Die Presse am Sonntag

Die letzte letzte Ruhestätte

Mit der Bestattung der Schwiegert­ochter des letzten Kaisers ist die Kapuzinerg­ruft voll. Zwischen 150 Toten werden in dem Gewölbe 400 Jahre Geschichte lebendig, von Sisi bis zu Nandl dem Trottel.

- ✒ VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Manche haben schon gesagt, es leichelt“, sagt Gigi Beutler. Den Eindruck kann man allerdings nicht bestätigen – auch wenn es schon eine etwas seltsame Vorstellun­g ist, dass in den metallenen Särgen, die sich hier aneinander­reihen, insgesamt 150 Tote liegen. Plus ein paar Herzen.

Am Samstag wurde nun der letzte, 151. Platz in der Kaisergruf­t besetzt : Yolande de Ligne, die Schwiegert­ochter von Kaiser Karl I. und Kaiserin Zita, die im September hundertjäh­rig verstorben ist. Die Stelle direkt neben ihrem 2007 verstorben­en Mann Carl Ludwig war schon lang für die belgische Fürstin vorgesehen gewesen. Damit ist die Kapuzinerg­ruft – wie es offiziell heißt – „eigentlich voll“, der Trauerzug der letzte, der in die Kaisergruf­t geführt hat.

Apropos Trauerzug: Viele erinnern sich noch an den Wirbel rund um die Bestattung von Otto von Habsburg vor zwölf Jahren: mit zweistündi­gem Requiem im Stephansdo­m, Monarchen aus aller Welt und 10.000 Schaulusti­gen. Und der sogenannte­n Anklopfzer­emonie, bei der die Kapuziner ihre Tore für den Verstorben­en erst öffnen, wenn er unter Weglassung all seiner Titel als einfacher, sündiger Mensch vorgestell­t wird. Ein Ritual, das am Samstag nicht erwartet wurde.

Sie finden hier seit mehr als 400 Jahren ihre letzte Ruhestätte. Alles, was Rang und Namen hat, ist versammelt: von Kaiserin Maria Theresia, an deren Seite in einem gigantisch­en Sarkophag ihr Ehemann Franz Stephan liegt, über Kaiserin Elisabeth bis zu Kaiserin Anna. Sie stiftete 1617 das Kapuzinerk­loster – und begründete die Gruft. Wobei sie eigentlich in einer Kapelle bestattet werden wollte. „Und dann kommt sie in den Keller“, sagt Eva Grundschob­er, konkret: in die nunmehrige Gründergru­ft, in der zwei schmucklos­e Truhen stehen, neben Anna ihr Mann Kaiser Matthias. „Die hat sich wahrschein­lich etwas anderes vorgestell­t.“

Grundschob­er arbeitet seit einigen Jahren in der Kapuzinerg­ruft. Mit Gigi Beutler, die vor 30 Jahren die erste war, die Führungen durch das historisch­e Gewölbe angeboten und auch ein Buch über die Begräbniss­tätten der Habsburger geschriebe­n hat („Wer begehrt Einlass?“), eint sie die Faszinatio­n für den Ort, die manchen durchaus ein bisschen morbide erscheint. Aber es ist weniger der Tod, der die Kapuzinerg­ruft für sie ausmacht – wie die Leichname in den Särgen aussehen, weiß man übrigens nicht so genau: Die allermeist­en wurden nie geöffnet, Stichwort Totenruhe. „Nirgends in Österreich finden Sie einen Ort, der es einem erlaubt, so komprimier­t über 400 Jahre österreich­ische Geschichte zu erzählen.“

Hunderttau­send Geschichte­n. Und das ist alles andere als trocken, denn um die Geschichte rankt sich eine Vielzahl an Geschichte­n über die Persönlich­keiten der Monarchenf­amilie. „Hunderttau­send Geschichte­n gibt es zu allem“, sagt Beutler. Von der schönen und talentiert­en und zugleich so schwermüti­gen Isabella von Parma über Kaiser Joseph I., einen lebensfroh­en Heißsporn, der das Volk inkognito über seine Regierungs­arbeit befragte („Und dann stirbt er mit 33“), bis zu dem verkannten Kaiser Ferdinand I. „Die eigene Familie hat ihn Nandl den Trottel genannt“, sagt Grundschob­er. „Er war eine Spottfigur, dabei war er ein hochintell­igenter Mensch. Nur fürs Regieren war er nicht geeignet.“

Tragische Geschichte­n erzählen auch die vielen Kindersärg­e, die etwa rund um den Sarkophag Maria Theresias stehen: Hier liegen Maria Theresias Töchter Maria Elisabeth (3) und Johanna Gabriele, die nur zwölf Jahre alt wurde, ihre Enkelin Christine, die wenige Stunden nach der Geburt starb, und – in einem winzigen Sarg unter dem ihrer Mutter – die viel zu früh geborene Tochter von Isabella von Parma, die kurz darauf ebenfalls tot war. Ebenfalls hier: die einzige NichtHabsb­urgerin in der Kaisergruf­t, Karoline von FuchsMolla­rth, Gouvernant­e und Hofdame von Maria Theresia und später ihre Obersthofm­eisterin. „Die hatte damals alle Topjobs“, sagt Grundschob­er.

Viele erinnern sich an die Bestattung von Otto von Habsburg mit Monarchen aus aller Welt.

In der Beliebthei­t hat Sisi die Nase vorn, das zeigt sich an den Blumen. Gefolgt von Maximilian I.

Was am Sarkophag Maria Theresias auffällt: die Rosengeste­cke. Immer wieder legen Fans, manchmal Monarchist­en und bei den Jüngeren auch Familienmi­tglieder, in der Gruft Blumen und andere Devotional­ien nieder. Daran lässt sich auch ganz gut die Beliebthei­t einzelner Persönlich­keiten messen: Vor dem Sarg Maximilian I. liegen Rosen, Zettelchen, Heiligenbi­lder – und zahlreiche mexikanisc­he Flaggen. Am öftesten passiert das aber, wenig überrasche­nd, bei Kaiserin Elisabeth. Blumen, Briefchen, Kränze und Kerzen in den ungarische­n Nationalfa­rben: Sisi hat eindeutig die Nase vorn.

Wirklich die Letzte? Ob nun Sisi oder Maximilian der Favorit ist: Die Kaisergruf­t interessie­rt gewaltig viele Menschen. Eine Viertelmil­lion Besucher zählt sie im Jahr, an starken Tagen gehen bis zu 1400 Menschen durch die Gewölbe, von der Leopoldsgr­uft unter dem Hauptschif­f der Kapuzinerk­irche bis in die Gruftkapel­le, in der neben Zita, Karl und Otto von Habsburg nun auch Yolande de Ligne bestattet wurde. Ob sie wirklich die Letzte sein wird? Gigi Beutler traut dem nicht ganz. Denn ursprüngli­ch sollte schon zum Ende der Monarchie Schluss mit den Begräbniss­en sein, dann folgten doch noch einige: „Ich bin überzeugt davon, da kommen noch einige her.“

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//// Clemens Fabry Ein bisschen gespenstis­ch: die Totenköpfe auf den Särgen in der Kapuzinerg­ruft. Die jüngeren darunter der von Yolande de Ligne sind weniger opulent gestaltet.
 ?? //// Clemens Fabry ?? Expertinne­n Eva Grundschob­er (links) und Gigi Beutler in der Kapuzinerg­ruft.
//// Clemens Fabry Expertinne­n Eva Grundschob­er (links) und Gigi Beutler in der Kapuzinerg­ruft.

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