Die Mostviertlerin von Welt
Nach Neuhofen an der Ybbs fährt man nicht wegen des OstarrichiDenkmals, sondern wegen der höchst lebendigen Küche von Theresia Palmetzhofer, die im elterlichen Gasthof mit Können und Beständigkeit aufwartet.
Pizza, wie ist das mit der Pizza? „Meine Mama hat in den 8oerJahren, als sie das Gasthaus führte, mit Pizza und Wirtshausküche immer Erfolg gehabt.“Das sagt Theresia Palmetzhofer, und die Frage ist hinreichend beantwortet.
Pizza gibt es im Gasthaus Zur Palme am Sonntagabend und am Montag zu Mittag. Die jungen Gäste bevorzugen Takeaway, die älteren kommen vorbei, am Montag sind es vorwiegend Pensionisten. „Unsere Pizzen unterscheiden sich von denen aus Italien durch den Belag, da ist mehr Käse und mehr Speck. Es ist Pizza Austrian Style.“Pizza im Mostviertel, einer Region, wo der herbe Most aus dem Streuobst und das als „cool climate“hinreichend beschriebene Wetter ein Essen fordert, welches beiden Herzhaftigkeit entgegenhält. Im Lockdown hätte man Hunderte Pizzen im Tag verkauft.
IKONEN DER ÖSTERREICHISCHEN KÜCHE:
Kein Schweinsbraten, keine Mostsuppe, kein Dirndldessert, es wäre oberflächlich zu behaupten, dass in Theresia Palmetzhofers Wirtshaus Zur Palme Mostviertler Klassik angeboten würde. Genau deswegen ist sie vielleicht so erfolgreich. „Ich war sicher, dass ich kochen konnte, aber als ich zurück ins Gasthaus der Eltern kam, war ich nicht sicher, wo die Reise hingehen würde. “Es wurde ein nach außen und innen einfach wirkendes Lokal mit aufregendem Angebot. Das erste verdiente Geld ging ja in die Erneuerung der Küche und die Renovierung der Toiletten. Theresia Palmetzhofer hätte weltweit Karriere machen können, nach den sechs Jahren als SousChefin bei Konstantin Filippou.
Mama kümmert sich ums Eis. Die Mama rede ihr nicht beim Kochen drein, aber sie kümmere sich eben um die Wäsche, ums Eis und anderes, so die Küchenchefin und mittlerweile Besitzerin des Gasthofs. Vor ein paar Jahren gab es mittags Grammelknödel nach dem Rezept der Mama, die Grammel mit Rührei vermischt, wie es in diesem Teil Österreichs Brauch ist. Auch die klassischen Torten macht die Mama. Nebenan im Restaurant findet gerade eine Hochzeitsfeier statt. Wenn es sein muss, legt die Mutter auch selbst Hand an die Pizzen an, damit die PalmeGäste nicht hungern müssen, wenn die „Resi“einmal außer Haus ist, wie zum Beispiel am vergangenen Montag, als sie bei einem Event zur alpinen Küche in Zell am See die Gastköchin gab. Zum Essen wurde ein aufwändiger Salat mit Topinambur, Apfel und Verjus serviert.
Wie hat sich die Palme in den vergangenen Jahren entwickelt, ist sie gut gediehen? „In erster Linie haben wir mehr Personal in der Küche und im Service, das erlaubt uns, raffinierter und etwas aufwendiger zu kochen“, sagt Palmetzhofer. „Wichtig ist es außerdem, Lehrlinge auszubilden, ich möchte, dass der Beruf weiterhin existiert.“Der Stil der Küche würde allerdings beibehalten. Der Erfolg gibt der Köchin recht. „Das Einzugsgebiet ist gewaltig“, sagt sie. Zur Autobahnabfahrt sind es knappe zehn Minuten. Mit den Produzenten der Umgebung arbeitet Palmetzhofer eng zusammen, vor allem mit Doris Farthofer, die gleich in der Nachbarschaft mit ihrem Mann das Beste aus dem Thema Most herausholt, das möglich ist.
