»Das passiert ja wohl in jeder Regierung«
Haben Sie in den vergangenen Tagen internationale Zeitungen gelesen?
Gernot Blümel: Ja, immer wieder.
Die Chatnachrichten zwischen Spitzenpolitikern der ÖVP, darunter Sie, haben nicht nur in Österreich Schlagzeilen gemacht. Die Europa-Ausgabe von „Politico“hat den Bundeskanzler sogar aufs Cover gehoben, Titel: „House of Kurz“. Und die „Neue Zürcher Zeitung“schreibt über „Freunderlwirtschaft“und ein kriselndes Team Kurz. Erleben wir gerade die erste Krise der türkisen ÖVP?
Ich kann nachvollziehen, dass die Chatnachrichten, die sowohl zeitlich als auch inhaltlich aus dem Zusammenhang gerissen worden sind, für Irritationen und eine gewisse Aufregung sorgen. Ich wäre aber vorsichtig mit der von Ihnen geäußerten Bewertung. Dass das jetzt die erste Krise oder Bewährungsprobe der ÖVP wäre, habe ich in den vergangenen Jahren doch recht oft gehört. Insofern hat es wohl schon einige Herausforderungen gegeben.
Mag sein. Aber ist das jetzt die größte? Ehrlicherweise glaube ich, dass die Parteiübernahme durch Sebastian Kurz eine sehr große Herausforderung war. Die Phase nach dem Ibiza-Video, der Bruch mit der FPÖ, der Wahlkampf danach – da gab es viele falsche Vorwürfe. Auch das hat sich wie eine sehr schwere Krise angefühlt. Am Ende des Tages war es dann doch das beste Wahlergebnis seit Langem für die ÖVP. Insofern haben wir schon viele Krisen gemeistert, wir werden auch diese meistern.
Die türkise ÖVP mit Sebastian Kurz und Ihnen als inoffizielle Nummer zwei ist angetreten, um einen neuen Politikstil zu etablieren. Mauscheleien über Postenvergaben sind aber eher alter Stil, finden Sie nicht?
Der neue Stil bezieht sich ja vor allem auf die Art und Weise, wie wir mit politischen Mitbewerbern umgehen. Und der ändert sich überhaupt nicht. Ich war diese Woche zum zweiten Mal im Untersuchungsausschuss zu Gast, und ich muss sagen: Da wird so viel mit falschen Unterstellungen, mit Vorverurteilungen und Anschuldigungen gearbeitet, dass es schwerfällt, den Stil aufrechtzuerhalten. Wir tun das trotzdem, wir würdigen die anderen nicht herab.
Ist es keine Herabwürdigung, wenn sich Thomas Schmid rühmt, einen Kirchenvertreter in Verlegenheit gebracht zu haben?
Der Generalsekretär der Bischofskonferenz hat erst diese Woche gesagt, dass die Zusammenarbeit zwischen der katholischen Kirche und der damaligen Bundesregierung wie auch der jetzigen eine sehr gute ist.
Peter Schipka hat aber auch gesagt, die Sache sei peinlich, aber nicht für ihn. Wie steht es mit Ihnen: Sind Ihnen manche Chats peinlich oder zumindest unangenehm?
Ich habe bereits gesagt, dass ich nachvollziehen kann, wenn manche davon zu Aufregung führen. Was aber einen Gutteil auch dem geschuldet ist, dass sie aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Und ja: Wem ist es noch nicht passiert, dass er in der Emotion etwas geschrieben hat, das er im Nachhinein vielleicht anders formulieren würde?
Aber die meisten sind halt nicht Regierungsmitglieder. Wenn Sie sagen, da sei etwas aus dem Zusammenhang gerissen worden: Was ist denn der richtige Kontext?
Worauf beziehen Sie sich?
Das wollten wir eigentlich von Ihnen wissen. Ein Beispiel: Nach dem Öbag-Beschluss im Nationalrat haben Sie an Thomas Schmid geschrieben: „Schmid-AG fertig.“
Diese Nachricht wurde zu einem Zeitpunkt verschickt, als das Gesetz der Öbag beschlossen worden ist. Und Thomas Schmid war als Generalsekretär im Finanzministerium federführend für die Verhandlung dieses Gesetzes zuständig. Das war ein Prozess, der über eineinhalb Jahre gegangen ist, in denen das Finanzministerium auch mit der SPÖ verhandelt hat, um letztlich eine Zweidrittelmehrheit zu bekommen. Wenn man die Nachricht in diesen Kontext stellt, dann wirkt sie schon ganz anders.
