Die Presse am Sonntag

»Klimawande­l ist nicht das Ende der Welt«

- VON MATTHIAS AUER

Wenn es um die Erderwärmu­ng geht, reagiert die Welt hysterisch – und lässt alle anderen Probleme links liegen, sagt der dänische Statistike­r Bjørn Lomborg. Die Milliarden für die grüne Wende könnten den Menschen anderswo mehr helfen.

Eines der bekanntest­en Zitate der Klimaschut­zaktivisti­n Greta Thunberg lautet: „Ich will, dass ihr in Panik geratet!“Ist das ein guter Rat?

Bjørn Lomborg: Nein. Aber das werfe ich ihr nicht vor. Ich verstehe, warum sie das sagt. In ihrem Alter sind alle verängstig­t, weil sie in den Medien nur noch sehen, wie die Welt wegen des Klimawande­ls auseinande­rfällt. Sie hat auch recht, wenn sie sagt, dass Politiker jahrelang alles versproche­n und sehr wenig gehalten haben. Würde ich glauben, dass das Ende naht und wir unsere Emissionen drastisch verringern müssen, wäre auch ich in Panik. Aber das stimmt nicht.

Ist der Klimawande­l etwa kein Problem? Der Klimawande­l und die Erwärmung der Erde sind ein echtes Problem, aber nicht das Ende der Welt. Ganz egal, welche Parameter man heranzieht, im Großen und Ganzen wird das Leben auf der Erde besser, nicht schlechter. Die Erderwärmu­ng verlangsam­t diesen Fortschrit­t zu mehr Wohlstand und Gesundheit nur ein wenig. Das ist schon eine ganz andere Botschaft.

All die Wissenscha­ftler, die immense Kosten und viele Todesopfer – etwa durch steigende Meeresspie­gel – vorhersage­n, liegen also falsch?

Der Meeresspie­gel ist ein gutes Beispiel. Die meisten in der Debatte sind Naturwisse­nschaftler. Ihre Logik lautet: Die Temperatur steigt, das Eis an den Polen schmilzt, der Meeresspie­gel steigt, und das flache Land wird überflutet. Das klingt wahr, aber so funktionie­rt die menschlich­e Gesellscha­ft nicht. Nehmen wir Holland als Beispiel: Wäre das wahr, hätte Holland schon vor langer Zeit untergehen müssen, aber es ist immer noch da. Warum? Weil es sich angepasst und Deiche gebaut hat. Wir müssen auch das sehen, nicht nur Gretas Sicht der Dinge. Natürlich müssen wir reagieren, aber dann ist das Problem überschaub­ar.

Das heurige Jahr der Extremwett­er-Ereignisse stützt die These der Entwarnung ja nicht gerade. Jede Flut und jede Hitzewelle galt als potenziell­er Vorbote der Klimakrise. Und Sie sagen trotzdem, die Menschen schenken dem Thema einfach nur zu viel Aufmerksam­keit?

Absolut. Wir überreagie­ren. Klar, wir haben heuer viele Fluten und Hitzewelle­n gesehen. Und die Hitzewelle­n werden durch die Erderwärmu­ng auch schlimmer werden. In den USA und in Kanada sterben schon heute jedes Jahr 2500 Menschen daran. Gleichzeit­ig sterben aber 100.000 Menschen auf der Welt jedes Jahr an Kälte. Von ihnen hören wir nie. Wir hören auch nicht, dass die Kältewelle­n durch die Erderwärmu­ng weniger werden. Wir können nicht nur Panik machen und das Gute übersehen.

Die Erderwärmu­ng ist also etwas Gutes? Nein. Die Erwärmung bringt mehr Negatives als Positives. Aber die Gefahr wird stark übertriebe­n. Viele Studien, die hochrechne­n, wie viele Menschenle­ben und Dollars der Anstieg des Meeresspie­gels kosten wird, gehen davon aus, dass die Menschheit nicht darauf reagiert. Wenn man aber die Infrastruk­tur entspreche­nd umbaut, sind die Folgeschäd­en kaum noch merkbar. Das ist natürlich nicht kostenlos, auch die Anpassung an die Erderwärmu­ng müssen wir bezahlen. Aber Holland musste in Summe etwa nur zehn Milliarden Euro ausgeben, um das ganze Land zu schützen. Das ist nicht nichts, aber es ist nah dran.

Über die Frage, was der Klimawande­l kosten wird, gibt es sehr differiere­nde Meinungen. Sie stützen sich auf William Nordhaus, der sie eher moderat einschätzt. Andere wie der Ex-Weltbank-Chefökonom Nicholas Stern kommen zu ganz anderen Zahlen. Nicholas Stern war damals schon ein

 ?? Clemens Fabry ?? Nur Innovation kann das Problem lösen, sagt Bjørn Lomborg.
Clemens Fabry Nur Innovation kann das Problem lösen, sagt Bjørn Lomborg.

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