50 Jahre Staud’s – der Klang
Vor 50 Jahren hat Hans Staud den elterlichen Handel auf dem Yppenmarkt übernommen und sich mit der Veredelung von Obst und Gemüse zum »Marmeladenkönig« gemausert.
Wenn man genau hinhört, hat Marmelade im 16. Bezirk Melodie. Zumindest, wenn man zur rechten Zeit auf dem Yppenmarkt bummelt. Diese Woche tönt’s „Zwei aus Ottakring“aus dem Staud’s Pavillon, interpretiert von Zweien, die dem Titel gerecht werden. Hans Staud sitzt an der elektronischen Orgel, die befreundete Musikerin Claudia Sallagar begleitet am Cello.
Jede Woche musizieren sie hier gemeinsam vor fein säuberlich aufgefädelten Reihen Cornichons und Kompott im Glas, manchmal sind es Schlager, manchmal Opernwerke, manchmal eben Wiener Lieder. Co-Geschäftsführer Stefan Schauer versucht sich dieses Mal gar tapfer in der gesanglichen Begleitung: „Zwei aus Ottakring, die g’hören z’samm, weil’s doch zwa Zwetschken vom selben Bam!“
Zahlen fadisieren. In diesem Jahr begeht der Wiener Traditionsbetrieb Staud’s, der sich auf die Veredelung von Gemüse und Obst spezialisiert hat, sein 50-Jahr-Jubiläum, leise und im Kleinen. Für einen erfolgreichen Kaufmann zeigt sich der 72-jährige Gründer des Unternehmens, Hans Staud, allerdings recht fadisiert, wenn sich das Gespräch hin zu Zahlen und den wirtschaftlichen Eckdaten seiner Karriere wendet. Verkaufen muss er seine Erfolge nun ja nicht mehr, sie sind publik.
Dafür kommt er beim Klang steirischer Intonation ins Schwärmen: „Das ,L‘ am Schluss, ich lieb es! Ich bin ja eigentlich halber Steirer.“Seine Mutter, Johanna, war einst Buchhalterin bei einem Apfelbauern in Puch bei Weiz. So lernte sie auch ihren späteren Mann, Johann, kennen, der den Gemüse- und Obstgroßhandel der Eltern auf dem Yppenmarkt übernommen hatte. Ihm folgte sie nach Wien. „Steirisch durfte ich nie mit ihr reden, sie dachte, ich mach mich lustig“, sagt Hans Staud. Wäre es nach dem Vater gegangen, wäre er nach Abschluss der Handelsakademie nach Deutschland gegangen, um Manager zu werden. „Der Vater wollte, dass ich es leichter habe im Leben und dass ich weniger schuften muss.“
Der Sohn hatte andere Pläne: Noch während des Studiums begann er mit der Mutter verhalten und im Geheimen Obst einzukochen. „Die Idee war naheliegend, die Großmutter führte einen Bauernhof in der Steiermark, der Vater war Gemüsehändler“, beschreibt
Staud. Heikel sei er gewesen, und keine gute Qualität habe es damals im Handel gegeben, wird er nicht müde zu betonen. Deshalb sollte es ein hochwertiges und schön designtes Produkt werden. Was also im stillen Kämmerlein mit Marillenkompott und Essiggurkerln begonnen hat, umfasst heute ein Sortiment von über 200 Konfitüren, eingelegtem Gemüse, Bio-Röstern und Chutneys. Das Gemüse und Obst stammt zum größten Teil aus Österreich aus konventioneller und biologischer Landwirtschaft, Gurken aus dem Seewinkel, rote Rüben aus dem Weinviertel, Spargel aus dem Marchfeld, die Silberzwiebeln aus Verona.