Er habe nirgends gelesen, dass Postenvergaben der Grünen ein Problem seien, sagt Finanzminister Gernot Blümel. Ein Gespräch über Chats, Stilfragen und die erste türkise Krise.
Kurz schrieb an Schmid: „Kriegst eh alles, was Du willst.“Wie steht es damit?
Da kenne ich den Kontext nicht, weil die Nachricht nicht von mir war.
Ob er noch Kurznachrichten schreibt? Ja, sagt Gernot Blümel (hier im Finanzministerium in der Himmelpfortgasse).
Es waren die Ermittler, die diese Chatprotokolle ausgewertet haben. Tausende Nachrichten wurden auf 186 Seiten zusammengefasst. Finden Sie, dass hier Dinge aus dem Zusammenhang gerissen wurden?
Die Nachrichten, so wie sie von Ihnen aufgeworfen wurden, sind zweifellos aus dem Zusammenhang gerissen.
Die Ermittler schreiben: „Anhand der Chatprotokolle zeigt sich, dass Blümel und Kurz die relevanten Ansprechpartner für die wesentlichen Informationen und Entscheidungen bezüglich der Genese der Öbag waren.“Worin liegt der Vorwurf? Dass der Kanzleramtsminister, der für die Regierungskoordination zuständig war, in Diskussionen über Personalentscheidungen eingebunden war? Das passiert ja wohl in jeder Regierung.
Formal waren weder Sie als damaliger Kanzleramtsminister noch der Kanzler zuständig. Es werden Hunderte Personalentscheidungen getroffen, im Ministerrat, in der Ministerverantwortlichkeit – und ja, man diskutiert auch über Personalia, für die man formal vielleicht nicht zuständig ist. Wichtig ist, dass die Personen ausreichend qualifiziert sind und dass die Gesetze eingehalten werden. Das ist immer passiert.
Hat die ÖVP-Spitze dem Öbag-Aufsichtsrat empfohlen, Schmid zum Alleinvorstand zu machen?
Wenn ich gefragt wurde, ob ich Thomas Schmid empfehlen kann, werde ich mit Sicherheit Ja gesagt haben. Aber die Entscheidung lag bei den Aufsichtsräten. Und ich würde Sie wirklich bitten, nicht immer subkutan zu unterstellen, dass die hoch qualifizierten, untadeligen Aufsichtsräte ein aktienrechtswidriges Verhalten an den Tag legen würden.
Das unterstellt niemand. Bei der Chatlektüre könnte man aber zu dem Schluss kommen, dass sich Schmid mithilfe der ÖVP-Spitze jene Aufsichtsräte ausgesucht hat, die ihn dann zum Vorstand gemacht haben.
Das ist genau die Unterstellung, von der ich spreche. Denn das würde bedeuten, dass die Aufsichtsräte nicht im Sinne ihrer Verantwortung gehandelt haben, sondern aus anderen Gründen.
Offenbar war Schmid aber sehr wohl in die Auswahl der Aufsichtsräte eingebunden.
Die Entscheidung trifft das zuständige Organ – das ist die Hauptversammlung und in diesem Fall der Finanzminister. War der damalige Generalsekretär des Finanzministeriums eingebunden in die Personalvorschläge? Natürlich. Alles andere wäre auch komisch.
In zwei Fällen wurde auch von „steuerbaren“Frauen geschrieben. Ist das ein Frauenbild, das zu jenem der ÖVP passt?
Ich habe diese Formulierung sicher nicht verwendet.
Sie nicht, aber Thomas Schmid.
Dann würde ich Sie ersuchen, bei ihm nachzufragen.
Den Chats ist auch zu entnehmen, dass Jobs für ÖVP-Politiker wie Gabriele Tamandl und Manfred Juraczka gesucht wurden. Verhilft einem die „ÖVP-Familie“zu einem Job, wenn man einen braucht?
