»Der Körper schaltet in den Alarmmodus um«
Menschen trommelten in Panik gegen die Scheiben des Lokals, in dem Marlene und Philipp am Montag festsaßen.
Marlene und Philipp hatten im Le Burger, einem Lokal an der Ecke Hoher Markt/Rotenturmstraße, gerade ihr Essen bekommen, als am Montag um kurz vor zwanzig Uhr die ersten Schüsse fielen. Sie sahen sich erschrocken an, dachten zuerst aber an Baustellenlärm oder Böller. Dann sahen sie Menschen auf der Flucht, und in Sekundenschnelle schaltete der eigene Körper in den „Alarmmodus“um. Sie rannten ins Lokal, sperrten sich mit anderen Gästen auf der Toilette ein. Als sie nach einigen Minuten nichts hörten, wagten sie sich wieder hinaus; die Situation sei „ungewiss“gewesen, es gab ein Durcheinander, im Lokal selbst sei aber „fast Regelbetrieb“gewesen, erinnert sich das junge Paar an die Situation. Draußen sahen sie durch die Glasscheiben des Restaurants Blaulicht und Menschen in Panik. „Es war wie im falschen Film, ich sehe die Sequenzen heute nur noch verschwommen vor mir“, sagt Marlene. Die Tür wurde vom Personal des Le Burger schließlich von innen verriegelt, Flüchtende klopften von außen panisch dagegen. Ohne nachzudenken lief Marlene zur Tür und öffnete ihnen. Im Nachhinein sei dies der „einprägendste Moment“der Nacht gewesen, erzählt sie.
Die Stimmung im Lokal war angespannt, die Gäste beobachteten die schwer bewaffnete Polizei und verfolgten die Nachrichten auf den sozialen Medien. „Die vielen Falschmeldungen rund um Geiselnahmen und dergleichen haben uns zusätzlich erschreckt“, sagt Philipp. Um ein Uhr Früh konnten sie schließlich nach Hause.
Angeknackstes Sicherheitsgefühl. Rückblickend sagen Marlene und Philipp, dass sie froh sind, die schlimmen Ereignisse „zusammen durchgemacht“zu haben; denn das Erlebte könne man ohnehin nicht in Worte fassen. Philipp ist frisch nach Wien gezogen, er telefonierte am Tag danach lang mit seiner Familie in Deutschland. Da seien schließlich „Tränen geflossen“, das habe gutgetan. Trotz allem fühlt er sich nicht unsicher, wenn er heute den öffentlichen Raum betritt: „Ich denke rational, die Wahrscheinlichkeit, dass mir so etwas noch einmal passiert, ist sehr gering.“Marlene dagegen fuhr zuletzt lieber mit dem Taxi statt öffentlich zu einem Termin, und auch beim Einkaufen war ihr mulmig. „Das Sicherheitsgefühl ist noch angeknackst“, sagt sie.
Einen Gedanken können weder Philipp noch Marlene verdrängen: „Unser Weg zum Lokal führte Montagabend direkt über den Schwedenplatz. Was wäre gewesen, wären wir ein paar Minuten später von zu Hause weggefahren?“