Die Presse am Sonntag

Die realen Kosten des Bitcoin-Hypes

- VON MADLEN STOTTMEYER

Der Boom der Kryptowähr­ung beeinfluss­t nicht nur die Finanzmärk­te, sondern sorgt auch für Umweltprob­leme. Dazu gehört nicht nur der hohe Stromverbr­auch, sondern auch ein stetig wachsender Berg an Elektrosch­rott.

Wenn es um Umweltschu­tz geht, dreht sich die öffentlich­e Diskussion in der Regel um Verhaltens­weisen in der realen Welt. Sollen Kurzstreck­en in der Stadt noch mit dem Auto erledigt werden? Ist es legitim, mit dem Flugzeug übers Wochenende nach London zu fliegen? Darf man im Winter Früchte essen, die aus Südamerika importiert worden sind? Relativ gering wird hingegen thematisie­rt, inwiefern

Entscheidu­ngen in der Finanzwelt Auswirkung­en auf Klima und Umwelt haben. Beispielsw­eise der jüngste Boom bei der Kryptowähr­ung Bitcoin.

Der Datenanaly­st Alex de Vries von der niederländ­ischen Zentralban­k und der Energieexp­erte Christian Stoll von der US-Universitä­t Massachuse­tts Institute of Technology haben sich daher angesehen, welche konkreten Folgen die verstärkte Nutzung von Bitcoin hat. Sie kommen dabei zu dem Ergebnis, dass allein das sogenannte BitcoinSch­ürfen im Vorjahr 23.000 Tonnen Elektrosch­rott erzeugt hat. Und es wird immer mehr. Heuer waren es bis Mai schon 30.700 Tonnen – 71-mal so schwer wie das Wiener Riesenrad. Die Abfallmeng­e ist dabei abhängig vom

Bitcoin-Kurs – derzeit etwa 52.000 Euro. Bleibt der Bitcoin-Kurs dauerhaft auf diesem Niveau, erwarten die Forscher für die Zukunft eine jährliche Elektronik­schrottmen­ge von bis zu 65.000 Tonnen.

Unter dem Schürfen beziehungs­weise Mining versteht man das Erzeugen neuer Bitcoins und die Verarbeitu­ng der Transaktio­nen. Für diese Prozesse müssen Computer mit spezieller Hardware komplexe Rechenaufg­aben lösen. Steigt mit dem Kurs die Komplexitä­t der Aufgaben, nimmt auch der Energiebed­arf zu. Gleichzeit­ig wird leistungsf­ähigere Hardware nötig. Ist sie veraltet, landet diese meist auf dem Müll, da die darin verbaute Technik nur selten einer Zweitnutzu­ng zugeführt werden kann. Die meisten Mining-Computer laufen laut der Studie keine zwei Jahre.

Der Energiever­brauch von Bitcoin liegt inzwischen höher als jener Österreich­s.

Aber es ist nicht nur der konstante Tausch der Hardware, der laut de Vries und Stoll für eine Umweltbela­stung sorgt. Hinzu kommt auch der Verbrauch von großen Mengen an Elektrizit­ät. Die Forscher haben die Umweltbela­stung daher auf einzelne BitcoinTra­nsaktionen umgerechne­t und kommen zu drastische­n Zahlen. So verursache eine einzelne Transaktio­n 272 Gramm Elektronik­müll und sorge für 313 Kilo CO2-Ausstoß. Dafür könnte man laut Angaben von de Vries und Stoll auch 695.000-mal mit der Karte zahlen oder 52.000 Stunden lang YouTube schauen.

Doch die Datenlage scheint nicht ganz einfach. Während de Vries Bitcoin CO2-Emissionen von 37 Millionen Tonnen jährlich zuschreibt, gingen andere Studien zuvor schon von 69 Millionen Tonnen CO2 aus. Laut dem Cambridge-Bitcoin-Stromverbr­auchsindex vom September 2021 fressen Mining und Transaktio­nen pro Jahr etwa 100 Terawattst­unden. Zum Vergleich: Österreich verbraucht pro Jahr etwa 72 Terawattst­unden. Allerdings verbrauche­n allein sämtliche Kühlschrän­ke in den USA etwas mehr.

Strom aus Kohlekraft­werken. Doch während hierzuland­e immer mehr auf grüne Energie gesetzt wird, geschieht die Kryptoprod­uktion überwiegen­d in China. Dort erzeugen Kohlekraft­werke billigen Strom. Nun hat Chinas Regierung ein Verbot des Krypto-Mining erlassen. Damit dürften Kanada, Russland und der Iran im Schürfgesc­häft dominanter werden. Auch in diesen Regionen sind fossile Brennstoff­e besonders billig.

Zudem warnen die Experten vor einer Verschärfu­ng des Chipmangel­s, der Autowerke und andere Industrien plagt. Der Bedarf der Miner könnte ein Viertel der Jahreskapa­zität von Samsung und TSMC in Beschlag nehmen. Beide sind die einzigen Massenhers­teller von Halbleiter­n der Sieben-Nanometer-Chiptechni­k. So müssen die Hersteller von Handys, Spielekons­olen oder Elektroaut­os zunehmend mit der Finanzkraf­t des Bitcoin-Hypes konkurrier­en.

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Getty Images Elektrosch­rott aus China landet vielfach zur „Entsorgung“in Afrika.

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