Die Presse am Sonntag

Rapid-Stürmer der alten Schule

- VON SENTA WINTNER

Noch vor zwei Jahren spielte Ercan Kara in der Regionalli­ga, heute für die Hütteldorf­er gegen Salzburg. Über seinen eigenen, torreichen Weg.

Für Ercan Kara ist die Sache simpel: „Manche sagen Straßenode­r Käfigkicke­r, ich sage: Harte Arbeit wird belohnt.“Andere verspüren Fußballrom­antik angesichts seines Wegs bis zu Rapid und in die Bundesliga. Denn der 24-Jährige ist kein klassische­s Akademie-„Produkt“, sondern hat sich von der fünften Liga bis ganz hinauf gespielt. Es beginnt im 14. Wiener Gemeindebe­zirk, wo er mit Vater und Bruder im Park, später im Nachwuchs des lokalen Klubs Slovan spielt. Hier im Westen der Hauptstadt ist auch Rapid zu Hause, und dass damals gerade mit Ümit Korkmaz ein einstiger Slovan-Spieler mit türkischen Wurzeln den Durchbruch beim Rekordmeis­ter geschafft hat, entgeht auch dem jungen Kara nicht. „Wir haben das verfolgt und mitgefiebe­rt“, erinnert er sich.

Die Rapid-Heimstätte, damals noch Gerhard-Hanappi-Stadion, aber besucht Ercan Kara als Kind nie. Viel lieber steht er selbst auf dem Platz. Der Fußball, so erzählt er, war in der Familie immer präsent. „Der Vater war Fan, wir sind drei Brüder. Darüber wird immer geredet, wenn wir zusammenko­mmen.“Er eifert dem vier Jahre älteren Bruder Emre, einem technisch versierten Mittelfeld­spieler, nach. Dieser, so sagt Ercan Kara, sei der Talentiert­ere gewesen. „Ich hatte nie den Ansporn, besser zu werden als er, sondern habe ihn mir als Beispiel genommen.“

Auch Stürmer Ercan Kara entgeht den Scouts nicht, er wird zu Probetrain­ings eingeladen. „Es hat immer wieder Interessen­ten gegeben, aber es ist nichts zustande gekommen“, sagt er. Statt die klassische Ausbildung­sschiene einzuschla­gen, debütiert er mit 15 Jahren für Slovan in der Wiener Stadtliga.

Tore sind geduldig. Eines Tages steht Ercan Kara gemeinsam mit seinem Bruder auf dem Platz, spielt ihm einen Pass zu, als Emre einen Kreuzbandr­iss erleidet – ein prägender Moment. Zwar sollte der Ältere später noch zur zweiten Mannschaft von Fenerbahc¸e wechseln und für den türkischen Zweitligis­ten C¸ ankırıspor spielen, doch die Karriere endet verletzung­sbedingt vorzeitig. Ercan Kara erlebt das hautnah mit, fasst einen Entschluss: Er wird einen Schulabsch­luss machen. „Ausbildung war mir wichtig. Ich habe gesehen, wie mein Bruder die Schule abgebroche­n hat, um ins Ausland zu gehen“, sagt er. Neben dem Training besucht er Handelssch­ule und Aufbaulehr­gang an der VBS Schönborng­asse, schreibt gute Noten. „Ich bin sicher das ein oder andere Mal zu spät gekommen, habe Hausübunge­n vergessen. Aber die Lehrer haben mir geholfen.“

Ercan Kara bewunderte einst Ümit Korkmaz, später feilte dieser mit ihm an der Technik.

Mit 18 Jahren schnuppert Kara in einen großen Klub, wechselt zu den Austria-Amateuren in die Regionalli­ga. Nach zwei Jahren, 20 Einsätzen (ein Tor) ist das violette Kapitel beendet, mehr möchte er dazu nicht sagen. Statt zu hadern, wählt er den nächsten Schritt mit Bedacht: Der „klassische

Neuner“geht eine Liga tiefer, zum FC Karabakh. „Ich habe mit dem Trainer geredet und gewusst, dass eine gute Mannschaft aufgebaut wurde, in der ich funktionie­ren kann.“Der Plan geht auf.

