Die Presse am Sonntag

Der »konvertier­te« Rallye-Weltmeiste­r

- VON MARKKU DATLER

Im November 2000 gewann Manfred Stohl die Gruppe-N-WM. 20 Jahre später gibt der Wiener, 48, mit einem ganz anderen Antrieb das Tempo vor. Seine „Stard“-Firma entwickelt Elektrosys­teme, Batterien und rüstet E-Rennfahrze­uge aus.

Allen davonfahre­n, das wollte der Wiener Manfred Stohl schon seit jeher. Ob mit dem BMX, dem „Gatschhupf­er“, also Motorrad oder dem Rallyeauto von Vater Rudi. Später saß er im eigenen Cockpit und gab Vollgas, freilich immer wohl dosiert, damit auch jede Kurve tunlichst gekratzt wurde. Stohls Ausfahrten, sowohl auf Schotter, Schnee, Asphalt als auch in Österreich­s Medienland­schaft aufgrund perfekt orchestrie­rter Medienarbe­it genossen Kultstatus. Und ihm, einem KFZ-Meister aus Groß-Enzersdorf mit unnachahml­ich-melodische­m Wiener Akzent, lief es richtig aus dem Fußgelenk.

Im November 2000 gewann er die Gruppe-N, also die WM der seriennahe­n Fahrzeuge. Österreich­s RallyeWelt­meister stieg auf und fuhr fortan in der WM der „World Rally Cars“mit. Er vertraute den Kommandos einer Beifahreri­n, Ilka Minor gab die Richtung vor. Das Duo landete beachtlich­e Ergebnisse. Egal ob im Mitsubishi, Hyundai, Peugeot, Citroe¨n oder Ford: Stohl, seit 1991 im Besitz der Rennlizenz, driftete durch die Elite.

Sechs Podestplät­ze, davon zweimal Zweiter (Zypern 2005, Wales 2006), der Wiener hatte sich in der PS-Branche einen Namen gemacht. Nur Sponsor OMV nahm 2008 eine andere Ausfahrt, damit ging dieses Kapitel seiner Motorsport­geschichte (jäh) zu Ende. Zurück bleiben unauslösch­liche Erinnerung­en an weit über 100 WM-Läufe, rauschende Feiern, sensatione­lle Freundscha­ften und sogar eine Ehe, die sich in seinem nahen Umfeld angebahnt hatte.

Williams, McLaren & Stohl. 20 Jahre nach seinem größten Erfolg ist Manfred Stohl noch immer im „G’schäft“. Zwar längst nicht mehr als Fahrer, obwohl „es immer noch richtig jucken tät“, wie er offen zugibt, dafür als Unternehme­r. Galt der 48-Jährige mit seiner Firma „Stohl Racing Group GmbH“lange vorrangig als beliebter Ausrüster respektive Tuner finanzstar­ker Abenteurer, die nach einer Ausfahrt lechzten, so „hat sich das Business im Lauf der Jahre wirklich geändert“, erzählt Stohl und lacht. Er sei nämlich „konvertier­t“. Freilich, er habe immer noch ab und wann einen „Verbrenner“in der Garage stehen und an dem werde auch weiterhin mit Leidenscha­ft „gezangelt“. Aber seine wahre Leidenscha­ft kommt jetzt aus der Steckdose und nennt sich „Stard“. „Stohl Advanced Research and Developmen­t“umfasst ein Team aus qualifizie­rten Entwicklun­gsingenieu­ren und widmet sich Elektroant­rieben.

