Wort der Woche
BEGRIFFE DER WISSENSCHAFT
Die endlich in Fahrt kommende Energiewende wird unser Klimaproblem lindern – aber der Weg dorthin droht ziemlich ruppig zu werden.
Dieser Tage sandte die Internationale Energieagentur (IEA), wie berichtet, einen Warnruf in die Welt: Die Welt investiere viel zu wenig, um den künftigen Energiebedarf zu decken – schon gar nicht auf klimaschonende Weise. Und: Der Rückgang der CO2-Emissionen infolge der Coronakrise sei nur von kurzer Dauer gewesen; schon heuer steigen sie wieder in Rekordtempo an. Diese Aussagen werden im eben veröffentlichten „World Energy Outlook 2021“, wie gewohnt, mit unzähligen belastbaren Daten belegt (www.iea.org).
Doch das ist nur die eine Seite: Der Bericht dokumentiert auch, dass sich derzeit viel in Sachen Klimaschutz tut. Zwar konnten die Maßnahmen, die nach der Unterzeichnung des Pariser Weltklimavertrags 2015 beschlossen wurden, bisher keine Absenkung der weltweiten CO2-Emissionen bewirken (sondern bestenfalls eine Stabilisierung auf hohem Niveau). Doch die neuen Ankündigungen der Staaten im Vorfeld der UN-Klimakonferenz im November in Glasgow bringen laut IEA eine Trendwende: Schon in wenigen Jahren zeigt die Kurve der Emissions-Prognosen – erstmals – nach unten!
Das reicht zwar noch bei Weitem nicht aus, um die Ziele für 2050 zu erreichen. Aber es zeigt doch: Die Energiewende kommt weltweit in Fahrt.
Damit stellt sich nun auch die dringende Frage, wie diese Transformation zu gestalten sei. Es gibt viele Herausforderungen, technische und wirtschaftliche genauso wie soziale und politische. So werden etwa fossile Energieträger nicht von heute auf morgen verschwinden; die Abhängigkeiten von Lieferanten mitsamt allen weltpolitischen Folgen bleiben uns also erhalten. Zudem entstehen – obwohl erneuerbare Energie typischerweise sehr nahe an den Verbrauchern produziert wird – neue Abhängigkeiten. Denn zum einen sind die zur Nutzung erneuerbarer Energie nötigen Materialien (Lithium, Kobalt, seltene Erden usw.) nicht gleichmäßig verteilt, sondern in wenigen Regionen konzentriert. Zum anderen wird auch die Produktion von sauberem Wasserstoff regional unterschiedlich sein – abhängig von den natürlichen Gegebenheiten (v. a. von der Sonneneinstrahlung). Folglich wird es in diesen Bereichen einen stark zunehmenden Welthandel geben – bei einem Marktvolumen, das laut IEA bald jenes von Kohle übersteigen wird.
Auch wenn technologische Fortschritte diese neuen Abhängigkeiten wohl abmildern werden: Hier ist die Politik aufgerufen, rechtzeitig zu handeln. Andernfalls droht die Energiewende eine weltpolitisch ruppige Angelegenheit zu werden.
Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.