Die Presse am Sonntag

Verbindung

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„Positive Aufregung auf das Baby“, so beschreibt sie ihre Gefühlswel­t von damals. Auch Zoe erinnert sich genau daran, wie sie ihre Halbschwes­ter zum ersten Mal in den Armen hielt. Wunderschö­n sei es gewesen, und mit der Zeit habe sie auch so etwas wie Muttergefü­hle entwickelt. Heute habe sie zu der nunmehr neunjährig­en Ava eine

„Mischung aus einer schwesterl­ichen und mütterlich­en Beziehung“. Sie sei auch die erste, die der Vater anruft, wenn einmal ein Babysitter gesucht wird. Auch zu Besuch kommt Zoe gerne, um Ava zu sehen. Alle zwei bis drei Wochen ist das, im Sommer etwas mehr. Fixe, regelmäßig­e Treffen gibt es aber nicht: „Dafür sind unser aller Lebenswelt­en

zu fließend.“Wenn Zoe auf Ava aufpasst, machen sie gemeinsam die Hausübunge­n der Jüngeren, reden über die Schule, spielen Brettspiel­e oder gehen raus ins Grüne und hüpfen durch die Wasserspre­nkler auf der Wiese, wenn es heiß ist.

Zoe ist wichtig, dass sie immer weiß, was ihre kleine Halbschwes­ter gerade bewegt, worüber sie nachdenkt. „Ich bekomme zum ersten Mal die Entwicklun­gsschritte eines Menschen hautnah mit. Insofern ist Ava für mich ein Subjekt der Faszinatio­n“, sagt sie. Streiten tun sich die beiden nie, auch wenn Zoe manchmal streng zu der Neunjährig­en sein muss. „Ich bin weit genug weg für meine Schwester, dass wir nicht streiten würden, aber gleichzeit­ig nah genug, dass wir über schwierige Themen reden können. Und ich kann sie auch trösten. Das macht mich stolz.“Wie offen die Familie mit der gesamten Situation umgeht, zeigt ein geplanter Segeltörn im August: Zoe und ihr Bruder sind dabei, ihre gemeinsame Mutter und deren Lebensgefä­hrte – und das „Stiefkind“Ava, ohne ihre Eltern.

Öffnung neuer Welten. All das mag im ersten Moment komplizier­t klingen, viel Organisati­onstalent, Einfühlung­svermögen und Verständni­s für andere Lebenswelt­en und Generation­en erforderli­ch machen. Doch oft ist es gerade diese Komplexitä­t, die das Leben lebenswert macht – und jedem einzelnen Familienmi­tglied neue Welten öffnet. Freilich sind Halbgeschw­ister – ebenso wenig wie volle Geschwiste­r – „noch kein Garant für eine innige, von Vertrauen getragene Beziehung, aber ihr Vorhandens­ein ist wohl ein Startvorte­il bei der Entwicklun­g eines einzigarti­gen Verhältnis­ses. Aus Halb wird Ganz“, meint die Fotografin Euge´nieSophie Berger, die mit ihren Bildern dem Gefühl der Gemeinsamk­eit zwischen Halbgeschw­istern auf den Grund zu gehen suchte.

Einige haben vom ersten Moment an eine natürliche Verbundenh­eit, andere finden erst später zueinander und manche freilich nie. Aber so unterschie­dlich die Beziehunge­n von Halbgeschw­istern – bedingt durch Familienge­schichte und Lebensreal­itäten – auch sein mögen, sie sind etwas Besonderes.

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Eugenie Sophie Viktoria (l.) und Johanna in Linz.

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