»Mit der Mutter durfte ich nie steirisch reden, sie dachte, ich mache mich über sie lustig.«
Unkonventioneller Auftritt. „Der Vater hat lang weggeschaut und sich auf seinen Gemüsehandel konzentriert. Irgendwann hat er akzeptiert, dass ich ein Dickschädl bin“, erinnert sich Staud. Langsam fanden sich langjährige Handelspartner in Wien, die sich über die Qualität der Ware freuten, wie Pöhl Delikatessen oder
Meinl am Graben. Der größere Erfolg ließ trotzdem ein paar Jahre auf sich warten,
machte sich dafür aber dann über die Grenzen Österreichs hinweg bemerkbar. Rund ein Drittel des Umsatzes macht Staud’s in Deutschland, in der Schweiz, in Norditalien, aber auch in Asien und Nordamerika. „Auf manche meiner Auftritte auf internationalen Messen spricht man mich heute noch an“, sagt Staud schmunzelnd. Er wusste die Lehren seiner Wirtschaftsprofessoren auf unkonventionelle Art umzusetzen. Um sich als kleines österreichischen Unternehmen neben Playern wie Nestle´ auf der Anuga-Messe in Köln hervorzutun, mietete er sich vor Ort einen Bösendorfer-Flügel und gab Konzerte, begleitet von Tanzpaaren, einer Violinistin, manchmal auch einem Pantomimen.
Trotz der Abnehmer im Ausland war Staud’s immer fest verwurzelt in Wien Ottakring. Schräg gegenüber vom alten Marktstand des Vaters eröffnete Hans Staud den Pavillon, den lang seine Mutter, Johanna, führte. Die eigentliche Produktion passiert zwei Straßen weiter in der Hubergasse, an beiden Standorten beschäftigt Staud’s insgesamt 50 Angestellte. Die Revitalisierung des Yppenmarkts war für Staud eine Herzensangelegenheit. „Früher war es nicht länger schick, auf den Markt zu gehen, die neuen Supermärkte waren interessanter und klimatisiert, lang wurde nichts investiert und man beklagte das Marktsterben. Erst in den letzten 20 Jahren kommt wieder eine Wertschätzung des Markttreibens auf“, sagt Staud. Wegziehen wäre für ihn nie infrage gekommen, die Vielseitigkeit des Yppenmarktes zog er der touristischeren Klientel des Naschmarkts vor. Überhaupt wird ihm nachgesagt, er habe Ottakring immer nur für Theater- und Opernbesuche verlassen.
Vor fünf Jahren wurde Hans Staud das Ehrenzeichen der Stadt Wien verliehen, nicht zuletzt für „die gelebte Integration“in seinem Betrieb. Er beschäftigt Mitarbeiter aus zwölf Nationen, als die Kommunikation auf Deutsch mit einigen serbokroatischen
Angestellten an ihre Grenzen stieß, lernte Staud ihre Sprache, ging fortan mit ihnen in Sprachaustausch. Das Sprachenlernen fiel ihm immer leicht, spricht er doch Polnisch, Englisch, Slowakisch, Französisch.
Klein und flexibel. Mittlerweile hat sich Hans Staud aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen und steht in einer beratenden Funktion an der Unternehmensspitze. Die operative Leitung haben Stefan Schauer und Jürgen Hagenauer übernommen. Seit 30 Jahren arbeitet Schauer bei Staud’s. „Mit rund zehn Millionen Euro Umsatz im Jahr sind wir noch ein kleines Unternehmen. So bleiben wir flexibel und können schnell Entscheidungen treffen, das gefällt mir besonders“, sagt Schauer. Außerdem habe man durch den Markstand Kontakt zum Kunden und könne direkt auf Kritik reagieren.
Dort verbringt auch Hans Staud bis heute noch gern seine Zeit. „Ich lad’ Sie ein, an einem Samstag herzukommen, das ist unser schönster Markttag!“, empfiehlt er. Mit etwas Glück folgt man dann einfach der Melodie zum Stand.
»Ich lad’ Sie ein, an einem Samstag herzukommen, das ist unser schönster Markttag!«