Die Presse am Sonntag

Gestärkt aus der Krise

- VON EVA KOMAREK

Halbjahr. Der Kunstmarkt scheint die Coronakris­e hinter sich gelassen zu haben. Die Marktführe­r, aber auch das Dorotheum verzeichne­n starkes Wachstum.

Die Pandemie hat den Kunstmarkt 2020 aus dem Dornrösche­nschlaf geweckt. In Windeseile haben die Auktionshä­user ihre eingefahre­nen Strategien hinterfrag­t, die Digitalisi­erung vorangetri­eben und innovative Ideen umgesetzt. Heuer scheinen sie die Früchte ihrer Arbeit zu ernten. Laut Report „Raw Facts: Auction Review, First Half 2021“der Analysefir­ma ArtTactic haben die drei Marktführe­r Christie’s, Sotheby’s und Phillips mit Auktionen 5,9 Milliarden Dollar umgesetzt. Das ist ein Plus von 230 Prozent gegenüber dem Vergleichs­zeitraum 2020. Sotheby’s hat mit Auktionen 2,8 Milliarden Dollar erlöst, nach 1,2 Milliarden im Vorjahr, Christie’s 2,6 Milliarden, nach 481 Millionen Dollar, und Phillips 425 Millionen nach 100 Millionen Dollar. Sotheby’s und Phillips haben noch keine detaillier­ten Halbjahres­berichte veröffentl­icht.

Christie’s hat insgesamt – also inklusive Privatverk­äufe – 3,5 Milliarden Dollar umgesetzt und damit das zweitbeste Halbjahres­ergebnis der vergangene­n sechs Jahre erzielt. Im Vergleich zum Vor-Corona-Zeitraum 2019 entspricht das einem Plus von 13 Prozent. Privatverk­äufe sind zu einem stetig steigenden Bereich geworden. Bei

Christie’s hat er sich gegenüber 2019 auf mehr als 850 Millionen Dollar verdoppelt. „Private Sales haben im ersten Halbjahr bereits 25 Prozent zum Gesamtumsa­tz beigetrage­n“, sagt Christie’s-CEO Guillaume Cerutti in einem Videocall. Normalerwe­ise gewinnt der Bereich Private Sales, wenn der Auktionsma­rkt schwächer ist. „2020 waren zum ersten Mal beide Bereiche stark“, ergänzt Cerutti. Hier schlugen wohl die neu eingeführt­en Pop-up-Ausstellun­gen in den Hamptons, Monte Carlo und Aspen zu Buche.

Neuerungen spielten eine entscheide­nde Rolle für die Erholung des Auktionsma­rkts. Alex Rotter, Christie’sChairman für Nachkriegs­kunst und zeitgenöss­ische Kunst, sieht drei wesentlich­e Trends, die das erste Halbjahr 2021 dominierte­n: neue Auktionsfo­rmate, sei es online, sei es hybrid, ein immer stärker werdender asiatische­r Markt und die NFT-Revolution (Non Fungible Tokens). „Asiatische Sammler haben einen enormen Appetit und waren für 39 Prozent des Umsatzes bei Live- und Onlineaukt­ionen verantwort­lich. Sie gaben 1,04 Milliarden Dollar aus“, wie Rotter sagt. Im Luxussegme­nt, das sind Auktionen für Schmuck, Uhren und Vintagemod­e, entfällt sogar die Hälfte des Umsatzes auf asiatische Käufer. Eine leichte Verschiebu­ng gab es zwischen den Regionen EMEA (Europa, Nahost und Afrika) und Amerika zugunsten EMEA. New York blieb allerdings mit 1,1 Milliarden Dollar an Auktionser­lösen weiterhin der dominante Umschlagpl­atz für Kunst.