Ich frage mich, warum Postenbesetzungen von linken Parteien automatisch als gut bewertet werden und Postenbesetzungen von bürgerlichen Parteien automatisch schlecht sind.
In den Jahrzehnten, in denen die SPÖ den Kanzler gestellt hat, wurde Postenschacher laufend kritisiert, und zwar auch medial.
Ich habe noch nirgends gelesen, dass es ein Problem wäre, wenn die Grünen jetzt Positionen besetzen: Aufsichtsratsvorsitzende der Austro Control ist eine ehemalige grüne Bezirksrätin geworden (Karin Tausz, Anm.), Direktorin des Naturhistorischen Museums eine ehemalige deutsche Grünen-Politikerin (Katrin Vohland, Anm.). Und der Abteilungsleiter für Sportangelegenheiten im Ministerium von Werner Kogler war früher Nationalratsabgeordneter (Dieter Brosz, Anm.). Ich wüsste nicht, dass das für Aufregung gesorgt hätte, die Postenbesetzungen der türkis-blauen Regierung aber sehr wohl.
Die Bestellung von Brosz wurde medial sehr wohl thematisiert, zum Teil sehr kritisch. Halten Sie Brosz für nicht qualifiziert genug?
Es ist absolut normal in einer repräsentativen Demokratie, dass Personen, die qualifiziert sein müssen und zu denen man ein Vertrauensverhältnis hat, zum Zug kommen, wenn die Ausschreibung korrekt abläuft. Das kritisiere ich nicht. Mich stört, dass suggeriert wird, dass es bei manchen gut ist und bei manchen nicht.
War Schmid aus Ihrer Sicht der beste Bewerber? Internationale Erfahrung wurde auf seinen Wunsch ja nicht in der Ausschreibung gefordert.
Das zu bewerten war nicht meine Aufgabe, sondern die des Aufsichtsrats.
Aber Sie hatten sicher eine Meinung dazu. Ich kann das gar nicht bewerten, weil ich die anderen Bewerber nicht kenne. Der Aufsichtsrat hat kundgetan, dass Schmid als der Bestqualifizierte hervorgegangen ist. Dieser Meinung waren alle Aufsichtsräte – übrigens mit verschiedenen Parteibüchern. Die Performance der Öbag bestätigt das auch.
Warum lässt man Schmids Vertrag dann im März 2022 auslaufen?
Weil es seine Entscheidung war. Das wurde vom Aufsichtsrat einstimmig zur Kenntnis genommen.
Mit den Chats hat das nichts zu tun?
Was der Grund für seine Entscheidung war – da würde ich Sie bitten, Thomas Schmid zu fragen.
Hatten Sie denn gar keinen Kontakt zu ihm? Doch, diese Woche habe ich ihn beispielsweise angerufen. Ich habe ihn gefragt, wie es ihm geht, und habe seine Entscheidung zur Kenntnis genommen.
Ist ein vorzeitiger Abgang Schmids möglich? Ich gehe davon aus, dass der Vertrag im März 2022 ausläuft.
Die ÖVP betont immer, wie gut die Öbag unter Schmid dasteht. Die Opposition sieht das anders: Die SPÖ ortet ein „Millionengrab“, unter anderem wegen der AUA-Rettung ohne Arbeitsplatz-Garantie. Die Neos wiederum finden, dass der Kaufpreis für den Chemiekonzern Borealis viel zu hoch war.
Ich habe auch im U-Ausschuss wieder den Eindruck gehabt, dass es manchen Parteien nicht um Aufklärung, sondern um Skandalisierung geht. Diese Äußerungen fallen darunter.
In einem ORF-Interview diese Woche haben Sie erzählt, dass der Anwalt der ÖVP routinemäßig bei der Staatsanwaltschaft nachfragt, ob Verfahren gegen ÖVP-Politiker laufen. Ist das ein vorauseilendes Schuldbewusstsein? Der Grund dafür ist leider eine Vielzahl an anonymen, erfolgten und angekündigten Anzeigen. Um Kenntnisstand darüber zu haben, hat die Bundespartei den Rechtsanwalt ersucht, regelmäßig nachzufragen. Ich finde es nur immer bemerkenswert, dass oft berichtet wird, wenn man angezeigt wird – aber nicht, wenn die Anzeige dann nicht weiter verfolgt wird. Wenn das in einer Äquivalenz stehen würde, hätte ich nicht einmal so ein Problem mit der Situation.