Gemeinsam widmet man sich immer wieder neuen Projekte aus die Serie der „Mostviertler Feldversuche“, einer Reihe von mutigen Veranstaltungen, wo auch schon einmal ein Lamm im Boden vergraben und gegart wird. Mit den „Milchmäderln“, zwei wissenden, auf der Bodenkultur ausgebildeten Landwirten, die sich auf Produkte aus Schafsmilch spezialisiert haben, hält die Kooperation schon einige Jahre. Aus dem Ziegenkäse bereitet Theresia einen Schaum zu, der gemeinsam mit Stundenei und Shiitakepilzen (aus Sankt Leonard) zu einem Gericht wird. „Es ist eine Freude, mit diesen Produzenten aus der Gegend zu arbeiten.“Vom Pilzbauern hat Palmetzhofer auch die Wachteln, die sie im Sommer klassisch – gefüllt – zubereitet hat.
Supergeile Tomaten. Der Besuch im Gasthaus Zur Palme findet Ende September statt, zu der Zeit, in der die Paradeiser in Österreich zum letzten Mal zur Hochform auflaufen, bevor ihre Kraft zu schwinden beginnt. Viele Nachbarn bringen ihre Ernten vorbei. „Supergeile Tomaten“, sagt Theresia Palmetzhofer, sie macht daraus eine klare Suppe von bezwingendem Duft, mit leichter Säure und viel Frucht, darin Tortellini mit Ricotta. „Pasta machen habe ich einmal in Florenz bei einem vierwöchigen Kurs gelernt. Dabei musste ich Tortelloni ohne Maschine machen. Das brachte mich fast ans Ende meiner Kräfte“, erzählt die Küchenchefin. Aus dem Suppenteller der Duft nach frischen Kräutern, die auf der warmen Flüssigkeit schwimmen wie kleine Schiffchen.
Gemüse ist Theresia Palmetzhofer ein Anliegen, aber sie betrachtet das frei von Ideologie. Die längliche Rote Rübe von einem Gärtner aus Winklarn ist weniger wässrig als ihre runde Verwandte. Ihr Biss ist schmelzend wie bei einem Steak, doch mit der Qualität dieser Rübe gibt sich die Küche nicht zufrieden, serviert dazu noch säuerlichfrisch marinierte ChioggiaRübe, die nicht gegart wurde, paart das mit Feta, der im Rohr erwärmt wurde, und rundet mit Buttermilch, Petersilienöl und gerösteten Brennnesselsamen ab.
Aus der Abteilung Teigwaren wären noch die Mezzalune zu erwähnen, man kennt das auch als Schlutzkrapfen, mit Ricotta und Hokkaidokürbis, sowie Salbei, der dieser Speise die Aura der Vertrautheit verleiht. Italien im Mostviertel, nicht nur in Form von Pizza. Fleisch gibt es selbstverständlich ebenfalls. Ein saftig durchzogenes Stück vom Mangalitzaschwein brät die Köchin langsam, sodass das ganze Fleisch schließlich zu einer sanften, nussig feinen Delikatesse wird. Erdäpfel werden in lange Streifen gehobelt, zu einer Rose geformt und in der Pfanne gebraten, Schalotten geschmort und kurz geflämmt. Pastinake verleiht dem Gericht dann eine schließlich nicht notwendige Süße. Wir nähern uns dem Winter, das Erdgemüse ergreift die Hegemonie auf den Speisekarten.
Es sind zwei kulinarische Hervorbringungen, die das Geschmacksbild des Mostviertels prägen, weiter im Westen die Getränke, die aus den Streuobstwiesen gewonnen werden, vornehmlich die Mostbirne, die zum Essen zu sauer ist, etwas mehr in Richtung Osten die wild wachsenden Dirndl. Daraus kann man Saft, Marmeladen und vieles mehr machen. Theresia Palmetzhofer serviert die stets erfrischend saure, dunkelrote Waldfrucht als knusprige Hülle eines Desserts aus weißer Schokolade, die gerade da und dort wieder eine Renaissance feiert, Birne, Mohn und Kräutereis, eine perfekt balancierte, nicht zu süße Nachspeise der Marke richtig große Küche.
