Londoner Frieze macht auf Normalität
Nach einem Jahr Zwangspause hat das Messe-Doppelpack Frieze und Frieze Masters im Londoner Regent’s Park wieder die Zelte aufgeschlagen und wagt sich über einen Sektor. Acht österreichische Galerien sind dabei.
Der Spotlight-Sektor bei Frieze Masters zeigt Avantgarde des 20. Jahrhunderts.
Auktion: Geschreddertes Werk von Banksy erzielt bei Sotheby’s Rekordpreis
Wir gehen nie auf Kunstmessen“, sagen die strikt seriös gekleideten Künstler Gilbert und George gegenüber britischen Medien. Dennoch stehen sie auf der Frieze Masters in London am Stand des Salzburger Galeristen Thaddaeus Ropac und posen vor zwei ihrer großformatigen Werke aus den 1980er-Jahren für die Kameras.
Kunst schauen und zwar nicht virtuell, das hat nach einem Jahr Coronazwangspause wieder einen großen Reiz. Offensichtlich sogar für jene, die sich dem Trubel normalerweise nicht mehr aussetzen. Vergessen sind die scheinheiligen „Fairtigue“-Seufzer – eine englische Wortkreation aus Messe und Müdigkeit – des Kunstwelt-Jetsets, der der Kunstszene zu verstehen geben wollte, es ist alles irgendwie zu viel und wir sind gelangweilt. Jetzt gehen Messebesucher wieder mit federndem Schritt durch die Kojen und freuen sich über den Austausch mit Galerien, Künstlern und Gleichgesinnten. Und es sitzt auch das Geld locker.
Gute Verkäufe am Previewtag. Ropac hat schon am Previewtag gut verkauft, darunter mehrere Arbeiten von Georg Baselitz. Das heuer entstandene Werk „Zimmer mit Dusche“beispielsweise ging für 1,2 Millionen Euro an ein Privatmuseum in Berlin. Auch eine Skulptur des Britischen Bildhauers Antony Gormley „Water II“fand für 400.000 Pfund einen neuen Besitzer. Für die erst jüngst in sein Portfolio aufgenommene österreichische Künstlerin Martha Jungwirth gab es ebenfalls reges Interesse und mehrere verkaufte Werke, darunter „Deikoon“aus der Serie „Memorial“um 135.000 Euro.
Ropac ist auf beiden Seiten des Regent’s Park vertreten. Man findet seine Galerie sowohl im Zelt der auf zeitgenössische Kunst spezialisierten Frieze als auch auf der Frieze Masters. Letztere wirbt vielversprechend mit dem Slogan: Sechs Jahrtausende Kunst. Und tatsächlich findet sich vis-a`-vis von Gilbert und George eine biblische Szene, gemalt im 17. Jahrhundert. Frieze Masters schafft es, mit seiner sanften Beleuchtung und dem dezenten grauen
Teppich einem Zelt ein luxuriöses Ambiente zu geben. Hier geht es auch ruhiger zu als im turbulenten Zelt für zeitgenössische Kunst. Auf der Frieze Masters findet man auch die Wiener Kunsthändler Wienerroither & Kohlbacher, die ausgewählte Werke der Klassischen Moderne und des Wiener Aktionismus präsentieren. Einen besonderen Schwerpunkt legen sie dieses Jahr auf die Arbeiten von Günter Brus und Franz West.
Nicht nur Ropac ist auf beiden Messen vertreten, auch David Zwirner, der am ersten Tag Arbeiten von Paul Klee und Yayoi Kusama verkaufte, und Hauser & Wirth, die mit einem Werk von Marlene Dumas für 450.000 Dollar sowie einer Skulptur von David Smith für 1,5 Millionen Dollar erfolgreich waren. Ein Highlight der Masters ist die Sektion Spotlight, die Pioniere der Avantgarde des 20. Jahrhunderts in Szene setzt. Auch heuer enttäuschte sie nicht und so griff die Tate beim politisch brisanten Werk des Nigerianers Obiora Udechukwu zu.
