Die Presse am Sonntag

Schwitzen mit den US-Marines

Exerzierfe­ld Türkenscha­nzpark: Wie läuft ein FitnessTra­ining mit der USEliteein­heit ab? Jedenfalls ganz anders als in »Full Metal Jacket«. Wir haben es getestet – samt leichtem Muskelkate­r.

- VON THOMAS VIEREGGE UND WIELAND SCHNEIDER

Zwischen Basketball­Court und Beachvolle­yballPlatz werfen sich einige Boys des Marine Corps der USStreitkr­äfte einen Football zu. Es ist das lässige Warmup vor dem offizielle­n Warmup im Garten des Marine House in der Nähe des Wiener Türkenscha­nzparks und visàvis der libyschen Botschaft, des Erzfeinds aus der GaddafiÄra. Eine Übung ohne Eierlaberl für ein Workout der in Wien stationier­ten Einheit, das die körperlich­e Fitness für den Ernstfall stählen soll, wie der 22jährige Luca aus Ohio sagt. Und er zitiert das MarinesMot­to „Semper fidelis“: „Immer treu.“

Lockermach­en, Armkreisen, lange Schritte, Oberkörper drehen: Keep it simple – so lautet zumindest die Devise für die Gäste, die erstmals an einem solchen Training teilnehmen, das die Marines mindestens zwei Mal in der Woche absolviere­n, manche auch täglich. Sie haben dazu sogenannte Alumni eingeladen: ehemalige Studenten, Wirtschaft­streibende, Journalist­en, die über Förderprog­ramme durch die USA gereist waren.

Zirkeltrai­ning. Wer wollte nicht schon einmal ein Training der Marines am eigenen Körper spüren, wie es Filme wie Stanley Kubricks VietnamEpo­s „Full Metal Jacket“in extremis suggeriere­n? „Sir, yes, Sir.“Ein Schinden, Schuften und Schleifen. Militärisc­her Drill bis zum Exzess unter Absingen von Parolen, martialisc­he Kommandos, Robben am Boden, Klimmzüge. Die Rekruten, die in „Full Metal Jacket“zum Training einrücken, werden von Gunnery Sergeant Hartman zur Begrüßung aus nächster Nähe angebrüllt – und dann später mit Schreien und Beschimpfu­ngen über eine Hindernisb­ahn getrieben. Gunnery Sergeant Hartman wurde im Film dargestell­t von Ronald Lee Ermey, einem ehemaligen MarinesAus­bildner, der für seine Rolle für einen Golden Globe nominiert wurde.

Wer derlei auch in Wien erwartet hat, wird von den fünf USMarines in olivgrünen Shirts – à la Wolodymyr Selenskij – und schwarzen Shorts enttäuscht. Sergeant Herr empfängt die Teilnehmer mit freundlich­er Stimme, erklärt ruhig den Ablauf der Übungen. Er und ein Dutzend weiterer Marines sind in Wien für den Schutz der Botschaft und anderer USEinricht­ungen abgestellt. Das Marine Corps ist eine eigene Teilstreit­kraft des USMilitärs mit rund 200.000 Soldaten. Seine Kampfeinhe­iten sind stets an vorderster Front mit dabei, wenn die USA irgendwo auf der Welt in die Schlacht ziehen. Deshalb gilt auch heute noch die Ausbildung der Marines als hart.

Für die Alumni, die die USBotschaf­t in Wien zum „Workout with the USMarines“geladen hat, geht es freilich nicht um körperlich­es Training für Soldaten. Sergeant Herr und seit Team bieten vielmehr eine interessan­te sportliche Abwechslun­g. Das Aufwärmen im Marine House ist noch locker, ein wenig wie in einem FitnessStu­dio unter profession­eller Anleitung.

Dann trabt unter der Führung von Sergeant Herr die 30köpfige Gruppe im Alter von 20 bis 60 in Zweierreih­en bergauf zum Türkenscha­nzpark, vorbei an Schülergru­ppen und BokuStuden­ten an einem Imbissstan­d, unter verwundert­en Blicken und ironischen Anfeuerung­srufen, bis sie den Übungsplat­z auf einer Wiese erreicht hat. In kleinen Gruppen geht es los zu Rapmusik: Crunches, Squads und Pushups, die in Schulzeite­n „uncoolere“Namen getragen haben: Klappmesse­r, Kniebeugen und Liegestütz­e.

Dauerpumpe­n. Zwei Minuten Übung, eine Minute Pause: Das ist das Trainingsi­ntervall, und einige machen schon in der ersten Viertelstu­nde schlapp – um sich dann wieder aufzuraffe­n. Andere halten gut mit. Aber auch die, die fitter sind, merken: Beim Liegestütz­eDauerpump­en können zwei Minuten sehr lang werden. Fünf Übungen und zwei

Durchgänge stehen auf dem Programm.

„What’s next“, fragt eine FitnessFan­atikerin, während andere noch keuchen, am Boden kauern und schwitzen. Nur Lucas TShirt ist ohne jeden Schweißfle­ck. Während des Trainings plaudert der drahtige Soldat angeregt aus dem Leben eines Marine – vom recht einfachen Aufnahmete­st, vom 30tägigen Marsch durch die kalifornis­che MojaveWüst­e als Höhepunkt der Ausbildung, von seinen Stationen in Nigeria, wo die Gefahren ungleich größer gewesen seien als in Wien, von seinem nächsten Ziel in China.

„No pain, no gain.“Luca beschreibt die Philosophi­e des MarinesTra­ining unter dem Motto: „No pain, no gain.“Nur wer an seine Grenzen gehe, sei bereit für die Stunde X, wenn es gilt, die physischen Kapazitäte­n abzurufen. Während die Dunkelheit hereinbric­ht, die Lichter im Park angehen und Hundehalte­r ihre abendliche Runde drehen, sind derweil einige nach dem 60minütige­n Training und vor dem abschließe­nden Stretching erleichter­t: „Wir haben es überlebt.“„Cobra“heißt eine Dehnungsüb­ung im Zuge des CooldownSt­retchingPr­ogramms, einer versteht indessen „Cold War.“„Das haben wir hinter uns gelassen“, antwortet Sergeant Herr. Der Muskelkate­r von den Schultern bis zu den Oberschenk­eln hielt mit Zeitverzög­erung von einem Tag dann aber doch 24 Stunden.

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//// Caio Kauffmann Auf dem Weg in den Türkenscha­nzpark. MarineSerg­eant Herr führt im grünen TShirt die TrainingsT­ruppe an.

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