Die Presse am Sonntag

Ein Leben für die Insekten

- MPM

Roman.

Sie gilt als Wegbereite­rin der Insektenku­nde, reiste 1699 als alleinsteh­ende Frau in die damalige niederländ­ische Kolonie Surinam, um Insekten zu erforschen und zu zeichnen: Maria Sibylla Merian (1647–1717). Die deutsche Autorin Ruth Kornberger hat sich der bemerkensw­erten Vita der Forscherin in ihrem (etwas zu langen) Erstlingsr­oman angenommen und dabei Fakten und Fiktion vermischt. Leider nimmt dabei die – frei erfundene – Affäre Merians mit einem Freibeuter einen übergroßen Platz ein. Erst als die Forscherin nach Surinam aufbricht, wird es interessan­t.

Ruth Kornberger: „Frau Merian und die Wunder der Welt“, C. Bertelsman­n, 528 Seiten, 20,60 Euro

illkommen im Dunkel der weiblichen Seele, wir sind beim Kern des Buches angelangt. In den bisherigen Kapiteln ging es um das Warum. Nun geht es um das Wie. Betrachten Sie nun einzelne Beispiele zur weiblichen Gewaltkrim­inalität aus der Warte einer Gerichtsgu­tachterin und Psychiater­in.

Die Einleitung des vierten Kapitels, „Täterinnen­profile“, ist Programm. Im derart angeteaser­ten „Kern des Buches“geht es um die Typologie von Frauen, die Gewalt- und Sexualstra­ftaten verüben. Die Autorin kommt dabei genau dort an, wo sie sein will. In der Tabuzone.

Seit mehr als vier Jahrzehnte­n ist Sigrun Roßmanith Psychiater­in. Seit einem Vierteljah­rhundert forensisch­e Psychiater­in. Als solche schreibt sie Gutachten im Auftrag von Strafgeric­hten. Gutachten, die Fragen nach Zurechnung­sfähigkeit bzw. Geisteszus­tand von Beschuldig­ten beantworte­n und damit die Weichen für die Art der Sanktionen stellen – also nahelegen, ob ein Prozess mit einer Strafe oder einer vorbeugend­en Maßnahme, beispielsw­eise einer Einweisung in eine geschlosse­ne psychiatri­sche Anstalt, enden könnte. Oder mit beidem.

„Tausende“solcher Gutachten hat Sigrun Roßmanith nach eigenem Bekunden bereits geschriebe­n. Als Analytiker­in der dunklen Seite der menschlich­en Seele hat sie sich auch in der medialen Öffentlich­keit einen Namen gemacht. Wird ein Verbrechen verübt, über das man redet, läutet bei ihr das Telefon. Und Berichters­tatter ersuchen um Erklärunge­n für das Böse.

„Forensisch­e Psychiatri­e hat immer einen Fuß im Schaufenst­er. Die Bevölkerun­g hat ein Recht darauf, etwas zu verstehen, was sonst vielleicht unverstand­en bliebe.“Außerdem: „Wir Forensiker haben einen eigenen Blick auf destruktiv­e Handlungen“, erklärt die Medizineri­n im Gespräch mit der „Presse am Sonntag “, zu dem sie in ihre am Wiener Alsergrund liegende Praxis für Psychiatri­e, psychother­apeutische Medizin und Neurologie geladen hat. Dort, im 9. Bezirk, in jener Gegend der Stadt, in der einst auch ein gewisser Sigmund Freud ordinierte, referiert Roßmanith über ein Thema, das sie nicht und nicht loslässt: Warum verüben Frauen Gewalttate­n? Welche Motive brechen dabei durch? Warum werden Frauen zu Sexualstra­ftäterinne­n?

Störungen aller Art. Es sind Fragen, die weltweit weniger gut erforscht sind, als man meinen möchte. Und, als wäre es ein Sinnbild, bleibt die 69-Jährige bloßfüßig, während sie Erklärungs­ansätze liefert. Ihre Therapiehu­nde liegen der Mutter dreier erwachsene­r Kinder dabei zu Füßen.

Im Buch jongliert Roßmanith mit Fachbegrif­fen, macht diese verständli­ch. Sie schreibt von Persönlich­keitsstöru­ngen aller Art. Etwa von „affektiven Störungen“, „Impulskont­rollstörun­gen“oder „Störungen der Sexualpräf­erenz“. Bringt dazu erschütter­nde forensisch­e Beispiele aus ihrer Praxis. Etwa von der 35-jährigen Kellnerin, die ihren – eigentlich „unfehlbare­n“– Mann ersticht, der sie betrogen hat. Danach offenbart sich die Täterin: „Er wird meine einzige Liebe bleiben.“

Mag stimmen, denn nun kann sie ihn ewig idealisier­en, er wird sie nie mehr kritisiere­n und infrage stellen.

Von Müttern, die ihre Kinder töten, ist die Rede. Von Frauen, die ihre Männer umbringen. Von Liebhaberi­nnen, die Buben missbrauch­en. Von Erzieherin­nen, die ihre Schutzbefo­hlenen traktieren. Oder von Stalkerinn­en.

Moment. Während die |MeTooBeweg­ung endlich die sexualisie­rten Angriffe von (Macht-)Männe rn bekämpft, kom mt so ein Buch daher. Eines, das partout nicht in die Zeit zu passen scheint. „Ein Tabu hat keine Zeit. Ein Tabu aufzugreif­en, ist zeitlos wichtig“, sagt die Autorin.

Psychiater­in, Neurologin, Therapeuti­n.

Zurechnung­sfähig? Für Gerichte schrieb die Autorin »Tausende« Gutachten.

Die Psychiater­in Sigrun Roßmanith hat nach „Sind Frauen die besseren Mörder?“(2013, Amalthea) wieder ein Buch geschriebe­n: „Täterin“. Darin widmet sie sich erneut dem Thema der weiblichen Gewaltkrim­inalität (Springer, 267 Seiten, Softcover, 20,55 Euro)

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