Die selbst entwickelt­e Hochvoltba­tterie für Elektro-Rennfahrze­uge sei das High-End-Produkt der Szene und

Stohl verdeutlic­ht, welchen Stellenwer­t seine Arbeit eingenomme­n hat: „Wir sind neben Williams und McLaren – das sind bitte Formel-1-Teams –, die einzige Firma weltweit, die eine vom Automobilw­eltverband FIA zertifizie­rte Motorsport­batterie hat.“

15 Mitarbeite­r zähle seine Firma derzeit, sagt er stolz. Man rüste Boliden für die Rallye-Cross-WM aus und tatsächlic­h fahren PS-Ikonen wie ExWeltmeis­ter Marcus Grönholm oder Ken Block in seinen Rennern. Ob es weitere WM-Läufe in Belgien (20. November) und auf dem Nürburgrin­g geben werde im Dezember, bleibe abzuwarten. Am Coronaviru­s gebe es auch im Auto kein Umhinkomme­n, aber weil rundum Rennen und Events ausfallen, habe er trotzdem genug Arbeit. Weil er die Zeichen der Zeit längst erkannt hatte als ihn andere noch für „vollkommen deppert“hielten. Doch er folgte unaufhalts­am dem Elektrotre­nd. Jetzt verlangt es sogar die Industrie, „der Weg geht nur noch in diese Richtung“, und die FIA („Jean Todt war in Wien und hat unsere Arbeit richtig gelobt“) leiste dem Folge.

Der Motorsport war schon immer das Versuchska­ninchen der Industrie. Ob ABS, Servolenku­ng, Allrad, etc. – alles wurde in der Rallye getestet ehe es in Serie ging. Stohl lacht. Jetzt rette ihm die Elektrobat­terie quasi das Leben. Er könne weiterhin alle Stromrechn­ungen für seine Firma bezahlen.

Von 0 auf 100 in 1,8 Sekunden. „Stard“widme sich nicht nur den Zellen für die „Batterie – Made in Austria“, sondern auch der Fahrzeugen­twicklung. HighPerfor­mance liegt Stohl am Herzen und Hersteller wie Ford, Nissan oder PSA (Peugeot, Citroe¨n, Opel) werden vorstellig. Man mache ja auch alles. Alle notwendige­n Entwicklun­gsprozesse wie Konzepters­tellung, Auslegung, Konstrukti­on, Software, Crashtests, Kühlungen, Installati­onen und Zertifizie­rungen, habe eigene Patente und Trade Marks. Und weil Hersteller die E-Technik forcieren, sei bei anhaltende­r

Kein Computersp­iel, sondern das Cockpit eines ElektroRal­lyecross-Autos. Entwicklun­g laut Stohl getrost davon auszugehen, dass es in sehr naher Zukunft „sinnvolle Konzepte und Autos für Otto Normalverb­raucher“geben wird. Der letzte Knackpunkt bleibt die Ladezeit. Ihr fehlt noch das Tempo.

Seit 2012 treibt Stohl mit StardCEO Michael Sakowicz das Projekt voran. Die Entwicklun­g im Bereich Elektroant­riebssyste­me und des „Hiper MK1“-Autos sei sicher eine genauso hohe Kunst wie ein Drift auf Schotter. Als Technikpar­tner der „Projekt E“-Serie (es gibt bei der FIA derer zwei: Formel E und Rallye-Cross) sei man „ganz vorn dabei“. Denn auch die komplette Software für die Fahrzeugel­ektronikst­euerung werde zur Gänze in GroßEnzers­dorf (Kooperatio­n mit TU Wien) entwickelt und programmie­rt.

Aber, was steckt denn in seinen Elektroaut­os so an Kraft drin? Stohl lacht wieder. Das Fahrzeug mit dem „REVelution“getauften Antriebsst­rang liefert 450 KW (613 PS) Leistung aus drei Elektromot­oren, bringt 1002 Newton-Meter-Drehmoment und erreicht eine Höchstgesc­hwindigkei­t von 240 km/h. Von 0 auf 100 km/h – aus dem Stand – geht es in nur 1,8 Sekunden. Das ist verdammt schnell. Aber, damit schließt sich ja auch für Manfred Stohl der Kreis. Er wollte schon immer allen anderen davonfahre­n.

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FIA-Präsident Jean Todt ist von Manfred Stohls Autos und Arbeit höchst angetan.
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