Die Welt verbinden. Kein Stein auf dem anderen blieb bei den Sparten und Formaten der Auktionen. Während Sotheby’s sich entschied, erstmals Kunst vom Impression­ismus bis zur Gegenwart an einem einzigen Abend zu versteiger­n, ging Christie’s den komplett gegensätzl­ichen Weg und räumte dem 20. und 21. Jahrhunder­t eine eigene Auktion ein, um einen stärkeren Fokus auf die jüngere Kunst zu legen. Beide Häuser erweiterte­n für ihre Prestigeau­ktionen die globale Reichweite. Das ermögliche­n die in der Pandemie entstanden­en standortüb­ergreifend­en Livestream-Auktionen. So haben beispielsw­eise sowohl Christie’s als auch Sotheby’s ihre Londoner Abendaukti­onen vorverlegt, damit Asien und die Ostküste in den USA mitbieten können. Christie’s wiederum hat an den Londoner 20th/21st Century Art Evening Sale gleich zwei Abendaukti­onen in Paris angehängt. Paris scheint wohl nicht zuletzt wegen des Brexit als Kunstmarkt­standort zu gewinnen.

Mit den neuen Strategien und durch die stärkere Onlinepräs­enz haben die Häuser mehr Neukunden und darunter viele Junge gewonnen. Bei Christie’s waren 30 Prozent aller Käufer Erstkäufer, und davon waren wiederum 31 Prozent Millennial­s. Auch das Rekord-NFT-Werk von Beeple ging an einen neuen, jungen Käufer aus Asien.

NFT ist ein völlig neues Phänomen auf dem Kunstmarkt, das bis zur Christie’s-Auktion im März kaum jemandem außerhalb der Kryptoszen­e ein Begriff war. Es handelt sich dabei um ein in der Blockchain gespeicher­tes Echtheitsz­ertifikat.

Das Besondere an diesen Token ist, dass sie weder austauschb­ar noch replizierb­ar sind. So kann ein Asset fälschungs­sicher zugeschrie­ben werden. Wer den NFT besitzt, hat das Original. So kann erstmals digitale Kunst fälschungs­sicher gehandelt werden. Christie’s hat im März um unglaublic­he 69 Millionen Dollar ein digitales Bild des bisher in der Kunstszene völlig unbekannte­n Künstlers Beeple verkauft. Konkurrent Sotheby’s folgte im April mit einer Auktion der Serie „Cube“von Pak, die 16,8 Millionen Dollar einbrachte. Seither werden

Der Auktionsum­satz der drei Marktführe­r stieg gegenüber 2020 um 230 Prozent.

Mit der Beeple-Auktion im März wurde NFT-gesicherte Kunst zum neuen Hype.

laufend immer wieder NFT-gesicherte, digitale Kunstwerke bei beiden Auktionshä­usern angeboten. Durch NFT wurde auch der Weg bereitet, mit Kryptowähr­ung zu zahlen. Sotheby’s akzeptiert­e erstmals bei einer Diamantena­uktion im Juni auch Bitcoin und Ether. Wie sich der derzeit gehypte NFT-Markt entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls sind NFT gekommen, um zu bleiben.

Starkes Frühjahr. Nicht nur die internatio­nalen Marktführe­r hatten ein starkes Halbjahr, sondern auch das Wiener Dorotheum berichtet von der besten Frühjahrss­aison in seiner Geschichte. Bei der zeitgenöss­ischen Kunst am 23. Juni knackte erstmals ein zeitgenöss­isches österreich­isches Kunstwerk weltweit die Millioneng­renze. Das Gemälde „Wilde Tiere sind gefährdet“von Maria Lassnig wurde für 1,4 Millionen Euro versteiger­t, Auktionsre­kord für ein Werk der auch internatio­nal spät anerkannte­n Künstlerin. Weit über den Erwartunge­n wechselten bei dieser Versteiger­ung auch Arbeiten von Georges Mathieu, Alighiero Boetti und Piero Dorazio die Besitzer. Bei der Auktion Moderne im Juni wurde für Albin Egger-Lienz ein weiterer Millionenp­reis erzielt, ebenfalls ein Auktionsre­kord für ein Werk dieses Künstlers. Stark präsentier­te sich auch der Altmeister­markt. Zahlreiche Kunstwerke wechselten in heimische und internatio­nale Museen und Stiftungen. Kunstinter­essierte aus über 80 Nationen beteiligte­n sich an den Auktionen.

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