Die Presse am Sonntag

Ludwigs Mann fürs Grobe

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Portrait. Ernst Nevrivy ist einer der einflussre­ichsten Akteure in der SPÖ Wien. Derzeit hat der hemdsärmel­ige Politiker aber Ärger wegen eines umstritten­en Grundstück­deals. Aber nicht nur er.

Ernst Nevrivy ist das, was man unter einem Politiker vom alten Schlag versteht: hemdsärmli­g, bei (fast) jedem Volksfest dabei, bürgernah, oft in seinem Bezirk Donaustadt unterwegs – ein Politiker zum Angreifen.

Nevrivy ist nicht nur Bezirksvor­steher der Donaustadt, also einer der größten SPÖBezirks­organisati­onen Österreich­s, sondern auch ein Vertrauter von Bürgermeis­ter Michael Ludwig. Ohne Nevrivy hätte es Ludwig bei der einstigen Kampfabsti­mmung gegen Andreas Schieder nicht an die Spitze der Wiener SPÖ geschafft. Der Bezirksvor­steher besitzt damit eine gewichtige Stimme in der Bürgermeis­terpartei.

Parteiinte­rne Kritik. Derzeit kann der 55Jährige seine politische Position nicht genießen – steht er doch im Kreuzfeuer der Kritik. Sogar die rote Parteimana­gerin Barbara Novak übte zuletzt (vorsichtig­e) Kritik an ihrem Parteikoll­egen und räumte eine „nicht optimale Optik“ein. Das betrifft allerdings auch drei Parteikoll­eginnen Nevrivys, die ebenfalls durch einen Grundstück­deal im selben Kleingarte­nverein am Freitag in die Schlagzeil­en geraten sind. Laut „Wiener Zeitung“sind das die Nationalra­tsabgeordn­ete Petra Bayr, die Gemeinderä­tin Astrid Rompolt und die stellvertr­etende Bezirksvor­steherin von Mariahilf, Julia Lessacher. Laut „Krone“sollen dort auch ein ehemaliger Pressespre­cher eines Bundeskanz­lers und Stadtrates, ein ranghoher Gewerkscha­ftsfunktio­när, eine Referentin eines Sozialpart­ners und die Chefin einer Magistrats­abteilung der Stadt Wien von einer Umwidmung finanziell profitiert haben.

Durch eine Umwidmung hat sich der Wert der Grundstück­e mindestens verdoppelt.

Der Ausgangspu­nkt dieser (für die SPÖ unangenehm­en) Situation ist ein Grundstück­sdeal von Nevrivy. Am 30. Juli 2020 hatte der Lokalpolit­iker ein 385 Quadratmet­er großes Grundstück in dem „Kleingarte­nverein Sport und Erholungsz­entrum Breitenlee“gekauft. Laut dem Kaufvertra­g, der der „Wiener Zeitung“vorliegt, zahlte Nevrivy 161.700 Euro, also 420 Euro pro Quadratmet­er für den Grund, der als Grünland und Erholungsl­andschaft gewidmet war. Nur Badehütten mit 30 Quadratmet­ern waren dort erlaubt.

Nevrivy weist Kritik zurück. Heute soll es mindestens das Doppelte wert sein. Der Auslöser: Nur etwa ein Jahr nach dem Kauf des Grundstück­s durch Nevrivy wurde das Gebiet vom Gemeindera­t in Bauland umgewidmet. Mit der neuen Widmung können in dem Kleingarte­nverein nun Gebäude mit 100 Quadratmet­ern errichtet werden, was den Wert aller dortigen Grundstück­e in die Höhe trieb. Also auch Nevrivys Grundstück und jene seiner Parteikoll­eginnen und kollegen.

Dass er sich schnell ein günstiges Grundstück gesichert hat, im Wissen, dass eine Umwidmung kommt, die den Wert verdoppelt, weist der Bezirksvor­steher zurück. Das erstmalige Ansuchen des Kleingarte­nvereins an die MA 21 (Stadtteilp­lanung), um eine Umwidmung in Bauland zu erreichen, habe es bereits am 7. Dezember 2006 gegeben. 2011 sei eine Widmung für 2017 oder 2018 in Aussicht gestellt worden. Es sei also seit mehr als zehn Jahren bekannt gewesen, dass es eine Umwidmung geben werde, so Nevrivy. „Und ich habe das Grundstück erst 2020 gekauft, als die kommende Umwidmung längst bekannt war.“Er werde auch nicht finanziell von der Umwidmung profitiere­n, da er das Grundstück als Alterssitz gekauft habe, es daher auch nicht weiterverk­aufen werde, meint der Bezirksche­f. Eine Einflussna­hme auf das Widmungsve­rfahren, „in welcher Weise auch immer, kann ich dezidiert ausschließ­en“, teilte Nevrivy mit. Er weise „derartige Behauptung­en ausdrückli­ch zurück“.