Die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli sagte zuletzt: „Türkis-Blau hat versucht, ein politisches System zu installieren, das vor allem ihren wohlhabenden Freunden dienen sollte.“Was ist das für eine Koalition, wenn die Grünen so etwas über die ÖVP sagen?
Seit Jänner 2020 ist Gernot Blümel (39) Finanzminister und Regierungskoordinator der ÖVP in der türkis-grünen Koalition.
Im Dezember 2017 wurde Blümel erstmals als Minister angelobt. In der türkis-blauen Regierung war Blümel für EU, Kunst, Kultur und Medien zuständig, außerdem
Regierungskoordinator.
Die politische Karriere Blümels begann bei der Jungen ÖVP. 2013 stieg er zum Generalsekretär der Bundespartei auf. 2015 wurde er Obmann der
Wiener Volkspartei. Blümel ist ein enger Vertrauter von Sebastian Kurz.
Im Februar 2021 wurde bekannt, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der Bestechung gegen Blümel ermittelt. Er weist die Vorwürfe als falsch zurück.
Die Frage muss man an Nina Tomaselli richten, ich würde so etwas nie sagen.
Der Grünen-Mandatar David Stögmüller hat beim ersten Misstrauensantrag gegen Sie nur „unter Schmerzen“nicht mitgestimmt. Haben Sie noch das Vertrauen der Grünen? Offensichtlich.
Aber nicht von allen. Es war mehr eine Entscheidung für die Koalition als für Sie.
Ich wüsste nicht, dass ein grüner Abgeordneter dem Misstrauensantrag zugestimmt hätte.
Schreiben Sie eigentlich noch Kurznachrichten?
Ja!
Auch im beruflichen Kontext? Natürlich.
Wird man vorsichtiger? Ohne Ibiza wäre es wohl nicht zur Chatauswertung gekommen. Dann würden wir eben über etwas anderes reden. Ihnen würden sicher Fragen einfallen.
Wahrscheinlich. Aber keine zu den Chats. Politik ist ein sehr spannendes, manchmal auch herausforderndes Geschäft. Manchmal geht es auch nicht um die inhaltliche Arbeit. Das liegt offenbar in der Natur der Sache.
Sie werden zum zweiten Mal Vater. Werden Sie, wie einige Ihrer Regierungskolleginnen, nach der Geburt des Kindes ein paar Wochen oder Monate Auszeit nehmen?
Nein, das habe ich beim letzten Mal auch nicht gemacht. Weil die Herausforderungen wirklich groß waren und bleiben. Ich glaube nicht, dass die Österreicherinnen und Österreicher Verständnis dafür hätten, dass sich der Finanzminister in der Coronakrise eine Auszeit nimmt.
Glauben Sie nicht, dass es ein wichtiges Signal wäre? Als Alma Zadi´c nicht im Dienst war, war es in der Justiz auch nicht ruhig. Jeder muss für sich entscheiden, wie er es handhabt.
ugust 2020: Die russische „50 Let Pobedy“(50. Jahrestag des Sieges) tuckert zwischen Schollen durch das kalte Wasser. Ein Schiff, gebaut für Meere, wo das Eis so dick ist wie ein erwachsener Mann groß. Zwei Nuklearantriebe mit insgesamt 75.000 PS schieben den Eisbrecher über dünne Eisplatten, die unter seinem Gewicht bersten – und so einen Pfad frei machen. In diesem folgt ein russisches Forschungsschiff, bestückt mit Sensoren, mit denen der Meeresboden vermessen werden kann.
Der Zickzackkurs, den die beiden Schiffe nehmen, führt sie zwischen Kanada, Grönland und dem Nordpol kreuz und quer über den sogenannten Lomonossow-Rücken. Das Massiv erhebt sich bis zu 3700 Meter über den Meeresboden, zieht sich über eine Länge von 1800 Kilometern und liegt genau über dem Nordpol.
