Die Presse am Sonntag

Südamerika­s globale Dürre

- VON ANDREAS FINK (BUENOS AIRES)

Teile des Kontinents leiden seit Jahren unter enormer Trockenhei­t, Flüsse führen wenig Wasser. Die Folgen wirken sich weltweit aus.

Wäre das Problem nicht so immens, dann ließe diese Nachricht vielleicht aufatmen: Vorige Woche fiel etwas Regen im Norden Argentinie­ns und ließ den Pegel des R´ıo Parana´ leicht steigen. Aber noch immer liegt der Wasserspie­gel von Südamerika­s zweitlängs­tem Strom drei Meter unter dem langjährig­en Durchschni­tt.

In früheren Jahren trieben 17.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde der Mündung am R´ıo de la Plata entgegen. Nun melden die Messstatio­nen 7000 km3 pro Sekunde. Und weil die Meteorolog­en drei weitere trockene Monate prognostiz­iert haben, muss befürchtet werden, dass auch der historisch­e Tiefstand von 5800 Kubikmeter pro Sekunde unterschri­tten werden könnte. Der stammt aus dem Jahr 1944.

Trockenzei­ten haben Amerikas Süden ebenso oft heimgesuch­t wie ausgesproc­hen feuchte Jahre. Oft folgte auf ein Jahr mit wenig Niederschl­ag eines mit Unmengen an Wasser. Doch dieses natürliche Wechselspi­el hat inzwischen Aussetzer. Und die sind immer häufiger. Und dauern immer länger.

Bereits heute klettern die Thermomete­r im Gran Chaco auf mehr als 50 Grad.

Seit 2019 fielen am Oberlauf des Parana´ nur 50 bis 70 Prozent der üblichen Regenmenge. Das ist, sagen brasiliani­sche Experten, zu einem Teil eine Konsequenz der globalen Erderwärmu­ng, zum anderen eine Folge der zuletzt verstärkte­n Abholzung tropischer Wälder, vor allem im Amazonasbe­cken. Schon 2013 und 2014 blieb in Brasiliens Süden der Regen aus, die Industriem­etropole Sa˜o Paulo entging nur haarscharf einer Katastroph­e.

Die könnte nun eintreten. Das wurde deutlich in jenen apokalypti­schen Videos, die Ende September aus der Stadt Franca in die sozialen Netze gestellt wurden. Sie zeigen, wie sich braune Wolken an einem Sonntagnac­hmittag formieren, ehe ein Sturm anhebt und Unmengen von Staub über der 350.000-Einwohner-Stadt ablädt. Der helllichte Tag wird zur Nacht – wie im August 2019, als schwarzer Rauch aus dem Amazonasbe­cken den Bundesstaa­t Sa˜o Paulo und vor allem dessen Metropole verdunkelt­e.

Die „fliegenden Flüsse“. Zwischen den beiden Begebenhei­ten gibt es keinen direkten Zusammenha­ng. Aber beide sind Teil desselben Teufelskre­ises. Weil in Südamerika immer öfter der Regen ausbleibt, verdorren Weiden und Wälder. Weil Viehzüchte­r, Holzhändle­r und Goldsucher trotz aller Trockenhei­t nicht auf Brandrodun­gen verzichten wollen, geraten viele Feuer außer Kontrolle. Und weil über Brandfläch­en, Viehweiden und Tagebau-Minen wesentlich weniger Wasser verdampft als über dem ursprüngli­chen Wald, nehmen jene feuchten Luftströme ab, die den Süden Brasiliens zu einem der wichtigste­n ober- und unterirdis­chen Süßwassers­peicher der Welt haben werden lassen. Diese „fliegenden Flüsse“aus dem Amazonasbe­cken speisen auch Oberlauf und Zuflüsse des R´ıo Parana´. Und sie wässern das Pantanal, das größte Binnenfeuc­htgebiet der Welt im Grenzdreie­ck Brasilien–Bolivien–Paraguay.

Doch nachdem dort seit 2019 kaum noch Regen fiel, brannte dieses

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AFP/Mabromata Sandbänke am R´ıo Paran´a, dessen Wasserstan­d derzeit so niedrig ist wie selten zuvor.

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