Die Frage, die wir an dieser
Käse, Shiitakepilze, sogar Wachteln: All das kommt aus der Region.
Stelle gern stellen: Warum gibt es in der Topliga der österreichischen Küche so wenige Frauen? „Ich weiß nicht, ob sich das nicht gerade ändert. Ich wurde gerade auf einer Messe als Female Chef of the Year ausgezeichnet. Da waren viele junge Mädels dort, die auch in der Gastronomie arbeiten.“Die Frauen müssten eben auch Flagge zeigen und den Herren nicht immer die Bühne überlassen.
Eitelkeit ist der Köchin fremd. „Ich muss meinen Gästen beweisen, dass ich kochen kann, aber sonst nichts. Es muss passen.“Purismus statt Punkten am Teller. Was die Küchenchefin, die auch Unternehmerin ist, umtreibt, sind die gestiegenen Kosten für Energie und Personal. „Ich müsste eigentlich 20 Prozent mehr verlangen.“Die anspruchsvolle Gastronomie gerät in Österreich immer mehr unter Druck. Das Mittagsmenü in der Gaststube kostet 9,50. „Wir kochen 20 Portionen, wir sind acht Personen, und alles andere bekommen die Mittagsgäste. Es gibt einmal Szegediner
Gulasch, dann wieder Fleischlaberl aus den Abschnitten vom Rindfleisch. Bei uns wird nichts weggeworfen.“
Palmetzhofer hat eine WhatsAppGruppe gegründet, darunter einige Pensionisten aus der Gegend, in der sie das tägliche Mittagsmenü mitteilt. „Wenn wir etwas Gebackenes anbieten, ist die Nachfrage besonders groß.“Die geschmacklichen Präferenzen der Österreicher sind eigentlich über die Jahrzehnte unverändert geblieben. Wenn man übers Land fährt, sich etwa aus dem Gesäuse dem Mostviertel nähert, liest man auf den Tafeln der Wirtshäuser „Backhendl, Schweinsbraten, Pizza“. Das ist die kulinarische Realität in der Provinz, und nicht nur dort, abseits einer Handvoll engagierter Restaurants.
»Wenn wir etwas Gebackenes
anbieten, ist die Nachfrage besonders groß.«
Was Palmetzhofer ärgert, soll hier nicht verschwiegen werden: „Wenn du im Radio hörst, der Lutz verkauft Schnitzel um fünf Euro. Heinz Reitbauer Senior hat einmal gesagt, dass Convenience höher besteuert gehörte, als wenn jemand wirklich kocht.“Wenn der Kanzler alleinerziehenden Müttern den Gang zu McDonalds empfiehlt, empfindet sie das als „Verarsche.“
Weinkarte wie im Restaurant. Man beschließt das Gespräch aber lieber mit einem erfreulichen Thema, der Weinkarte, die für einen Gasthof am Lande sehr restaurantmäßig geraten ist. „Wir haben jetzt 250 Positionen auf der Karte, angefangen haben wir vor ein paar Jahren viel kleiner.“Zum Essen kann man von Weinen aus den gerade angesagten Weingütern Österreichs wählen. Sechs Positionen zum Thema Pét Nat, eine Cuvée aus Zierfandler und Rotgipfler aus Gumpoldskirchen von Fred Loimer zum Hauptgang, Belle Naturelle, ein Naturwein vom Jurtschitsch aus Langenlois, Furmint vom Wenzel aus Rust oder Waiting for Tom von den Rennersistas aus Gols. Wein. Ein sehr spannendes Feld wie das Kochen, so Palmetzhofer, die sich mit dem Weinvirus in ihrer Zeit bei Konstantin Filippou angesteckt hat und ihre Weinkarte höchstselbst kuratiert.
Wie macht man das, wenn man es nicht gelernt hat? „Ich trinke gern Wein“, lautet die Antwort. So einfach.
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