Geht es nach den Russen, ist der vom Meeresboden aufragende Bergrücken unter Wasser eine Verlängerung des sibirischen Archipels Franz-JosefLand. Die Dänen sehen darin ein Stück von Grönland, das als autonome Region zu Dänemark gehört. Die Kanadier wiederum behaupten, es entwickle sich aus Ellesmere Island heraus, das zum kanadischen Gebiet Nunavut zählt. Seit Jahren versuchen Wissenschafter aus allen drei Ländern zu beweisen, in welcher Gesteinsformation der Lomonossow-Rücken beginnt.
Fahne am Nordpol. Das norwegische Fachblatt „High North News“schrieb vor Kurzem, dass Russland aufgrund der im Sommer 2020 gesammelten Daten einen Antrag bei jener UN-Kommission vorbereite, die entscheidet, ob unter Wasser liegende Gesteinsformationen dem Festlandsockel eines bestimmten Landes zuzurechnen sind. Davon kann abhängen, wer das Recht bekommt, an bestimmten Stellen im Meer zu fischen oder am Meeresboden nach Öl und Gas zu bohren. Bereits im Jahr 2007 tauchte ein russisches U-Boot zum Zweck einer wissenschaftlichen Erkundung auf den arktischen Meeresgrund – und platzierte in internationalen Gewässern genau am Nordpol eine russische Fahne aus Titan.
Die immer schneller des ewigen Eises beraubten Gebiete über dem Polarkreis sind ins Blickfeld der Weltpolitik geraten. Im sich wandelnden Klima des Nordens hat sich ein Schauspiel entwickelt, in dem die Macht über die Arktis neu verhandelt wird.
Vergangene Woche reihten sich Berichte aneinander, die wie aus den Tagen des Kalten Krieges anmuten: Der Fernsehsender CNN analysierte Satellitenbilder, die den Ausbau russischer Basen weit oberhalb des Polarkreises (rund 66,57° N) zeigen, die einst von den Sowjets errichtet und dann aufgelassen wurden. Das russische Militär brach in einem Manöver erstmalig mit drei U-Booten gleichzeitig durch die arktische Eisdecke – inklusive spek
Blick nach unten vom Turm eines jener drei russischen Atom-U-Boote, die kürzlich durch den arktischen Eisschild nahe Franz-Josef-Land auftauchten. takulärer Bilder für die Medien. Auch die „Bild“-Zeitung berichtete von „Poseidon“, einer mysteriösen Superwaffe, die den Westen bedrohen soll.
Neue Seewege. „Niemand hat Interesse daran, dass die Arktis militarisiert wird“, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums vorigen Dienstag. Da s russi sche Außenministerium ließ am Freitag wissen, dass Moskau sich selbstredend an alle internationalen Gesetze halte. „Der Wunsch, die Arktis
Immer galt die Arktis als Zone des Friedens, maximal als eine von Konflikten niedriger Intensität. Klar: Bei 20, 30, 40, 50 Grad minus funktionieren weder Mensch noch Maschinen gut, Eis erschwert den Zugriff auf Ressourcen und den Verkehr bis zur Unmöglichkeit, die Sommer sind kurz.
Erst die alliierten Geleitzüge im Zweiten Weltkrieg nach Murmans kz ur Unterstützung der Sowjets und die deutsch-finnischen Versuche, die Hafenstadt zu erobern, machten die Arktis zur Kampfzone. Im Kalten Krieg blieb es dort ruhig. Allenfalls fuhren U-Boote unter dem Eis, wären im Ernstfall im anderswo aufgetaucht, hätten Schiffe attackiert, vielleicht Atomraketen gestartet. Ansonsten erwarteten speziell Russland, die USA und Kanada nur Bomber und Raketen aus der Richtung.
Heute tauen Verkehrswege und Ressourcengründe auf – und die Anrainer fühlen sich von See her bedroht. Besonders Russland, wie die norwegische Militärexpertin Ina Holst-Pederzu militarisieren und die Region zum Zweck des berüchtigten Kurses in Richtung einer sogenannten Abschreckung Russlands zu verwenden, löst unsere berechtigte Besorgnis aus“, so eine Sprecherin des russischen Außenministeriums (siehe die Geschichte unten).
