»Ich bin für eine Impfpflicht«
Stefan Pierer, KTM-Vorstandschef und Mehrheitseigentümer von Pierer Mobility, über den Boom bei den Zweirädern, den Staat als die Raupe Nimmersatt, über die Coronapandemie und die Frage, was er mit den Staatshilfen gemacht hat.
Etwas Besseres als die Coronapandemie hat Ihnen eigentlich gar nicht passieren können, der Zweiradsektor boomt seither. Stefan Pierer: Er ist vorher schon ordentlich gewachsen, weil immer mehr Menschen das Fahrrad und das Motorrad als Transportmittel auf der kurzen Strecke entdecken. Es ist effizienter, günstiger, schneller als ein Auto, man hat kein Parkplatzproblem – gerade für Pendler ist es interessant. Im urbanen Umfeld wird das Zweirad eine Renaissance erleben.
Eine ordentliche Renaissance offenbar: Pierer Mobility mit KTM, Husqvarna und Gasgas hat die Motorradabsatzzahlen im ersten Halbjahr 2021 fast verdoppelt.
Wir haben in den vergangenen Jahren ebenfalls schöne Zuwachsraten gehabt, aber heuer wird ein Rekordjahr. Mehr wegen des Fahrrads, das noch stärkere Zuwächse hatte als das Motorrad.
Wie leid tut es Ihnen da, dass Ihnen die Marke KTM-Fahrrad nicht gehört?
Wir haben selbst drei Fahrradmarken – Husqvarna, Raymon und Gasgas –, mit denen werden wir in den nächsten vier Jahren 500 Millionen Euro Umsatz machen und damit zum globalen Spieler werden. Dass wir wissen, wie das geht, haben wir im Motorradbereich in den vergangenen 30 Jahren gezeigt.
Also kein Interesse, KTM-Fahrrad zu übernehmen?
Nein, das Unternehmen ist von uns getrennt – und so soll es auch bleiben. Ich habe die Lizenz damals abgegeben, und dazu stehe ich.
Was sind die Lektionen aus der Pandemie? Wir waren bei den Teilen nie so abhängig von Asien, dass die Lieferprobleme Auswirkungen auf unsere Produktion gehabt hätten. Deswegen sind wir die Profiteure der Krise, weil wir liefern können. Die Lektion ist, dass wir kontinentale Lieferketten aufbauen müssen. Die Logistikkosten haben ja dramatisch zugenommen, die Containerpreise aus China haben sich teilweise verfünffacht, da zahlt es sich aus, wieder mehr in Europa zu produzieren.
Sie haben die Coronapandemie als Unternehmen gut überstanden, die Geschäfte laufen wieder gut. Ist es da gerechtfertigt, dass Sie vom Staat etwa zwölf Millionen Euro an Unterstützung unter anderem für die Kurzarbeit bekommen haben?
Das muss ich klarstellen: Wir haben nicht vom Staat Geld bekommen. Wir haben Geld bekommen, das Sie, ich, alle Geschäftsleute und Arbeitnehmer dem Staat treuhänderisch zur Verwaltung übergeben haben. Das ist hart erarbeitetes Steuergeld. Ich habe die Mittel direkt an die Mitarbeiter weitergegeben.
Die staatlichen Zuzahlungen in der Kurzarbeit gingen ja immer an die Mitarbeiter.
Wir haben aber auch das an die etwa 3500 Mitarbeiter in Österreich in Form einer Prämie weitergegeben, was wir als Unternehmen erhalten haben.
Sie planen, heuer eine Dividende von mehreren Millionen Euro auszuschütten. Kann man das reinen Gewissens angesichts der Staatshilfen?
Ich habe die Hilfen ja nicht behalten, sondern an die Mitarbeiter weitergegeben. Außerdem hat es die Staatshilfen 2020 gegeben, in dem Jahr haben wir keine Dividende ausgeschüttet.
Aber heuer wird eine ausgeschüttet.
Ich habe Mitarbeiter, die ich entlohne, und ich habe eine Dividende, das ist der Unternehmerlohn. Wenn ich die Möglichkeit habe, aufgrund der finanziellen Situation eine Dividende auszuschütten, mache ich das. Ich zahle Löhne und Gehälter, und einmal im Jahr bekommt der Unternehmer seinen Unternehmerlohn.
