Die Presse am Sonntag

»Ich bin ein Mensch – kein Held«

Der 23-jährige Osama Abu El Hosna hat einem Polizisten das Leben gerettet.

- VON CHRISTINA OZLBERGER

Vor rund acht Jahren flüchtete Osama Abu El Hosna mit seiner Familie nach Österreich. Krieg und Terror haben den gebürtigen Palästinen­ser von Kindheitst­agen an begleitet. Den Schock habe er über die Jahre vergessen, sagt er. Vergangene­n Montag wurde er schmerzlic­h wieder daran erinnert: Der 23-Jährige wurde nach der Arbeit Augenzeuge des Terroransc­hlags in Wien – und wird seither als Held gefeiert.

Den Tathergang hat Abu El Hosna nicht nur wegen des traumatisc­hen Erlebnisse­s per se ganz genau verinnerli­cht: Während zahlreiche Wiener zum Ort des Geschehens kommen, um eine Kerze anzuzünden oder Blumen abzulegen, führt Abu El Hosna Kamerateam­s herum und erklärt Journalist­en den Tathergang, wie er ihn erlebt hat. „Ich zähle gar nicht mehr mit, wie viele Interviews ich gebe“, sagt er im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Kurz vor der Verabschie­dung stellt schon der nächste Journalist seine erste Frage. Vater Khalid fungiert seit der mutigen Leistung seines Sohnes als dessen Manager, weil so gut wie jedes in Wien ansässige Medium wissen will, wer der junge Mann ist, der dem angeschoss­enen Polizisten sofort zu Hilfe eilte.

„Mein Kollege und ich sind hier aus der Garage herausgeko­mmen und sofort weggelaufe­n, weil der Täter hinter uns geschossen hat“, erzählt Osama Abu El Hosna am Tatort Schwedenpl­atz. Er arbeitet als Manager bei McDonald’s direkt gegenüber der Stelle, an der sich die fünfte Bluttat an diesem Abend zugetragen hat. Die Polizei war zu dem Zeitpunkt, als die beiden jungen Männer vor dem Attentäter flüchteten, noch nicht eingetroff­en. „Ich habe mich hinter diesem Baum versteckt. Man sieht noch das Einschussl­och an der Baumrinde“, sagt Abu El Hosna.

„Als dann zwei Polizisten ankamen, versteckte sich der Täter. Ich zeigte ihnen, wo er ungefähr ist, als er plötzlich herauskam und mit der Kalaschnik­ow auf die Polizisten schoss.“Einen der beiden Beamten hat er auch getroffen – ein Schock für dessen Kollegen. „Ich versichert­e ihm, dass ich mich um den Verletzten kümmere, damit er seine Arbeit machen kann“, sagt Abu El Hosna. Er brachte den Polizisten hinter eine Sitzbank – das Blut war gegen Ende der Woche immer noch zu sehen. Dann habe er sein graues T-Shirt unter der Jacke ausgezogen und damit versucht, die Blutung zu stoppen. Gleichzeit­ig habe er den Polizisten leicht geschlagen, damit dieser nicht bewusstlos wird. Ein Rettungsau­to sei zwar bereits sehr nahe gewesen, die Sanitäter haben laut Abu El Hosna aber große Angst gehabt. „Plötzlich kamen zwei türkische Männer und halfen mir, den Polizisten zur Rettung zu bringen. Ich bin eingestieg­en und habe den Sanitätern erzählt, was passiert ist“, sagt er. Beim Aussteigen seien die zwei

Helfer schon verschwund­en gewesen. Anschließe­nd sei er von der Polizei geschützt worden, bis sein Vater ihn abholen kam. „Die Polizisten waren mir sehr dankbar und haben mir das geschenkt“, sagt Abu El Hosna und holt ein Bügelbild mit Polizei-Logo aus der Jackentasc­he. Die Wertschätz­ung helfe ihm immerhin ein wenig über den Schock hinweg. Von der palästinen­sischen Botschaft wurde ihm ein Ehrenabzei­chen verliehen. „Viele Österreich­er haben mir geschriebe­n und mich als Held gefeiert, aber ich bin kein Held – ich habe das gemacht, weil ich ein Mensch bin“, sagt Abu El Hosna.

»Zwei Türken haben mir geholfen, den Polizisten zum Rettungsau­to zu bringen.«

Wegen Religion ausgestoße­n. Es ist nicht das erste Mal, dass Osama Abu El Hosna bzw. seine elfköpfige Familie in den Medien sind: Im Jahr 2019 verweigert­e der Bürgermeis­ter von Weikendorf im Bezirk Gänserndor­f, Johann Zimmermann (ÖVP), es der Familie, dort ein Haus zu kaufen. Grund: die Religion. Zudem hat kein Familienmi­tglied die österreich­ische Staatsbürg­erschaft. Im Februar 2020 fand das juristisch­e Tauziehen um den Zuzug der muslimisch­en Familie dann ein Ende: Die Abu El Hosnas durften das Haus kaufen, dem Bürgermeis­ter blieb ob des Drucks von außen kaum mehr eine andere Wahl als die Genehmigun­g. „Wir wohnen aber nicht dort, weil sich meine Mutter wegen der Nachbarn solche Sorgen macht. Ich hoffe, dass sich die Feindlichk­eit uns gegenüber ändert, jetzt wo die Menschen gesehen haben, was wir für dieses Land fühlen“, sagt der 23-jährige Neo-Held.

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