Rechtzeitig bevor die Eislaufsaison eröffnet, hat die Kunstmesse Art Austria ein 2000 Quadratmeter großes Zelt zwischen dem Wiener Konzerthaus und dem Hotel Intercontinental aufgeschlagen. 27 Galerien und Kunsthändler präsentieren dort noch bis heute Abend ihre aktuellen Highlights. Das Angebot umfasst die Epochen Wien um 1900, Klassische Moderne, Kunst nach 1945 und Zeitgenössische Kunst. Unter den Künstlern findet man große Namen wie Maria Lassnig und Xenia Hausner, Gustav Klimt und Egon Schiele, Arnulf Rainer und Gerhard Richter, Erwin Wurm und Arik Brauer und auch Fotokünstler wie Helmut Newton oder Robert Mapplethorpe.
Banksy hat es wieder geschafft, für Furore zu sorgen. Das Bild „Girl with Balloon“, das er während einer Auktion bei Sotheby’s vor drei Jahren live schredderte, kam diese Woche wieder bei Sotheby’s zum Aufruf – und erzielte einen neuen Rekordpreis für den Künstler. Es entbrannte ein Bietgefecht um das von Banksy offiziell auf „Love is in the Bin“umbenannte Werk. Der Hammer fiel schließlich bei 16 Millionen Pfund. Das ist das Dreifache des Schätzpreises. Die Schredderaktion war laut Banksy übrigens als Kritik auf dem Kunstmarkt gedacht.
Eine Viertelstunde Fußweg durch den Park geht es zur zeitgenössischen Frieze. Geschickt platziert muss man am Weg dorthin am Skulpturenpark der Messe vorbei. Und auch die meisten dieser Werke sind verkäuflich, so auch die bunte Ananas von Rose Wylie, die schon für 182.000 Pfund verkauft wurde.
Auf der Frieze ist auch ein stattliches österreichisches Aufgebot an Galerien vertreten. Neben Ropac finden sich hier Croy Nielsen, Gianni Manhattan, Krinzinger, Sopie Tappeiner, Martin Janda und Hubert Winter. Abgesehen von Ropac und Krinzinger – bei Letzterer zieht einem ein großformatiges Gemälde eines ätherischen Gitters in Rosa von Waqa Khan in den Bann – sind alle heimischen Aussteller im jungen Focus-Sektor zu finden, wo es neben den üblichen High-End-Künstlern noch frische Ware zu entdecken gibt.
Trotz Corona-Unsicherheit hat sich die Messeleitung übrigens über einen neuen Sektor gewagt. „Unworlding“heißt er und setzt sich vorrangig mit
Konzeptkunst auseinander. Die von Ce´dric Fauq, Chefkurator am CAPC Muse´e d’art contemporain de Bordeaux, kuratierte Sektion greift Themen unserer Zeit auf, wie soziale Gerechtigkeit oder Entmündigung. Hier ist etwa eine Serie großformatiger Leuchtkästen der Künstlerin Nora Turato zu sehen, die von der Galerie Gregor
Unworlding heißt der neue Sektor der Frieze, der vor allem Konzeptkunst bietet.
Staiger vertreten wird, und Werbungen von Investmentfonds und Vermögensverwaltungen, die sich auf Flughäfen zu Dutzenden wiederfinden, in ihren Arbeiten aufgreift.
Sonst hat die Messe natürlich auch die üblichen Hingucker, wie eine von David Shrigley entworfene Champagnerbar und natürlich, weil total hip, Damien Hirsts Spot-Paintings als NFT auf High-End-Screen.
Der leidende Künstler
Der Topos des „leidenden
Künstlers“, der in seiner Pariser Dachkammer hungert und friert, hält sich hartnäckig. Jeder kennt das erste Bild der Oper „La Boh`eme“von Puccini, wo brotlose Künstler ihre Werke verbrennen, um den Ofen anzuheizen. Sie verraten ihre Ideale, um zu überleben. Ein Widerspruch zwischen Kunst und Gesellschaft wird hergestellt, der so nicht immer stimmte. Die meisten Künstler achteten auf ihre Karriere, sie verschafften sich Zugang zu privaten Salons und konnten durch die Kontakte ihre Existenz durchaus sichern und die Karriere fördern. So könne ein strebsamer Künstler sich „in Paris leicht erhalten“, schrieb der Komponist Friedrich von Flotow.