Stefan Pierer, 1956 in Bruck an der Mur geboren, ist Mehrheitseigentümer der Pierer Mobility AG und Vorstandsvorsitzender der KTM AG.
Er studierte an der Montanuniversität Leoben Betriebs- und Energiewirtschaft, das Studium schloss er 1982 als Diplomingenieur ab.
1991 kaufte er Teile der insolventen Firma KTM. Mittlerweile führt Pierer mit einem indischen Partner die Marken KTM, Husqvarna und Gasgas. Das Unternehmen ist viertgrößter Motorradhersteller der Welt.
Wie teuer ist Sie die Coronakrise gekom- men?
Sie hat uns natürlich Geld gekostet. Wir waren zum Beispiel einer der Pioniere in Österreich bei der Einrichtung von Coronateststraßen und jetzt von Impfstraßen. Wir haben das gemeinsam gut gemeistert und die Krise gut überstanden.
Falls es nicht wieder zu einer neuen Welle kommt und zu neuerlichen Lockdowns. Ohne Impfung wird es nicht gehen. Ich habe wenig Verständnis für Menschen, die sich in der Frage gegen die Gemeinschaft stellen und sich nicht impfen lassen wollen. Ich rede hier nicht von jenen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen. Aber bei allen anderen – das ist schlicht unverantwortlich.
Soll es eine Impfpflicht geben?
Ja, ich bin für eine Impfpflicht. Ich habe das auch in meinen Unternehmen klargestellt: Neueinstellungen gibt es nur mit Impfungen. Auch auf Dienstreise geht nur, wer geimpft ist. Alles andere ist doch unverantwortlich. Bei bestehenden Dienstverträgen ist es natürlich schwierig, etwas vorzuschreiben. Bei den Angestellten haben wir eine sehr hohe Impfrate, bei den Arbeitern eine geringere. Aber wir versuchen, die Menschen zu überzeugen. Es ist im Interesse jedes Einzelnen, sich impfen zu lassen.
KTM ist mittlerweile größer als Harley-Davidson. Haben Sie Interesse, diesen Traditionshersteller zu übernehmen?
Das ist eine andere Art von Zweirad, das ist Cabriofahren auf zwei Rädern. Wir haben vor 20 Jahren über eine mögliche Kooperation gesprochen, daraus ist nichts geworden. Mittlerweile sind wir deutlich erfolgreicher. Ich schätze Harley-Davidson, aber zu uns passt die Marke nicht.
Als Sie KTM 1991 übernommen haben, hat das Unternehmen 6000 Motorräder pro Jahr gefertigt. Heuer . . .
. . . wir werden heuer vermutlich bereits 340.000 Motorräder in der Gruppe herstellen . . .
Sie sind Nummer vier der Welt, wie weit kann man sich noch steigern?
Naja, aufs Podium möchte ich schon. Also Nummer drei der Welt werden mit 500.000 Stück, die wir bei KTM, Husqvarna und Gasgas fertigen. Momentan liegt noch Kawasaki vor uns. Platz zwei und Platz eins sind außer Reichweite, dafür müssten wir eine Million Stück pro Jahr herstellen.
Sie werden neue Mitarbeiter brauchen, wenn Sie 500.000 Motorräder fertigen wollen. Wie viele fehlen Ihnen denn aktuell?
Ich suche derzeit intensiv 200 Mitarbeiter, die man noch kriegt, wenn man Geduld hat und eine professionelle Mitarbeitersuche. Wir bieten auch eine entsprechend gute Belohnung. Die Lehrlingsausbildung ist bei uns immens wichtig, da machen wir viel. Wir bilden bei KTM derzeit 180 Lehrlinge aus und wollen nächstes Jahr auf 200 aufstocken. Es bekommt jeder, der seine Lehrlingsausbildung mit gutem oder ausgezeichnetem Erfolg abschließt, ein Motorrad als Gratifikation.
Kein Klagen über die hohen Lohnkosten? Natürlich, die sind viel zu hoch. Österreich ist ein Hochsteuerland. Ein Mitarbeiter, der rund 3000 Euro brutto im Monat verdient, bekommt im Jahr etwa 27.000 Euro netto und kostet den Arbeitgeber 54.000 Euro. Die Differenz kassiert der Staat, der ist die Raupe Nimmersatt.
