Arzt der Könige und König der Ärzte
Als Internist behandelt er Potentaten und Präsidenten. Der zukunftsorientierte Professor Karl Fellinger baut im Alten AKH unter schwierigsten Bedingungen eine moderne Abteilung für Innere Medizin auf – mit dem besten Elektronenmikroskop der Welt.
Wien wird durch den Doyen der klinischen Medizin zur begehrten Adresse.
König Ibn Saud reist mit großer Entourage – darunter sechs seiner Söhne, mehrere Frauen seines Harems und der saudische Gesundheitsminister – in drei Flugzeugen an. Immerhin besitzt er die 22-Zimmer-Villa Hummer in der Hinterbrühl.
Während der saudiarabische König Abd al-Aziz Ibn Saud kreislaufgeschwächt und an einem Zwölffingerdarmgeschwür laborierend in Wien vom renommierten Mediziner Karl Fellinger behandelt wird, führen seine Söhne in Nachtlokalen ein ausschweifendes Leben. König Sauds ziegenbärtiger Zahlmeister Ahmed Obeid hat ihnen jeden Wunsch zu erfüllen – damit die Nachkommen des saudischen Monarchen auch in Wien das Märchen von Tausendundeiner Nacht leben können: Unter anderem kauft er in der
Michael Horowitz
Wiener General-Motors-Vertretung an einem Tag, was gerade im eleganten Ringstraßen-Autosalon ausgestellt ist: Es sind, erinnert sich Prokurist Pasching, elf Chevrolet, neun Chrysler, fünf Cadillac und zwei Buick.
König Ibn Saud garantiert bei seinen Aufenthalten in der Obhut seines Leibarztes Karl Fellinger im Rudolfinerhaus während der 1950erund 1960er-Jahre aber auch gute Geschäfte, lässt auch heimische Firmen gesunden.
Die Liste der Potentaten, die der international anerkannte österreichische Arzt behandelt, ist beeindruckend: Neben König Ibn Saud und seinem Vater Abd al-Aziz, der 1932 das Königreich Saudiarabien gründet, Indonesiens Präsident Sukarno, König Hassan II. von Marokko und dem pakistanischen Präsidenten Zia-ul-Haq, konsultieren der Präsident von Sierra Leone, Siaka Stevens, und der ökumenische Patriarch, Athenagoras I. von Konstantinopel, den Wiener Internisten. Bald nennt man ihn Arzt der Könige.
Auch Schah Mohammad Reza Pahlavi sucht bei Karl Fellinger 1962 medizinischen Rat. Nach der ersten Behandlung lädt der Schah in die persische Botschaft ein: An einer hufeisenförmigen Tafel werden Riesenschüsseln der besten Kaviar-Sorte „Pearls of the Caspian Sea“gereicht.
Doch der orientalische Glanz blendet ihn nie. Fellinger stellt sich immer Fragen der ärztlichen Ethik – und scheut keine unbequemen Diskussionen. Wien wird durch den Doyen der klinischen Medizin Österreichs zur begehrten Adresse. Darauf haben auch Neutralität und aktive Nahostpolitik von Bundeskanzler Kreisky Einfluss – schon als Außenminister gelingt es ihm, die Opec-Zentrale in Wien anzusiedeln.
Der 1904 in Linz geborene Fellinger studiert an der Universität Wien bei medizinischen Mentoren wie Anton Freiherr von Eiselsberg, dem früheren Assistenten Theodor Billroths, bei Julius Tandler und Theodor Wagner-Jauregg. Als 33-Jähriger habilitiert sich Fellinger mit einer Arbeit über Hormonforschung
für Innere Medizin. Im selben Jahr wird er Vorstand einer Abteilung am Krankenhaus Lainz.
Während der Herrschaft der Nationalsozialisten entzieht man dem Arzt aus politischen Gründen die Lehrbefugnis. 1940 wird Fellinger als Arzt zum Militärdienst in Polen und Russland einberufen. Nach Ende des Krieges wird er 1946 als Ordinarius an die II. Medizinische Universitätsklinik bestellt, die er fast 30 Jahre lang leitet.
Unter seiner Ägide wird am Allgemeinen Krankenhaus unter schwierigsten Bedingungen eine moderne Abteilung für Innere Medizin aufgebaut: Bereits 1952 kann der zukunftsorientierte Fellinger mit einem Elektronenmikroskop – dem damals modernsten der Welt – arbeiten. Auch weil die Nuklearmedizin zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt. Kurz danach ermöglicht er mit der Spulenniere, einer revolutionären Entwicklung des Dialyse-Verfahrens, Patienten eine bessere Behandlung. Im April 1968 eröffnet Fellinger die neue Computerstation.
Um bei Rückenerkrankungen den Schmerz zu reduzieren, entwickelt der Internist die Fellinger-Infusion, einen rasch und nebenwirkungsfreien Cocktail aus Cortison, Novalgin und Vitamin B12, der bei akuten Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule drei bis fünf Tage lang verabreicht wird.
Die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Forschungen veröffentlicht