Die Presse am Sonntag

Kruder & Dorfmeiste­r,

- VON SAMIR H. KÖCK

die hiesigen Könige des Downbeat, veröffentl­ichen ihr Debütalbum »1995« mit 25 Jahren Verspätung. Ein Gespräch über Wien, Wein und eine Weltkarrie­re.

Wer wäre der ideale Hörer für Ihre Musik? Richard Dorfmeiste­r: Jemand, der gerade im Auto oder Flugzeug unterwegs ist. Das Unterwegss­ein ist eine der wenigen Möglichkei­ten, bei denen die Leute heutzutage noch konzentrie­rt hören. Peter Kruder: Ich stelle mir einen gut gelaunten Menschen nach einem guten Essen mit ein bisserl Wein vor, der vor einer hochwertig­en Hi-Fi-Anlage sitzt. Unsere Musik so zu hören, das wäre meine Empfehlung.

Denkt man an seine Hörer, wenn man Musik produziert?

Kruder: Das wäre ein fataler Fehler. Wenn ich mir die Hörgewohnh­eiten der Kids ansehe, dann müsste ich so produziere­n, dass unsere Musik gut aus den Handylauts­prechern klingt.

Die digitale Revolution hat den Hi-Fi-Gedanken gekübelt. Das hätte sich wohl niemand so vorgestell­t, dass die Entwicklun­g wieder so radikal von der Soundquali­tät weggeht, oder?

Kruder: Ganz so pessimisti­sch sehe ich es nicht. Viele Leu te investier en viel in hochwertig­e Kopfhörer. Als zu Beginn der Achtzigerj­ahre der Walkman aufgekomme­n ist, sind alle mit so großen Dingern herumgelau­fen. Die Kopfhörer wurden dann eine Weile immer kleiner, und mit Einführung der Handys wurden sie wieder groß.

Auch das ein Indiz dafür, dass vorzugswei­se allein gehört wird. Das war doch früher anders?

Kruder: Da gab es die legendären Treffen bei DJ Arno auf der Fischersti­ege. Jeder hat sei ne fünf Platten mitgenomme­n und den anderen vorgespiel­t. Dann hat man diskutiert. Zudem ist das Suchen und Forschen verloren gegangen. Bei unseren frühen Tourneen haben wir es genossen, in jeder Stadt in den Plattenläd­en zu „diggen“. Jeder wollte uns seine Entdeckung­en zeigen.

Nun zeigen Kruder & Dorfmeiste­r ihren geheimsten Schatz: jene sagenumwob­ene Platte, die nie erschienen ist. Warum jetzt? Dorfmeiste­r: Wir haben uns schon vor längerer Zeit unsere alten Dubplates angehört und uns gedacht, das sind schöne Erinnerung­en. An Veröffentl­ichung haben wir zunächst nicht gedacht, wir wollten nur Testpressu­ngen machen, um sie als DJs zur Verfügung zu haben. Aber ein Freund von uns meinte, die Musik klinge für seine Ohren wie neu. Vor zehn Jahren hätten wir es wohl nicht gewagt, es zu veröffentl­ichen. Damals hätte es sicher veraltet geklungen. Aber jetzt geht es wieder. Kruder: Wir haben uns die Sachen zur richtigen Zeit nochmals angehört. Irgendwie klingt es jetzt richtig. Sie herzuricht­en, zu editieren, war gar nicht so einfach. Wir sind stolz drauf, dass die Vinyl-Version von Bernie Grundman gemastert wurde, einem Mann, der bei Alben wie „Thriller“von Michael Jackson und „Sign O’ The Times“von Prince hinter dem Mischpult gesessen ist.

Kruder & Dorfmeiste­r haben sich ja als Produktion­steam früh getrennt. Wodurch hat man wieder zusammenge­funden?

Kruder: Das waren die Verleihung des Goldenen Verdienstz­eichens der Stadt Wien und ein gemeinsame­r Gig in der bummvollen Pratersaun­a, bei dem 1800 Leute nicht mehr hineinkame­n und vor der Tür lagerten. Da merkten wir, da geht was. Seit 2017 waren wir konstant auf Tour. Wir wären es immer noch, gäbe es kein Corona. Wir hatten für heuer sogar ein Angebot des kalifornis­chen Riesenfest­ivals Coachella. Dorfmeiste­r: Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass uns das Virus in die Karten gespielt hat. So wenig Stress hatten wir noch nie. Und so konnten wir diese Veröffentl­ichung von „1995“richtig sorgfältig betreuen.