Woher soll sich der Staat das Geld holen, wenn er die Steuern auf die Arbeit senkt? Durch eine Entbürokratisierung, weniger Vorschriften, weniger Verwaltungsaufwand. Dass man noch viel bei der Effizienz der Verwaltung machen kann, hat ja die Pandemie und der Lockdown gezeigt. Außer beim Finanzministerium mit den angeschlossenen Finanzämtern ist die Digitalisierung noch nicht sehr weit fortgeschritten.
Manche Unternehmen klagen, dass die Jungen verlernt haben zu arbeiten.
Es gab in den vergangenen 50 Jahren eine sehr erfreuliche Entwicklung, wir sind alle viel wohlhabender geworden. Für die Jungen fehlt daher möglicherweise der Antrieb, etwas zu schaffen. Vielleicht haben auch wir als Elterngeneration zu wenig Leistungsverständnis mitgegeben. Bei unseren Bewerbern ist Work-Life-Balance immer ein ganz wichtiges Thema, das ist ihnen wichtiger als Entlohnung.
Ist das jetzt indirekt ein Plädoyer für eine Erbschaftssteuer, die die Jungen wieder zwingen würde, mehr zu leisten?
Ja und nein. Es geht in der Frage primär um die Erziehung, es geht darum, dass man den Kindern mitgibt, wie wichtig Leistung im Leben ist. Ich habe versucht, das meinen Kindern beizubringen. Aber es ist der falsche Zugang, jemandem mit einer Erbschaftssteuer alles wegzunehmen, um ihn so dazu zu bringen, etwas zu leisten. Es gibt leider kein Leistungsdenken mehr. Bei uns wird ja Spitzenleistung mit dem Erreichen des Durchschnitts verwechselt, sobald jemand Spitzenklasse liefert, sieht man ihn kritisch.
Die Regierung arbeitet derzeit an der Steuerreform, ein Ziel ist die Senkung der Körperschaftssteuer von 25 Prozent Richtung 21 Prozent. Freuen Sie sich schon?
Ich halte das nicht für vordringlich. Wichtiger wäre, das Eigenkapital der Unternehmen zu stärken. Man könnte zum Beispiel zwei Jahre lang darauf verzichten, nicht entnommene Gewinne zu versteuern, oder sie nur gering zu versteuern. Auch die Idee der Regierung, Eigenkapital mit einem fiktiven Zins zu belegen, finde ich gut. Mit mehr Eigenkapital bekommen die Firmen wieder Kraft, und die brauchen sie jetzt. Wie wichtig eine gute Eigenkapitalquote ist, hat man in der Coronapandemie gesehen. Mehr Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals würden mehr bringen als eine Senkung der Körperschaftssteuer.
Zu Ihrer Spende an die ÖVP von Sebastian Kurz noch eine Frage: Wie wir aus den Chatprotokollen wissen, sind Sie als Aufsichtsratsmitglied in der Öbag im Gespräch gewesen. Kurz hat diese Besetzung wegen Ihrer Spende als „unmöglich“abgelehnt. Sehr karrierefördernd war Ihre Zahlung also nicht. Das sollte sie auch nie sein. Ich wollte die Ideen und die Ziele der ÖVP unterstützen, nicht mich. Für mich ist das neu, dass ich in den Aufsichtsrat sollte. Ich bin Mehrheitsgesellschafter und Vorstandsvorsitzender in einer Gruppe mit rund 10.000 Mitarbeitern und mehr als 2,5 Mrd. Euro Umsatz. Meine Kapazitäten sind damit ausgeschöpft.
Aus meiner Sicht sehr positiv ist, dass es im Wesentlichen einen Fokus gibt auf die Forcierung und Förderung des Unternehmertums, auf mehr Freiheiten, weniger Bürokratie, aber mit Qualifikation. Die zweite wesentliche Dimension ist die Weiterentwicklung, die in den Bereichen Digitalisierung, Innovation zum Ausdruck kommt. Da sind wir, da sind Unternehmen ja vielschichtig gefordert. Die Rückkehr nach Covid funktioniert ja nicht so, dass man einfach einen Schalter umlegt.
Das Konsumentenverhalten hat sich zum Teil sicher verändert, Stichwort Investitionen in die eigenen vier Wände, Stichwort Online.
So gesehen sind da natürlich auch die Unternehmen mit neuen Impulsen gefordert. Und neue Impulse kann es nicht zuletzt durch Weiterbildung der Unternehmerinnen und Unternehmer, sowie