Ohne Kirche und Standesamt
Ohne Institution, aber trotzdem feierlich. Katja Elsing hat sich als freie Rednerin gemacht und »vermählt« Paare bei freien Trauungen nach deren Wünschen.
Institutionen sind weniger selbstverständlich, umso wichtiger werden die Rituale. selbstständig
Der Mensch braucht Rituale. Zumindest für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Denn auch wenn kirchliche Trauungen seltener vollzogen werden und selbst standesamtliche Eheschließungen für viele Paare ihren Reiz – oder auch ihre Notwendigkeit – verloren haben, auf das Ritual wollen dann doch viele nicht verzichten. Man könnte fast meinen, je weniger wichtig einst selbstverständliche Institutionen werden, umso wichtiger wird die Symbolik, auf die ebendiese zurückgreifen.
Davon profitiert auch die frühere Bankangestellte Katja Elsing, die sich 2017 als freie Rednerin selbstständig gemacht hat. Die gebürtige Deutsche hat sich als solche in Deutschland ausbilden lassen, eine Sprecher-Ausbildung absolviert und mittlerweile ihren Job in einem Bankunternehmen aufgegeben. 2015 ist sie nach Wien übersiedelt (damals noch der Bank wegen). Heute hat sie sich als Rednerin auf freie Trauungen spezialisiert. „Das sind Trauungen ohne rechtliche Bindung.
Es ist eine Alternative zur kirchlichen oder standesamtlichen Trauung – für Paare, denen eine feierliche Zeremonie wichtig ist“, erklärt die 40-Jährige in ihrer Wiener Wohnung im neunten Bezirk. Dort empfängt sie auch die Paare, die sie traut und auf die Zeremonie vorbereitet. Und das macht sie in der Regel recht intensiv. Ihr sei es wichtig, „in die Tiefe zu gehen“und die Paare gut kennenzulernen, damit sie die Rede besonders persönlich gestalten kann. Immerhin wünschen sich die meisten eine persönliche, lockere, aber dennoch feierliche Zeremonie.
Die Vorbereitungen, die Elsing anbietet, erinnern dabei durchaus an jene bei einer kirchlichen Trauung. „Ehevorfreude“nennt sie etwa einen Workshop, in dem es darum geht, sich gemeinsam auf die Zukunft als „Ehepaar“vorzubereiten. Auch Einzelgespräche werden angeboten. Im Schnitt trifft sie ein Paar dreimal vor der Zeremonie. Der Beruf freie Rednerin oder freier Redner ist nicht geschützt, jede und jeder kann sich darin üben. Immerhin wird damit auch keine rechtlich Bindung vollzogen.
Sie selbst hat für sich aber sehr wohl ein paar Regeln aufgestellt. So arbeitet sie nicht mit fertigen Textbausteinen, sondern jede Rede wird neu und speziell auf das Paar zugeschnitten geschrieben. „Deshalb mach ich auch nicht mehr als 20 Hochzeiten pro Jahr.“Auch eine gewisse Vorlaufzeit sei notwendig. Einen Auftrag in zwei Wochen würde sie nicht annehmen. „Eine Frau hat einmal gesagt, der Kurs bei mir ist wie Paartherapie, nur positiv“, sagt Elsing, die auch als Coach arbeitet. Sie wolle auch die weniger rosigen Seiten kennen, nicht um in der Rede darauf einzugehen, sondern um das Paar besser kennenzulernen.
Romantik als Beruf. Sie ist eher durch Zufall auf diesen Beruf gekommen, den sie als ihre Berufung bezeichnet. Eine gute Freundin hat sich für ihre Hochzeit eine Rede von einem Menschen, der sie gut kennt, gewünscht. Der Onkel der Freundin, übrigens ebenfalls ein Bankangestellter, hat die symbolische Trauung übernommen, was sehr berührend war. Sie selbst hat als Brautjungfer auch ein paar Worte an das Paar gerichtet. Und daran durchaus Freude gehabt und positives Feedback erhalten. „Da hab’ ich mir gedacht, das wäre doch ein schöner Beruf.“Ihre Befürchtung, dass in Wien eine freie Rednerin mit deutschem Akzent vielleicht abgelehnt werden würde, hat sich als unbegründet herausgestellt.
Sie bezeichnet sich als sehr neugierig. „Ich liebe Kennenlerngeschichten von Paaren und frage die Leute auch privat gern, wie sie zusammengekommen sind. Liebesgeschichten zum Beruf zu machen, war einfach genial“, sagt Elsing, die selbst übrigens nicht verheiratet ist. Jedes Paar sei für sie besonders, und es sei schön, bei einem für das Paar so wichtigen Ereignis teilzuhaben. „Letztens habe ich erst ein Pärchen gehabt, die meinten, sie haben keine romantische Geschichte, aber als sie dann erzählt haben, sind sie selbst draufgekommen, dass das sehr romantisch ist.“
Die Gestaltung der freien Trauung ist offen, sie ist auch nicht rechtlich bindend.
„Alles kann, nichts muss“, lautet ihr Motto bei der Gestaltung der Zeremonie. Rituale, wie ein Ringtausch, oder auch die Sandzeremonie (bei der Braut und Bräutigam jeweils Sand von einem Behältnis in ein gemeinsames füllen) kommen dabei vor, müssen aber nicht. „Unlängst habe ich zwei Männer getraut, die statt der Ringe Armbänder ausgetauscht haben.“Viele der Paare kombinieren eine freie Trauung auch mit einer standesamtlichen. „Meist wird sie einen Tag davor gemacht oder manchmal sogar in Kombination.“
Aber nicht nur freie Trauungen bietet sie an, sondern auch Willkommensfeiern für Babys, ebenfalls eine Alternative oder auch Ergänzung zu einer kirchlichen Taufe. Und sogar Trauerreden hat sie schon gehalten, auch wenn sie sich nicht darauf spezialisieren möchte. Einerseits weil es ohnehin schon viele Trauerredner gibt, andererseits, weil das eher kurzfristige Aufträge sind und damit natürlich weniger schöne Geschichten verbunden sind. Mittlerweile bildet sie mit einer Kollegin auch angehende freie Rednerinnen in ihrer Rednerwerkstatt aus.
Im Jahr 2020 hat sie pandemiebedingt weniger freie Trauungen abgehalten. Lediglich vier von 20 geplanten Terminen konnten eingehalten werden. Mittlerweile läuft das Geschäft wieder gut. Einige Feiern wurden oder werden heuer nachgeholt, andere auf nächstes Jahr verschoben. Der Bedarf an romantischen Zeremonien ist auf jeden Fall nicht kleiner geworden.