Nördlich des Polarkreises geht es aber nicht nur u m den möglichen Zugang zu Bodenschätzen .D ie warmen Sommer und das schwindende Packeis öffnen neue Seerouten – etwa für sen Kvam meint: „Der natürliche Schutzgürtel Russlands verschwindet.“Auch das erkläre dessen enorm verstärkte Militärpräsenz dort.
Tatsächlich werden alte SowjetStützpunkte seit den 2000er-Jahren saniert und neue gebaut, an Sibiriens Küste und auf Inseln; „Role Model“ist Nagurskaja auf Franz-Josef-Land, mit 80,8° Nord der nördlichste Ort. Sie haben Flugfelder und/oder Häfen, je nachdem Radars, Störsysteme, Raketen, Flugzeuge, teils Bodentruppen. Die Nordflotte hat zwei Arktis-Infanteriebrigaden mit 6000 bis 9000 Mann. Man plant „Eis-Kriegsschiffe“mit Eisbrecherfähigkeit. Samt der klassischen Flieger - und Flottenbasen gibt es nun zwei Dutzend Arktisbasen. Von der Grenze zu Norwegen bis zur Beringstraße vor Alaska sind es freilich, in Geraden gemessen, rund 6500 Kilometer.
Die anderen Anrainer sind schlechter gerüstet. Die Dänen haben auf Grönland 40 bis 100 Mann, vier Schiffe, vier Helikopter, ein bis zwei Flieger. Es gibt die US-Air Base Thule, dennoch ist der Raum unüberblickbar. In der „Sirius-Patrouille“fahren Soldaten (total 14) mit Hundeschlitten die Ost- und Nordküste auf und ab. Norwegens Nord-Brigade (Infanterie, Panzer) ist gegenüber
Russland postiert; fürs Eis
gilt aufgrund der vielen Inseln als nur schwer für Containerschiffe befahrbar. Zudem reicht das dicke Packeis hier immer wieder knapp ans kanadische Festland. Inwiefern sich die neuen Seerouten wirtschaftlich überhaupt lohnen, ist ungewiss. Selbst im Sommer kann ungünstiger Wind riesige Eisschollen in weiter südlich gelegene Gebiete treiben. Die Reedereien müssten eigene Containerschiffe ordern, die Karambolagen überstehen könnten – was die Kosten hochtreibt.
Trotzdem machen sich die Weltmächte weiter Gedanken, was es für sie heißt, wenn sich das Klima so stark ändert, dass vormals entlegene Gebiete nicht mehr unerreichbar erscheinen.
Zwar grenzen nur fünf Staaten an das arktische Eis: Russland, die USA, Kanada, Norwegen und Dänemark. Doch auch das geografisch um etliche Tausend Kilometer weiter südlich gelegene China will mitreden: Peking bezeichnet sich als „Near-Arctic State“, als Staat nahe der Arktis.
Wettbewerb der Großmächte. Was am Nordpol passiert, kann die chinesische Zukunft beeinflussen: Sollte die Arktis über die Sommermonate einmal ganz zu Wasser schmelzen, würde das einen neuen Weg von Asien nach Amerika frei machen. Nach Schätzungen einiger Wissenschafter könnte das noch in diesem Jahrhundert der Fall sein.
Dazu kommt, dass sich in Grönland große Vorräte an seltenen Erden befinden, die vor allem in Smartphones, Computern und anderen Elektrogeräten eingesetzt werden.
Von den Anrainern am Eis investiert derzeit vor allem Russland in Infrastruktur
90
Prozent des Welthandels werden über Schiffe abgewickelt.
37
Frachtschiffe durchquerten im Jahr 2019 die Nordostpassage komplett.
18.829
Manöver »signalisieren eine Rückkehr zu einer Version der Ära des Kalten Krieges«.
Frachtschiffe durchquerten im Jahr 2020 den Suezkanal.
Prinz Philip, der Mann der britischen Königin Queen Elizabeth II, ist gestorben und im Commonwealth trauert man. Das Foto zeigt Mitglieder der australischen Federation Guard, die in der Hauptstadt Canberra 41 Kanonenschüsse zu Ehren des verstorbenen Prinzen abfeuern.