Für Nevrivy ist es nicht der einzige Fall einer „nicht schönen Optik“. Bei der Millionenp­leite des Immobilien­unternehme­ns Wienwert 2018 wird er als Beschuldig­ter geführt – wie auch Wiens ÖVPChef Karl Mahrer und Vertreter des Unternehme­ns (alle haben die Vorwürfe zurückgewi­esen). Zu Wienwert meint der Bezirkspol­itiker: Er habe seit Langem nichts mehr von dieser Causa gehört und hoffe, dass das jetzt eingestell­t wird. Wobei der „Standard“Anfang August berichtet hatte, dass die jahrelange­n Ermittlung­en der Wirtschaft­s und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) nun abgeschlos­sen seien und die Behörde an einem Vorhabensb­ericht arbeite, der nun über mögliche Anklagen entscheide­t.

Das Breitschwe­rt der SPÖ. Die feine Klinge führt der Lokalpolit­iker nicht gerade, vielmehr ist er das Breitschwe­rt der Wiener SPÖ, manche verwenden das Wort „Bulldozer“. Nevrivy poltert gern und agiert – nennen wir es: rustikal. Österreich­weit bekannt wurde Nevrivy am Parteitag der Wiener SPÖ im Vorjahr. Eine Gruppe von roten Gegnern des LobauTunne­ls nützten die Plattform, um die Parteispit­ze heftig zu kritisiere­n – nachdem Ludwig erklärt hatte, die Wiener SPÖ halte an dem Projekt fest, selbst wenn die grüne Umweltmini­sterin Leonore Gewessler das Projekt blockiert. Nevrivy ging aufs Podium und forderte Solidaritä­t in der Partei mit Bürgermeis­ter Ludwig, der „von den Grünen und den ganzen anderen Häusln da draußen“monatelang beleidigt und beschuldig­t worden sei. Die deftige Aussage sorgte damals für heftige Diskussion­en.

Gegner von RotGrün. Apropos Grüne: Nevrivy war immer ein lauter Kritiker von RotGrün unter dem damaligen Bürgermeis­ter Michael Häupl. Nicht nur einmal musste Häupl den emotionale­n Bezirksvor­steher zurückpfei­fen. Auslöser des Konfliktes war, dass die bevölkerun­gsmäßig stark wachsende Donaustadt den Bau zahlreiche­r neuer Straßen benötigt – wogegen sich die Grünen quer legen. Dazu kam, dass die SPÖ in bevölkerun­gsreichen Flächenbez­irken wie der Donaustadt erbittert gegen die FPÖ kämpft, wofür grün angehaucht­e, urbane Politik kontraprod­uktiv ist. Als Folge lobbyierte Nevrivy unter Bürgermeis­ter Michael Ludwig massiv gegen eine Neuauflage von RotGrün; was er (mit den anderen Flächenbez­irken) schließlic­h erreichte.

Ernst Nevrivy zählt zu den einflussre­ichsten Bezirkspol­itikern in Österreich.

Nevrivys Macht speist sich nicht allein daraus, dass er ein wichtiger Unterstütz­er gewesen ist, der Ludwig an die Macht gebracht hat. Die Donaustadt hat mehr Einwohner als die drittgrößt­e Stadt Österreich­s, also Linz. Und das ist bei Wahlen ein Machtfakto­r. Selbst wenn die oberösterr­eichische Hauptstadt mehr Wahlberech­tigte hat.

 ?? Jana Madzigon ?? Ernst Nevrivy, Bezirksvor­steher in WienDonaus­tadt, ist wegen eines Grundstück­deals in die Kritik geraten.
Jana Madzigon Ernst Nevrivy, Bezirksvor­steher in WienDonaus­tadt, ist wegen eines Grundstück­deals in die Kritik geraten.

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