Kara schießt Karabakh (ab 2018 Mauerwerk) zum Aufstieg, wird auch in der Regionalli­ga zweimal in Folge Schützenkö­nig und am Ende stolze 84 Tore in 90 Partien vorweisen. Der Wechsel lässt trotzdem auf sich warten, ins Zweifeln kommt er nie. „Den Glauben nicht verlieren, nie aufgeben. Das sind die Tugenden, die ich aus dieser Zeit mitgenomme­n habe“, betont Kara, dass er sich nie eine Frist gesetzt habe. „Ich habe in den unteren Ligen nicht viel Geld verdient, aber meine Familie hat mich immer unterstütz­t.“2017 stößt Jugendidol Korkmaz nach Wanderjahr­en zu Karabakh, nimmt den 1,92 m großen Stürmer unter seine Fittiche. „Wir haben Technikübu­ngen gemacht, um meine Beine noch besser zu kontrollie­ren. Das ist bei der Größe

Ercan Kara

wurde am 3. Jänner 1996 geboren. Er wuchs im 14. Wiener Gemeindebe­zirk auf, mit zehn Jahren zog die Familie nach Ottakring, wo er bis heute lebt.

Karriere

Der Mittelstür­mer debütierte mit 15 für Slovan (Stadtliga, Oberliga), mit 18 wechselte er zu den Austria-Amateuren (Regionalli­ga). Es folgten drei Jahre beim FC Karabakh (ab 2018 Mauerwerk; Stadtliga, Regionalli­ga), 2019 ging er zu Zweitligis­t Horn.

Rapid

Kara kam im Jänner 2020 um 200.000 Euro. Der Mittelstür­mer debütierte gegen Hartberg, rettete ein 2:2. Im August traf er gegen Lok Zagreb zum 1:0 und sicherte Rapid den EuropacupH­erbst. In dieser Saison hält er bei zehn Toren in 22 Spielen. nicht einfach, aber gelingt mir ganz gut“, sagt Kara schmunzeln­d.

Seine Geduld zahlt sich aus, ab 2019 geht es dann plötzlich schnell: Ein halbes Jahr nach dem Wechsel zu Zweitligis­t Horn (13 Tore in 16 Spielen) klopft im vergangene­n Winter Rapid an. „Es gab auch andere Interessen­ten, aber ich wollte mich unbedingt in Wien beweisen“, so Kara. Er trifft gleich beim Debüt, arbeitet weiter. Die Coronapaus­e nutzt er, um mit Individual­programm körperlich zuzulegen.

Ein Schnäppche­n. Mit 200.000 Euro Ablöse fällt Kara in die Kategorie Schnäppche­n, sein Tor zum 1:0 gegen Lok Zagreb, das Rapid den EuropacupH­erbst sichert, ist Millionen wert. Auf der Straße wird der robuste Rechtsfuß inzwischen erkannt. „Ich genieße den Moment“, davon blenden lässt er sich nicht. „Kritik wird es immer geben. Ich habe Schwächen, bin auch nur ein Mensch.“Wichtig sei, den Richtigen zuzuhören. Die Freunde aus der Schulzeit hat sich der 24-Jährige bewahrt („Die waren schon da, als es nicht lief“), so wie die Nähe zur Familie. Bis vor Kurzem wohnte er in der elterliche­n Wohnung in Ottakring: zu fünft auf 60 m2. „Mir ging es dort sehr gut.“Der Auszug erfolgte wegen Corona, etwas gegönnt hat sich der Basketball­Fan nach dem Karrieresp­rung noch nicht. „So weit bin ich noch nicht.“

Bis vor Kurzem wohnte der Rapid-Star in der elterliche­n Wohnung: zu fünft auf 60 m2.

Die nächsten Ziele hat Kara vor Augen, doch lässt er lieber Tore sprechen, irgendwann gern in der Champions League. Über einen möglichen Nationalte­am-Einsatz für Österreich oder die Türkei hat er sich noch keine großen Gedanken gemacht, am Freitag nominierte ihn der ÖFB erstmals auf Abruf. Ob Akademie oder nicht, sei letztlich nicht entscheide­nd. „Man muss an Schwächen genauso wie an Stärken arbeiten, dann kann es funktionie­ren.“

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APA/Scheriau Ercan Kara ist in Hütteldorf längst angekommen, der Stürmer wird für kraftvolle­n Einsatz und Tore gefeiert.

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