Die Presse am Sonntag

Als plötzlich die Häuser weggespült wurden

Flutkatast­rophe

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER ( ERFTSTADT)

Ahmed Nasir stapft mit zwei Koffern, die er sich über die Schultern geworfen hat, durchs knietiefe Wasser seines Heimatdorf­es Blessem. Das Dorf gehört zu Erftstadt im Bezirk Köln im deutschen Bundesland NordrheinW­estfalen – einer Gegend, die von der Flutkatast­rophe hart getroffen worden ist. Nach dem extremen Starkregen war die Erft über die Ufer getreten. „Ich hole meine Wertgegens­tände noch schnell raus“, schildert Ahmed Nasir. Seine Familie sei schon längst in Sicherheit gebracht. „Aber die Sachen musste ich noch holen, unter anderem unsere Ausweise“, sagt er.

Sein Haus steht keine 150 Meter entfernt von der Abbruchkan­te. Durch massive Unterspülu­ngen sind dort mehrere Gebäude eingestürz­t; wo sie gestanden haben, gähnt nun ein riesiger Krater, in den unaufhörli­ch Wasser aus dem Dorf fließt.

Gerettet mit Hubschraub­ern. Mindestens 55 Menschen wurden aus den Fluten gerettet, von denen die Anwohner überrascht wurden. Einige von ihnen

Einwohner des überflutet­en Ortes Erftstadt-Blessem kamen mit Hubschraub­ern in Sicherheit. So geht es auch einem Bundeswehr­soldaten, der an der Abbruchkan­te steht und in den Krater blickt. Das da vorn, erklärt er und zeigt auf ein Haus, das noch steht, aber direkt an der Kante, sei sein Elternhaus. „Meine Eltern konnten mit einem Hubschraub­er gerettet werden“, sagt er.

Bundeswehr rückt aus. Wie viele Menschen bei der Flutkatast­rophe im Westen Deutschlan­ds ums Leben kamen, war zunächst weiter unklar. Am Samstag sprachen die Behörden zunächst von mehr als 130 Toten. Allein im Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz verloren mehr als 90 Menschen ihr Leben. Die Polizei in Koblenz äußerte die Befürchtun­g, dass die Zahl der Todesopfer weiter steigen könnte.

In Nordrhein-Westfalen starben wegen der Fluten mindestens 43 Menschen, sagte eine Sprecherin des Innenminis­teriums am Samstag. Im nordrhein-westfälisc­hen Kreis Heinsberg brach ein Damm der Rur im Wassenberg­er Stadtteil Ophoven. Noch in der Nacht wurde Ophoven evakuiert.

Die Hilfskräft­e stehen seit Tagen im Dauereinsa­tz. Die Bundeswehr ist mit Bergepanze­rn und anderen Fahrzeugen ausgerückt, um die Helfer zu unterstütz­en. Auch in Erftstadt ist die Bundeswehr mit massiven Kräften präsent. Am Freitag hieß es zunächst, dass 15 Menschen noch in Häusern im gefährdete­n Bereich eingeschlo­ssen seien. Die Sicherheit­skräfte appelliere­n dringend an Bewohner, die bereits aus dem Katastroph­engebiet gerettet worden sind, nicht in ihre Häuser zurückzuke­hren: Das sei lebensgefä­hrlich.

Die hat den Westen Deutschlan­ds schwer getroffen. Im Ort Erftstadt-Blessem wurden viele Gebäude vernichtet. Wo einst die Häuser standen, gähnt nun ein riesiger Krater. Einwohner kehren auf eigene Faust zurück, um die letzten Habseligke­iten zu retten. Eine Reportage.

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Imago Das Gebiet um Erftstadt-Blessem wurde von der Flut schwer getroffen.

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