Schwitzen mit den US-Marines
Exerzierfeld Türkenschanzpark: Wie läuft ein FitnessTraining mit der USEliteeinheit ab? Jedenfalls ganz anders als in »Full Metal Jacket«. Wir haben es getestet – samt leichtem Muskelkater.
Zwischen BasketballCourt und BeachvolleyballPlatz werfen sich einige Boys des Marine Corps der USStreitkräfte einen Football zu. Es ist das lässige Warmup vor dem offiziellen Warmup im Garten des Marine House in der Nähe des Wiener Türkenschanzparks und visàvis der libyschen Botschaft, des Erzfeinds aus der GaddafiÄra. Eine Übung ohne Eierlaberl für ein Workout der in Wien stationierten Einheit, das die körperliche Fitness für den Ernstfall stählen soll, wie der 22jährige Luca aus Ohio sagt. Und er zitiert das MarinesMotto „Semper fidelis“: „Immer treu.“
Lockermachen, Armkreisen, lange Schritte, Oberkörper drehen: Keep it simple – so lautet zumindest die Devise für die Gäste, die erstmals an einem solchen Training teilnehmen, das die Marines mindestens zwei Mal in der Woche absolvieren, manche auch täglich. Sie haben dazu sogenannte Alumni eingeladen: ehemalige Studenten, Wirtschaftstreibende, Journalisten, die über Förderprogramme durch die USA gereist waren.
Zirkeltraining. Wer wollte nicht schon einmal ein Training der Marines am eigenen Körper spüren, wie es Filme wie Stanley Kubricks VietnamEpos „Full Metal Jacket“in extremis suggerieren? „Sir, yes, Sir.“Ein Schinden, Schuften und Schleifen. Militärischer Drill bis zum Exzess unter Absingen von Parolen, martialische Kommandos, Robben am Boden, Klimmzüge. Die Rekruten, die in „Full Metal Jacket“zum Training einrücken, werden von Gunnery Sergeant Hartman zur Begrüßung aus nächster Nähe angebrüllt – und dann später mit Schreien und Beschimpfungen über eine Hindernisbahn getrieben. Gunnery Sergeant Hartman wurde im Film dargestellt von Ronald Lee Ermey, einem ehemaligen MarinesAusbildner, der für seine Rolle für einen Golden Globe nominiert wurde.
Wer derlei auch in Wien erwartet hat, wird von den fünf USMarines in olivgrünen Shirts – à la Wolodymyr Selenskij – und schwarzen Shorts enttäuscht. Sergeant Herr empfängt die Teilnehmer mit freundlicher Stimme, erklärt ruhig den Ablauf der Übungen. Er und ein Dutzend weiterer Marines sind in Wien für den Schutz der Botschaft und anderer USEinrichtungen abgestellt. Das Marine Corps ist eine eigene Teilstreitkraft des USMilitärs mit rund 200.000 Soldaten. Seine Kampfeinheiten sind stets an vorderster Front mit dabei, wenn die USA irgendwo auf der Welt in die Schlacht ziehen. Deshalb gilt auch heute noch die Ausbildung der Marines als hart.
Für die Alumni, die die USBotschaft in Wien zum „Workout with the USMarines“geladen hat, geht es freilich nicht um körperliches Training für Soldaten. Sergeant Herr und seit Team bieten vielmehr eine interessante sportliche Abwechslung. Das Aufwärmen im Marine House ist noch locker, ein wenig wie in einem FitnessStudio unter professioneller Anleitung.
Dann trabt unter der Führung von Sergeant Herr die 30köpfige Gruppe im Alter von 20 bis 60 in Zweierreihen bergauf zum Türkenschanzpark, vorbei an Schülergruppen und BokuStudenten an einem Imbissstand, unter verwunderten Blicken und ironischen Anfeuerungsrufen, bis sie den Übungsplatz auf einer Wiese erreicht hat. In kleinen Gruppen geht es los zu Rapmusik: Crunches, Squads und Pushups, die in Schulzeiten „uncoolere“Namen getragen haben: Klappmesser, Kniebeugen und Liegestütze.
Dauerpumpen. Zwei Minuten Übung, eine Minute Pause: Das ist das Trainingsintervall, und einige machen schon in der ersten Viertelstunde schlapp – um sich dann wieder aufzuraffen. Andere halten gut mit. Aber auch die, die fitter sind, merken: Beim LiegestützeDauerpumpen können zwei Minuten sehr lang werden. Fünf Übungen und zwei
Durchgänge stehen auf dem Programm.
„What’s next“, fragt eine FitnessFanatikerin, während andere noch keuchen, am Boden kauern und schwitzen. Nur Lucas TShirt ist ohne jeden Schweißfleck. Während des Trainings plaudert der drahtige Soldat angeregt aus dem Leben eines Marine – vom recht einfachen Aufnahmetest, vom 30tägigen Marsch durch die kalifornische MojaveWüste als Höhepunkt der Ausbildung, von seinen Stationen in Nigeria, wo die Gefahren ungleich größer gewesen seien als in Wien, von seinem nächsten Ziel in China.
„No pain, no gain.“Luca beschreibt die Philosophie des MarinesTraining unter dem Motto: „No pain, no gain.“Nur wer an seine Grenzen gehe, sei bereit für die Stunde X, wenn es gilt, die physischen Kapazitäten abzurufen. Während die Dunkelheit hereinbricht, die Lichter im Park angehen und Hundehalter ihre abendliche Runde drehen, sind derweil einige nach dem 60minütigen Training und vor dem abschließenden Stretching erleichtert: „Wir haben es überlebt.“„Cobra“heißt eine Dehnungsübung im Zuge des CooldownStretchingProgramms, einer versteht indessen „Cold War.“„Das haben wir hinter uns gelassen“, antwortet Sergeant Herr. Der Muskelkater von den Schultern bis zu den Oberschenkeln hielt mit Zeitverzögerung von einem Tag dann aber doch 24 Stunden.