Kürzlich besuchte ich eine Performanc­e von Sugar B. und Makossa. Da waren lauter Weißhaarig­e im Publikum. Wie ist das bei Kruder & Dorfmeiste­r?

Kruder: In Österreich ganz ähnlich. Aber in England haben wir eine riesige Fanbase, bestehend aus allen Altersklas­sen. Überhaupt war unser Hammersmit­h-Apollo-Konzert der Wahnsinn. Auch weil ich ein großer David-BowieFan bin. Wir waren in derselben Garderobe untergebra­cht wie Bowie, als er seiner Kunstfigur „Ziggy Stardust“zum letzten Mal auf die Bühne gebracht hat. Dorfmeiste­r: Davor, bei unseren zwei Auftritten im Roundhouse, wandelten wir ganz auf den Spuren von Pink Floyd. Die haben dort in ihren frühen Jahren legendäre psychedeli­sche Konzerte gegeben.

Waren es eher die Unterschie­de oder die Gemeinsamk­eiten im musikalisc­hen Verständni­s, die Sie ursprüngli­ch zusammenge­führt haben?

Dorfmeiste­r: Es war viel kurioser. Wir kannten uns aus der Szene und vom „Blue Danube Project“. Aber so richtig zusammen kamen wir erst darüber, dass Peter auf dieses Foto von Simon & Garfunkel stieß (Anm.: das Cover des Albums „Bookends“). Ohne dieses Bild, das wir dann mithilfe des Fotografen Gerhard Heller für das Cover unserer ersten EP nachgestel­lt haben, wären wir wohl nie zusammenge­kommen. Kruder: Damals habe ich noch als Friseur gearbeitet, was sehr langweilig war. Beim Stöbern fand ich dieses Bild in einem Fotobuch. Die Ähnlichkei­t von Garfunkel und Dorfmeiste­r war

Kruder & Dorfmeiste­r

halfen mit, das Genre Downbeat internatio­nal zu etablieren. Peter Kruder ist gelernter Friseur, Richard Dorfmeiste­r Flötist.

1993

erscheint ihre Debüt-EP „G-Stoned“, es folgen erste internatio­nale Tourneen durch Clubs, ein Jahr später gründen sie ihr Label G-Stone Recordings (G-Stone steht für Grundstein­gasse, wo Peter Kruderwohn­te).

1996:

„DJ-Kicks“eine Compilatio­n, über die sie ein wenig musikalisc­h drübergest­reichelt haben, verkauft sich internatio­nal ausgezeich­net.

2019

konzertier­en K&D zwei Abende lang im Wiener Konzerthau­s und erleben Highlights in Großbritan­nien, etwa ein ausverkauf­tes Hammersmit­h Apollo.

2020:

„1995“(G-Stone Recordings), das eigentlich­e Debütalbum, erscheint. frappant. Ich habe es kopiert und ihm geschickt. So hat alles begonnen.

Wie haben Sie sonst die Tage des Aufbruchs erlebt?

Dorfmeiste­r: Die Zeit vor unserem Hype war fasziniere­nd. Wien war unglaublic­h aufregend damals. Die ganze Szene. Die Promotion haben wir zunächst selbst gemacht. Wir sind nach England geflogen und haben den Leuten, etwa vom Label Ninja Tunes, unsere Promos in die Hand gedrückt. Wir haben auch eine Anzeige im Jazzmagazi­n „Straight No Chaser“geschalten.

Wann haben Sie aufgehört, Vinyl aufzulegen?

Kruder: Um das Jahr 2006 herum. Da habe ich die DJ-Software Serato entdeckt. Die hat mich auf eine neue Reise geschickt.

Junge Menschen streamen lieber, als sich Alben anzuhören. Schlimm?

Kruder: Einerseits ist das schade, anderersei­ts hat es eine fasziniere­nde Seite. Es ist nicht mehr an eine Form gefesselt.

Ist das Genre Downbeat-Electronic­a nicht längst ausgereizt?

Kruder: Nein. Es gab Phasen in den späten Neunzigerj­ahren, in denen das ganze Genre ganz grauslich verwässert wurde. Aber seither ist viel Wasser die Donau hinunterge­flossen. Jetzt kann man es wieder neu angehen.

Werden Sie weiter zusammenar­beiten? Kruder: Schaut nicht so schlecht aus. Dorfmeiste­r: Never say never.

 ?? Max Parovsky ?? Vorn zehn Jahren, meinen Peter Kruder und Richard Dorfmeiste­r, hätte ihr Album wohl „alt“geklungen.
Max Parovsky Vorn zehn Jahren, meinen Peter Kruder und Richard Dorfmeiste­r, hätte ihr Album wohl „alt“geklungen.

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