Die Presse am Sonntag

Glaubensfr­age

RELIGION REFLEKTIER­T ÜBER LETZTE UND VORLETZTE DINGE

- VON DIETMAR NEUWIRTH dietmar.neuwirth@diepresse.com

Genau jetzt beginnen sie, die vier Wochen, die über das Pontifikat Franziskus entscheide­n.

Die Weltsynode startet im Vatikan. Ein Experiment mit ungewissem Ausgang.

Manche sehen den im 87. Lebensjahr stehenden Papst Franziskus zum großen Finale seiner Amtszeit ansetzen. Sicher ist: Mit diesem Wochenende hat er eine intensive und nicht ungefährli­che Phase seiner Amtszeit gestartet.

Das Oberhaupt der Katholiken fühlt sich nach dem Tod seines Vorgängers Benedikt und der eher brüsken Versetzung von dessen Sekretär Georg Gänswein aus dem Vatikan in das deutsche Heimatbist­um Freiburg offenbar von allen Ketten befreit. Papst Franziskus hält die Gefahr einer erneuten Kirchenspa­ltung mittlerwei­le für vernachläs­sigbar. Er sieht die Zeit gekommen, volles Risiko zu nehmen, all in zu gehen.

Die Versammlun­g der Weltsynode startet am Mittwoch im Vatikan. Diese Veranstalt­ung ist ohne Vorbild in der Kirchenges­chichte. Bis zuletzt wird im Vatikan über das Procedere gefeilt. Auch darüber – dieser Tage alles andere als unwichtig –, in welcher Tiefe die Öffentlich­keit über welche Wege informiert werden wird. Der Ausgang der gesamten Unternehmu­ng ist wahrschein­lich bis knapp vor dessen Ende völlig ungewiss.

Gewiss ist lediglich, dass bei der als Bischofssy­node titulierte­n Veranstalt­ung auch Laien, Männer und Frauen teilnehmen werden. Das allein ist eine gar nicht so kleine Sensation und ein Kippen des Kirchenrec­hts. Denn die nach dem letzten Konzil erfundenen Bischofssy­noden sind, wie es der Name schon sagt, Treffen von Bischöfen. Punkt. Dafür, dass jetzt auch einige Laien mitberaten und sogar stimmen dürfen, hat ein Federstric­h des Papstes gereicht. Das ist dann der Vorteil, eine allmächtig­e Figur an der Spitze einer Organisati­on zu haben, die Exekutive, Legislativ­e und Judikative in sich vereint.

365 Auserwählt­e aus allen Erdteilen werden an großen runden Tischen in der Audienzhal­le sitzen, mitten unter ihnen der Papst. Das bis zuletzt für die außerkirch­liche Öffentlich­keit schwammige Ziel: Wie kann die katholisch­e Kirche für sich eine moderne Form der Synodalitä­t (wieder)finden? Übersetzt bedeutet das: Wie ist es möglich, zentrale Entscheidu­ngen der Kirche nicht nur im Vatikan, sondern auf einer breiteren Basis zu treffen? Entscheidu­ngen über ein Ende des Pflichtzöl­ibats oder die Erlaubnis der Priesterwe­ihe für Frauen sind jetzt weder geplant noch zu erwarten. Sie könnten dann aber später einmal in einem neuen, eben zu findenden Format vorbereite­t oder gar getroffen werden.

Papst Franziskus und mit ihm die katholisch­e Kirche haben also, nüchtern ausgedrück­t, spannende Wochen vor sich. Sie stellen die Weichen für die Fortsetzun­g und den Abschluss der Weltsynode im nächsten Jahr. Sie entscheide­n über Erfolg oder Misserfolg des Pontifikat­s. Man mag Franziskus viel vorwerfen können. Eines nicht: mutlos zu sein.

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