, 1,65 Meter breit – mit einer 36,8 kWh Batterie und einem Gesamtgewicht von 1160 Kilogramm. Preis: ab 22.590 Euro.
Fährt man beide Autos ihrer Bestimmung entsprechend, ist die Reichweite mit um die 300 Kilometer sehr ähnlich, weil der Audi so viel Strom verbraucht und der e-Up so wenig. In unserem Test kamen wir im VW auf durchschnittlich 9,2 kWh auf 100 Kilometer – bei reiner Pendlerfahrt, ohne Autobahn und meist ohne Klimaanlage (konnte man sich in diesem Sommer ohnehin sparen). Beim Audi e-tron waren es knapp 26 kWh – mit Autobahn und wohltemperiertem Innenraum.
Ist man so mutig, mit dem winzigen Up auf die Autobahn zu fahren und auf die erlaubten 130 km/h zu beschleunigen, kann man dabei zusehen, wie der Batteriestand sinkt. Schaltet man noch dazu die Klimaanlage oder die Heizung ein, sind um die 20 kWh auf 100 Kilometer realistisch. Eine Fahrt beispielsweise nach Linz, die mit dem Audi recht entspannt möglich ist, geht mit dem VW nur in der rechten Autobahnspur im Windschatten eines Lkw – und selbst dann wird es eng.
Geringer Verbrauch. Natürlich sind die Verbrauchswerte eines E-Autos fantastisch im Vergleich mit jenen eines Autos mit Verbrennungsmotor. Der AudiVerbrauch entspricht ungefähr 2,7 Liter Diesel auf 100 Kilometer – davon ist ein vergleichbares Diesel-SUV sehr, sehr weit entfernt –, mit dem Up sind es in der sparsam gefahrenen Variante 0,9 Liter Diesel.
Wie alltagstauglich E-Autos sind, wissen jene am besten, die große Fuhrparks verwalten. „Bei uns sind Elektroautos
kein Thema, weil unsere Leute viel fahren und dazwischen nicht lang warten können, bis das Auto wieder aufgeladen ist“, sagt Michael Närr, der den Fuhrpark einer Versicherung verwaltet und Vorstandsmitglied des Fuhrparkverbands Austria ist. Jedes der 52 Fahrzeuge lege im Schnitt pro Jahr 45.000 Kilometer zurück. „Für uns werden es noch lange Zeit gute Dieselautos mit der neuesten Abgasnorm sein, mit denen man sehr umweltfreundlich unterwegs ist.“
Seine Vorstandskollegin im Fuhrparkverband, Marcella Kral, hat andere Erfahrungen gemacht. In ihrem Fuhrpark mit 250 Autos, den sie beim ÖAMTC als stellvertretende Leiterin verantwortet, sind zehn Prozent E-Autos – „und wir sind glücklich damit“. Man müsse Fahrten eben planen und Ladeaufenthalte einkalkulieren, „aber dann funktioniert es gut“. Sie selbst sei im Sommer mit dem vollelektrischen Renault Zoe in die Schweiz auf Urlaub gefahren. Insgesamt legte sie 2720 Kilometer zurück, die weniger als 100 Euro gekostet hätten, weil sie den Renault oft kostenlos aufladen konnte.
Dass E-Autos die Zukunft sind, daran lassen Politik und Autohersteller keinen Zweifel.
Heizung oder Klimaanlage lassen die Reichweite eines E-Autos schrumpfen.
Wenn nicht, dann hat auch Kral die Erfahrung gemacht, an der manche E-Auto-Besitzer verzweifeln – eine Ladestation zu finden, bei der man „tanken“an. Zwar gibt es mittlerweile etwa 5400 in Österreich, aber von vielen verschiedenen Anbietern, die nicht alle Partnerverträge haben. Schon gar nicht in allen Ländern Europas. Derzeit bietet nur der Logistiker DKV Tankkarten an, die an 100.000 E-Ladestationen in Europa akzeptiert werden. Das Problem: Das Service gibt es nur für Firmen. Man denke aber auch über ein Angebot an Konsumenten nach, erklärt CEO Marco van Kalleveen.
Zu den verschiedenen Anbietern kommen viele verschiedene Tarife. Die Arbeiterkammer (AK) hat den TarifDschungel heuer im Sommer analysiert und kommt bei den Ladestationen auf Kosten zwischen 3,28
Euro und 10,48 Euro auf 100 Kilometer. Zum Vergleich:
Laden mit Haushaltsstrom
verursacht laut AK Kosten von 2,88 Euro auf 100 Kilometer.
Die hohen Preise entstehen vor allem an Stationen, die jenes Schnellladen anbieten, mit denen die Hersteller ihre E-Autos bewerben: „In 30 Minuten ist der Akku zu 80 Prozent voll.“Das hat aber seinen Preis: 45 Cent pro Minute bezahlt man beispielsweise ohne Vertrag bei Österreichs größtem privaten Anbieter, Smatrics, wenn man sein Auto an eine Highspeed-Ladestation mit 50 kW hängt (vorausgesetzt, das Auto unterstützt solche Ladeströme). Für 30 Minuten bezahlt man also 13,50
Euro – und kommt damit mit dem Audi e-tron ungefähr 100 Kilometer weit (im günstigsten Tarif, für den man allerdings eine Grundgebühr von 49,90 Euro pro Monat bezahlt, sind es 4,20 Euro für 30 Minuten).
Das Laden mit 50 kW funktioniert auch nur, wenn man die Ladestation allein benützen kann. Hängt ein anderes Auto an einer zweiten Säu e, reduziert sich der Ladestrom dramatisch. Dazu kommt, dass manche Experten vor der ständigen Verwendung solcher Schnellladestationen warnen. Das habe negative Folgen für die Kapazität und die Lebensdauer des Akkus. Besser sei es, das E-Auto regelmäßig per „Schnarchladung“zu laden – entweder mit den 2,3 kW einer gewöhnlichen Steckdose oder den elf kW einer speziellen Wallbox.
Aber in ein paar Jahren soll das alles kein Thema mehr sein, sagen manche vorher. Schon 2022 soll es ein Elektroauto geben miteinerReichweite von 1000 Kilometern, das zudem dank eines neuen Superchargers binnen zehn Minuten wieder mehr als 200 Kilometer Reichweite hat. Der Name dieses Prognostikers: Elon Musk.