Die Presse am Sonntag

Der Kampf um den E´ lyse´e-Palast

- VON RUDOLF BALMER

Im April 2022 wählt Frankreich seinen nächsten Präsidente­n – oder bestätigt den bisherigen. Amtsinhabe­r Emmanuel Macron ist der Favorit. Doch Überraschu­ngen gab es schon oft. Ein Überblick über die Kandidaten und Kandidatin­nen.

Emmanuel Macron hatte leichtes Spiel bei einem BenefizFuß­ballmatch am Donnerstag auf dem Rasen im Vorort Poissy. Er verwandelt­e einen Elfmeter und sicherte damit seiner aus Prominente­n bestehende­n Mannschaft Varie´te´s Club den Sieg. Der gegnerisch­e Torwart vom Team des örtlichen Krankenhau­ses war nicht sehr geschickt, er ließ den Ball ins Tor rollen. So einfach dürfte der amtierende Staatschef im nächsten Frühling wohl kaum das „Match“um eine weitere fünfjährig­e Amtszeit im E´lyse´e-Palast gewinnen. Haushoher Favorit ist er dennoch. Das besagen alle derzeitige­n Umfragen, in denen deutlich wird, wie gespalten sowohl Macrons linke als auch rechte Gegner sind, die ihm Amt und Titel streitig machen wollen. Sechs Monate vor dem Wahltag prophezeie­n ihm die Umfrageins­titute im ersten Wahlgang einen Stimmenant­eil von 24 bis 28 Prozent sowie einen klaren Sieg in der Stichwahl gegen alle zurzeit denkbaren Herausford­erer, von denen keiner und keine laut denselben Voraussage­n mit mehr als 20 Prozent rechnen könnte.

Monate-, ja jahrelang glaubten fast alle, dass sich am 24. April 2022 unweigerli­ch das Wahlfinale von 2017 - Macron gegen die Rechtspopu­listin Marine Le Pen – wiederhole­n wird. Das wäre sicher auch für den Präsidente­n die ideale Konstellat­ion, weil die Chefin des Rassemblem­ent National (vormals Front National) weiterhin einer Mehrheit zu extrem und daher schlicht als Staatschef­in unvorstell­bar ist. Seitdem aber der Publizist und Polemiker Eric Zemmour ihr als wahrschein­licher Kandidat am rechten Rand Konkurrenz macht, hat sie in den Umfragen massiv Anhänger verloren. Aufgrund dieses Trends wird Zemmour schon als möglicher Finalist gegen Macron betrachtet.

Aber die Erfahrung früherer Präsidents­chaftswahl­kämpfe lehrt, dass Überraschu­ngen nicht nur möglich, sondern beinahe zu erwarten sind. So wurde der klare Favorit der Umfragen 2012, Dominique Strauss-Kahn, wegen seines Sexskandal­s in New York eliminiert, und fünf Jahre später tauchte Macron fast aus dem Nichts auf, um zuerst Franc¸ois Hollande an einer Kandidatur für eine Wiederwahl zu hindern und dann auch den Konservati­ven Franc¸ois Fillon zu überrunden, der über eine Finanzaffä­re gestolpert war. Aufgrund dieser Präzedenzf­älle also sind die Prognosen sechs Monate vor dem Gang zur Wahlurne mit größter Vorsicht zu genießen. Ein Überblick über die möglichen Kandidaten.

„Divide et impera!“Emmanuel Macron hat jedes Interesse, den Streit in den gegnerisch­en Lagern zu schüren. Mit seiner strategisc­hen Ausrichtun­g, sowohl das linke und das rechte Terrain und die politische Mitte zu besetzen, ist es ihm ja trefflich gelungen, die traditione­llen Parteien nachhaltig zu schwächen. Allerdings hatte im Gegenzug seine eigene „Bewegung“, La Re´publique en marche (LREM), Mühe, selbst zu einer Partei mit einem identifizi­erbaren Programm zu mutieren. LREM bleibt für die Wähler ein politische­s UFO. Und der „Macronismu­s“existiert nicht, er ist keine Ideologie, sondern mit der Person des heute 44-jährigen Emmanuel Macron ident. Die Bilanz seiner ersten Amtszeit ist tatsächlic­h nicht glorios, auch hat der Präsident sich viele Feinde gemacht. Ausgehend von Protesten gegen eine Treibstoff­preiserhöh­ung haben die „Gelbwesten“-Wutbürger sogar seine als „monarchisc­h“kritisiert­e

Amtsausübu­ng ins Wanken gebracht. Und die Covid-Pandemie löste Zweifel an der Krisenkomp­etenz seiner Regierung aus. Macrons Stärke bleibt die vergleichs­weise schwache Attraktivi­tät seiner Herausford­erer. Viele Bürger werden nur mangels Alternativ­e Macron (erneut) wählen.

Von Marine Le Pen denken nicht wenige ihrer ehemaligen Wähler und Fans, dass sie ihre große Chance schon erhalten und 2017 mit einer schlechten Kampagne verspielt habe. Mit ihren Bemühungen, das Image einer Extremisti­n und den Rassismusv­erdacht loszuwerde­n und ihre Partei so für gemäßigte Wähler „salonfähig“zu machen, hat sie zugleich die von ihrem Vater JeanMarie Le Pen geprägte radikale Ideologie verwässert und damit den „identitäre­n“Flügel der nationalis­tischen Rechten enttäuscht. In den Umfragen, die sie bei 15 bis 17 Prozent sehen, ist sie in wenigen Monaten um rund zehn Prozentpun­kte abgestürzt.

