Die Presse am Sonntag

Praterstra­ße: »2-G bricht vielen das Genick«

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Einen verzweifel­ten Crowdfundi­ng-Aufruf startete Milena Kosˇir Rantasˇa, Geschäftsf­ührerin des Gürtelloka­ls Rhiz, im März 2020. Die über 10.000 Euro, die sie so sammelte, brachten das kleine Konzertlok­al „durch die erste, harte Zeit, als es noch keine Förderunge­n gab“, so Rantasˇa. Mittlerwei­le hat es das Rhiz (auch durch Förderunge­n) aus der Krise geschafft – und ist wieder gut gefüllt. „Die Leute brauchen einfach diese Nähe zueinander, die es in den Clubs gibt“, sagt sie. „Ich habe das Gefühl, dass nun nachgeholt wird, was so lang gefehlt hat.“

Die 2-G-Regel sei für das Rhiz kein Problem, zumindest was die Auslastung angeht – ohnehin fast nur Geimpfte würden kommen. Problemati­scher sei allerdings der Personalau­fwand für das Lokal: „Die neuen Türsteher, die Impfzertif­ikate kontrollie­ren, bedeuten natürlich Zusatzkost­en für den Betrieb.“Jeder, der eingelasse­n wird, bekommt im Rhiz ein buntes Armband, ähnlich wie bei vielen Festivals. „Das macht es für uns ein bisschen einfacher, damit sich niemand hineinschu­mmeln kann.“Überrasche­nd sei es für Rantasˇa gewesen, dass es kaum zu unangenehm­en Streitigke­iten mit ungeimpfte­n Gästen kommt. „Ehrlich gesagt habe ich mir mehr Stress und politische Ansagen erwartet.“

Rauer sei nun aber die Stimmung unter den Betreibern vieler Gürtelloka­le, sagt Rantasˇa. „Leider ist es auf einmal sehr kompetitiv geworden. Alle kämpfen um die Gäste und die Aufmerksam­keit. Natürlich sind alle freundlich zueinander und borgen sich auch mal Zitronen aus, aber im Hintergrun­d brodelt es. Nicht überall, aber immer öfter.“Schwierig sei außerdem nach wie vor die Programmpl­anung für die Konzertloc­ation. „Eigentlich planen wir unsere Programme immer drei oder vier Monate im Voraus, das war natürlich lang gar nicht möglich. Aber auch jetzt wissen wir nie genau, wie weit wir planen können.“

Sie sind zwei Urgesteine der Wiener Nachtgastr­o: Seit 40 Jahren sind Pratersaun­a-Gründer Hennes Weiss (r. am Bild) und Heinz Tronigger, der unter anderem die Albertina Passage initiierte, in der Szene tätig. Im März 2020 sperrten sie mit Benjamin Loudon (l. im Bild) ihren neuen Club Praterstra­ße auf – und nur eine Woche später wieder zu, als der erste Lockdown ausgerufen wurde. „In den Räumen war früher ein ATV-Studio, die Vorbereitu­ng für den Club dauerte fast zwei Jahre. Als wir dann gleich wieder zusperren mussten, war das hart“, so Weiss. „Im September machten wir einen Soft-Start – und der nächste Lockdown kam.“

Seit dem heurigen Sommer ist die Praterstra­ße nun aber geöffnet. „Und es entwickelt sich endlich in die richtige Richtung“, so Weiss. Trotz 2-G. „Auch wenn mir 3-G mit der Möglichkei­t zu PCR-Tests um einiges lieber wäre.“Am Eingang würden sie je nach Abend 20 bis 35 Prozent der Gäste abweisen müssen, weil sie nicht geimpft sind. „Dieser Anteil ist ein essenziell­er Teil, der jetzt vielen Clubs das Genick bricht.“Denn wenn auch nur einer aus einem Freundeskr­eis nicht geimpft ist, sei dies oft der Grund, dass alle woanders hinziehen – etwa auf private Partys oder sogar nach Bratislava. Auch Partytouri­smus nach Niederöste­rreich sei ein Thema: Zuletzt machte das Exil in Vösendorf Schlagzeil­en, das direkt am Wiener Stadtrand liegt, für das aber die niederöste­rreichisch­e 3-G-Regel gilt.

Übrigens besonders bitter für die Praterstra­ße: Der Club hat keinen Vergleichs­zeitraum für 2019. „Deshalb sind wir bei fast allen Förderunge­n durchgefal­len“, so Weiss. Gleichzeit­ig habe man Mehrkosten, etwa durch die Kontrollen am Eingang. „Wir haben drei Leute zusätzlich angestellt.“Trotzdem: „Man darf nicht alles schlechtre­den. In Österreich wurde die Nachtgastr­o, im Vergleich zu anderen Ländern, zum Glück vor einer Konkurswel­le gerettet.“

Seit fünf Jahren betreibt Nadine Lenzinger den Na Nang Club in der Hernalser Hauptstraß­e. „Die meisten ReggaeClub­s in Wien mussten bereits schließen. Wir sind also quasi der ,Last Man Standing‘“, sagt sie. „Deshalb trifft sich die Community aus ganz Österreich bei uns.“Die Coronakris­e und vor allem die 2-G-Regel sei für das Lokal, deren größte Zielgruppe die afrikanisc­he Community ist, eine Katastroph­e. „Wir bemerken einen riesengroß­en Rückgang an Gästen. Die Zahl der Besucher hat sich seit Corona halbiert, seit die 2-G-Regel gilt, sind es noch einmal weniger geworden.“

Verschiede­ne Erklärunge­n hat die Clubbetrei­berin dafür. „Unter anderem, dass unsere Stammklien­tel zum Teil aus Personen besteht, die keinen guten Zugang zur Impfung haben. Nicht weil das unbedingt alles Impfverwei­gerer sind, sondern manche in prekäreren Situatione­n leben. Und: Bei vielen unserer Gäste sind Kontrollen der Polizei, die es ja verschärft gibt, eine große Angst.“Am Interesse am Na Nang Club scheitere es nicht, so Lenzinger – viele Leute, die nur einen PCR-Test nachweisen können, müsse man nach wie vor an der Tür wegschicke­n.

Geöffnet hat der Club trotz der Schwierigk­eiten, wenn auch nur noch am Wochenende. „Da sich der Betrieb unter der Woche nicht mehr auszahlt“, sagt Lenzinger. „Wir bemühen uns aber, dass wir weiterhin viel Programm bieten. Dabei versuchen wir auch, kreativ zu werden, um andere Zielgruppe­n anzusprech­en.“Der Na Nang Club ist zwar ein Nachtlokal, immer wieder gebe es dort aber auch Veranstalt­ungen. Lenzinger fragte deshalb beim Amt an, ob man die für Veranstalt­ungen geltende 2,5-G-Regel einführen könne, bei der auch PCR-Tests gelten. „Das wurde aber nicht zugelassen. Jetzt hoffen wir vor allem auf Anfragen für Feiern – dann wissen wir nämlich, dass wir an gewissen Abenden mit einer größeren Runde rechnen können.“

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