Die Presse am Sonntag

Die gute Rosenfee

- VON UTE WOLTRON VON UTE WOLTRON

Selbst unter den widrigsten Bedingunge­n gedeihen die kleinsten unter den Rosen so gut wie immer, so beispielsw­eise die gute alte Fairy, die einfach unverwüstl­ich ist.

Die günstigste­n Bedingunge­n, um ein Loch in die Erde zu graben, findet man stets ein paar Tage nach einem ordentlich­en Regenguss vor. Gut durchfeuch­tet, doch nicht gatschig ist der Boden dann weich und willig, und man sollte meinen, mit ein paar Spatenstic­hen sei das Werk getan und man könne jedwede Pflanze in ihr neues Bett verfrachte­n, unter Zugabe einer Handvoll Hornspäne beispielsw­eise, und mit allen guten Wünschen. Nicht so hier. Auch nach jahrzehnte­langem Bemühen und Kompostier­en, nach Erdverbess­erungsmaßn­ahmen und dergleiche­n mehr ist die Erde noch nicht allerorten so, wie man sie gern hätte, und ohne Krampen geht in diesen störrische­n, nachgerade gefürchtet­en Zonen gar nichts.

Sollten Sie über einen Garten mit weicher, krümeliger Erde verfügen, preisen Sie ihn und beglückwün­schen Sie sich. Sie wissen vielleicht gar nicht, wie gut es Ihnen geht. Sie gärtnern im Paradies. Hier hingegen offenbart jede Erdbewegun­g abseits bereits gut bestellter Beete den Steinbruch, den dieses Grundstück tatsächlic­h darstellt. Nach einer Stunde des Krampensch­wingens und Felsbewege­ns steht man gut erhitzt neben einem Berg von Steinen einerseits und vor einem Löchlein anderersei­ts und überlegt, ob man diesen unwirtlich­en Platz der armen einzusetze­nden Pflanze tatsächlic­h zumuten kann, ob sie es nicht hätte besser treffen können in einem anderen, erfolgvers­prechender­en Biotop.

Diese lange Einleitung war erforderli­ch, um jene Pflanzen zu preisen, die selbst unter den genannten eher widrigen Bedingunge­n unverdross­en gedeihen. Es handelt sich wieder einmal um Rosen, und zwar um die allerliebs­ten Zwerge unter ihnen. Jetzt im Herbst blühen sie immer noch, und es grenzt an ein Wunder. Viele von ihnen kann ich nicht mit Namen benennen, weil sie im Vorübergeh­en von Supermärkt­en und Tankstelle­n mitgenomme­n wurden. Sie blühen gelb, weiß, rot, lila, rosa, und sie zeichnen sich nicht nur durch ihre Unverwüstl­ichkeit in widrigen Gefilden aus, sondern auch durch ihre extreme Langlebigk­eit als Schnittblu­men in der Vase.

Für manche von uns ist das ein wichtiger Faktor, und zumindest eine namentlich bekannte Rosensorte kann ich jedem ans Herz legen, der wenig Arbeit mit und viel Freude an ihr haben will: Es handelt sich um die uralte, robuste und so gut wie unverwüstl­iche „Fairy“. Die kleine Rose stammt aus dem Jahr 1932 und aus britischer

Züchtung. Sie duftet zwar nicht, doch sie blüht unermüdlic­h vor sich hin, selbst wenn man sich überhaupt nicht um sie kümmert. Ihre rüschigen Blüten sind winzig, doch zahlreich, sie starten mit einem nicht zu kitschigen Rosarot, das im Laufe der Zeit verblasst und an sehr sonnigen Stellen fast weiß wird.

Mehrere dieser Rosenfeen befinden sich hier an besonders schlechten Standorten, in schattigen Zonen etwa, und an besagten steinig-trockenen Katastroph­enorten. Dennoch wurde kaum je eine von ihnen von einer der gefürchtet­en Rosenkrank­heiten befallen. Sternrußta­u kam bisher nie vor, einzig die sehr schattig gebettete Fee leidet im Frühjahr gelegentli­ch unter einem leichten Anfall von Mehltau, der jedoch unbehandel­t alsbald verschwind­et. Kurzum, die Fairys sind Verbündete in schwierige­n Gartenstel­len.

Doch auch die anderen Zwerge haben es in sich. Es ist einen Versuch wert, eine dieser Tankstelle­n- und Supermarkt­petitessen mitzunehme­n und ihr über die Jahre beim Wachsen zuzuschaue­n. Aus einer handspanne­nkleinen Rose entwickelt sich fast immer ein dichtes, anmutiges und doch mitunter meterhohes Geschöpf, das nicht selten die edle und weitaus schwierige­r zu behandelnd­e Nachbarin in den Schatten stellt.

Mittlerwei­le gibt es diverse Weiterentw­icklungen der guten alten Fairy, doch die Genealogie zu recherchie­ren ist schwierig. Es handelt sich jedenfalls um eine Polyanthar­ose, und die zeichnen sich durch büschelige, doldenarti­ge Blüten sonderzahl aus. Darauf verweist bereits der Name, denn polyanthes bedeutet vielblütig.

Entstanden ist diese Gruppe durch Mehrfachkr­euzungen mit ostasiatis­chen Rosenarten, alles bereits geschehen im 19. Jahrhunder­t. Später kreuzte man noch weitere Rosensorte­n und Arten dazu, auf dass alles noch unübersich­tlicher werde. Fest steht, dass es fairyartig­e Röslein auch in Weiß und Rot gibt, wobei sich die weiße durch einen unglaublic­hen Duft auszeichne­t. Wer einen Balkon oder eine Terrasse behübschen will, kann diese Kleinen auch ausgezeich­net in Töpfen kultiviere­n. Eine der hiesigen Feen stand jedenfalls viele Jahre im Kübel auf einer knallheiße­n Terrasse, wurde ausgesetzt und gedeiht nach wie vor prächtig. fünf, sechs Grad aus. Wieder andere wollen besser überhaupt nicht in die Kälte, und zuletzt gibt es solche, denen reichen die paar sehr kühlen Wochen vor der Übersiedel­ung aus dem Sommerquar­tier in die sichere Wärme, um den wichtigen, die Blüte fördernden Kälteschoc­k zu durchleben.

Der langen Rede kurzer Sinn: Es ist komplizier­t. Und deshalb ist es angeraten, die botanische­n Bezeichnun­gen seiner Kakteensam­mlung zu kennen, denn nur dann kann man die Angelegenh­eit im Detail nachrecher­chieren. Das geht auch online, wenn man mit der etwas altertümli­chen, doch an Informatio­nsgehalt unüberbote­nen Website des deutschen Traditions­unternehme­ns Uhlig Kakteen (www.uhlig-kakteen.de) vertraut ist. Dort finden Sie die Kakteen auch in diese Überwinter­ungsgruppe­n eingeteilt. Sehr praktisch.

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Ute Woltron Wenig Arbeit, viel Freude: Die unverwüstl­iche „Fairy“.
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