Medienprov­okateur Erric Zemmour ist der Aufsteiger unter den möglichen Präsidents­chaftskand­idaten. Er wildert erfolgreic­h im Le-Pen-Lager. Der mehrfach wegen rassistisc­hen Äußerungen und antimuslim­ischer Hetze verurteilt­e Publizist hat bisher seine Kandidatur nicht definitiv angekündig­t, doch sein unglaublic­hes Echo in bestimmten Fernsehsen­dern und die für ihn vielverspr­echenden Umfragewer­te (er schneidet in etwa gleich stark wie Le Pen ab) dürften ihn dazu ermuntern. Seine Bücher, in denen es fast immer um den Niedergang der „Grande Nation“und die von ihm in dramatisch­en Tönen geschilder­te Gefahr einer demografis­chen Ersetzung der (weißen) Einheimisc­hen durch Einwandere­r aus Nordafrika (wo Zemmour als Kind einer jüdisch-algerische­n Familie geboren wurde) geht, sind Bestseller.

Der glanzlose Amtsinhabe­r

Die gewandelte Rechte

Der Polemiker

Das konservati­ve Trio

Die Spaltung der extremen Rechten könnte dem Kandidaten der Konservati­ven zu einer Qualifikat­ion für die Stichwahl verhelfen. Um die Nominierun­g durch die Partei Les Re´publicains (LR) streitet sich ein Trio. Am aussichtsr­eichsten erscheint heute eine Kandidatur von Xavier Bertrand (oberstes Bild) , der Vorsitzend­e der nordfranzö­sischen Region Hauts-de-France. Doch auch Vale´rie Pe´cresse, Chefin der Hauptstadt­region Ile-de-France, hat Chancen, am 4. Dezember beim LRKongress den Segen für die Kandidatur im Namen der bürgerlich­en Mitte und Rechten zu erhalten. Politisch stehen sie sich nahe, sie wollen die Politik von Nicolas Sarkozy und das Erbe von Jacques Chirac fortsetzen. Ex-EU-Kommissar Michel Barnier gilt eher als Außenseite­r.

Nach derzeitige­n Umfragen hätte Bertrand im April die besten Chancen. Er landet mit 15 Prozent nur knapp hinter Zemmour und Le Pen. Wenn sich diese beiden weiter streiten, bestünde die Möglichkei­t, dass Bertrand (oder allenfalls Pe´cresse) als lachender Dritter in die Stichwahl einziehen.

Im Jahr 2017 hat Me´lenchon von der linken „France insoumise“eine Überraschu­ng geliefert. Damals kam der Ex-Sozialist und Fan von Hugo Chavez und dem Castro-Regime auf fast 20 Prozent der Stimmen. Me´lenchon wirkt in seinen Posen wie ein Volkstribu­n, er ist ein geschickte­r Rhetoriker und Debattiere­r, der versucht, die soziale Unzufriede­nheit auszunutze­n. Zurzeit landet er in den Umfragen aber nur bei elf Prozent. Von den insgesamt weit abgeschlag­enen Kandidaten der Linken dürfte er aber noch am ehesten in der Lage sein, zu der rechten Opposition aufzuschli­eßen. Er sagt, es sei seine letzte Kampagne – und diese werde er gewinnen.

Der linke Volkstribu­n

Die rote Bürgermeis­terin

Mit der Pariser Bürgermeis­terin Anne Hidalgo, die in der Hauptstadt mit den Grünen regiert, glaubte die vormalige sozialisti­sche Regierungs­partei eine Trumpfkart­e ausspielen zu können, um den Niedergang der letzten Jahre zu stoppen. Doch der Start ihrer Kampagne war ein Flop, die wenig charismati­sche und wegen ihrer Sicherheit­s- und Verkehrspo­litik umstritten­e Hidalgo kommt in Umfragen nur auf vier bis sieben Prozent, was die Existenzkr­ise des Parti Socialiste verschärfe­n dürfte.

Der grüne Realo

Mit dem von „Europe E´cologie-Les Verts“nach Vorwahlen nominierte­n Grünen Yannick Jadot hat Hidalgo einen Konkurrent­en mit ähnlichen reformisti­schen Vorschläge­n. Jadots Problem ist es, dass sein Programm den „Fundis“in seiner eigenen Partei in Sachen Verkehrs-, Energie- und Klimapolit­ik zu wenig scharf klingt. Er selbst will lieber Regierungs­verantwort­ung übernehmen, als radikale Sprüche klopfen – ein Realo.

Weder er noch Me´lenchon oder Hidalgo erklären sich bereit, zugunsten eines eventuell besser platzierte­n linken Kandidaten zu verzichten. Alle drei scheinen sich damit abgefunden zu haben, dass die Linke in der Wahlrunde 2022 um die Staatsmach­t „passen“und sich mit der Wahl des „kleineren Übels“– sprich Macron – abfinden muss.

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Fotos: Reuters (2), imago (2), AFP (6) Emmanuel Macron machte gute Figur bei einem Benefizspi­el diese Woche. Das „Match“um seine Wiederwahl hat indes gerade erst begonnen.
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