Ein Limit für den Sonnenstrom
Österreich erzeugt im Sommer viel mehr Ökostrom, als es braucht. Zum Schutz der Netze sollen neue Grenzen für sauberen Strom vom Hausdach gelten.
Am 15. August 2023 war es so weit: Die Sonne schien, der Wind wehte, die Flüsse waren voll und Österreich wusste nicht mehr, wohin mit all dem sauberen Ökostrom. Der Übertragungsnetzbetreiber APG musste angesichts der Masse an Solarstrom von privaten Häuserdächern die Notbremse ziehen und die Wasserkrafterzeugung an der Donau drosseln. „Das Wasser lief nicht mehr über die Turbine, sondern ungenützt über das Wehrfeld“, erzählt Klaus Hebenstreit vom Verbund.
Es sind die ersten Symptome einer grünen Wende, die uns im Sommer viel zu viel und im Winter zu wenig Strom bescheren wird. Das Abdrehen von Kraftwerken sei „immer die schlechteste Variante“, um darauf zu reagieren, so Hebenstreit. Schließlich sei man „Energieerzeuger, nicht Energievernichter“. Dennoch dürfte in den kommenden Jahren noch ziemlich viel grüner Strom für die Müllhalde produziert werden.
Bundesweit müssen im nächsten
Der Ausbruch des Ukrainekrieges hat bei vielen Österreicherinnen und Österreichern einen Schalter umgelegt: Wer kann, installiert sich heute Solaranlagen aufs Dach, um sich in Sicherheit zu wähnen. Allein heuer werden 2000 Megawatt an Fotovoltaik in Österreich zugebaut. „Damit wird eine Leistung mit der Größenordnung aller Donaukraftwerke innerhalb eines Jahres an das Netz angeschlossen,“sagt Gerhard Christiner, Technikvorstand der APG. Die Stromnetze bringt das an den Rand des Machbaren und die Kosten für den Ausbau explodieren.
Beispiel Niederösterreich: Hier wurden heuer mehr neue Solarzellen auf privaten Dächern installiert als in den anderen Bundesländern zusammen. Doch nicht überall sind die lokalen
Stromnetze für diese Belastung gebaut und so stehen mehr und mehr Menschen mit ihren geförderten PVAnlagen da und dürfen den grünen Strom nicht ins Netz einspeisen. „Wir stehen vor einer gewaltigen Herausforderung“, sagt EVNChef Stefan Szyszkowitz. 83 Prozent des gesamten Primärenergieeinsatzes in Österreich seien derzeit fossil gespeichert. „Dies schrittweise zu ersetzen und Überschussstrom in den Winter zu transformieren ist eine Generationenaufgabe.“Auf Netzebene heißt das: Bundesweit müssen 15 bis 18 Milliarden Euro in neue Stromleitungen, Trafos und Umspannwerke investiert werden, damit der geplante Ökostromausbau ohne BlackoutGarantie über die Bühne gehen kann.
Förderungen neu denken. Nicht wenige in der Branche denken daher bereits laut über ein Ende der Solarförderungen in ihrer bisherigen Form nach. „Natürlich waren diese Förderungen lang wichtig“, sagt etwa FroniusChefin Elisabeth EngelbrechtsmüllerStrauß. Doch Fotovoltaik sei längst wettbewerbsfähig. „Man sollte diese Förderungen heute viel zielgerichteter vergeben.“Politisch ist an ein Ende der beliebten SolarFörderungen nicht zu denken. Zumal der starke Zubau ja politisch gewollt und sinnvoll ist. Die Standardlösung lautet daher: speichern, speichern, speichern. Überschussstrom aus dem Sommer soll in Kellerbatterien, ElektroAutos, PumpspeicherKraftwerken oder umgewandelt als synthetisches Gas haltbar gemacht werden. Aber nichts davon flächendeckend verfügbar.
Also kommen Netzbetreiber nicht umhin, die Infrastruktur massiv auszubauen und zu überlegen, wie das zu vertretbaren Kosten gelingen kann. Stefan Szyszkowitz plädiert etwa dafür, dass es Netzbetreibern erlaubt sein sollte, bei extremen Produktionsspitzen 20 bis 24 Stunden jährlich die Abnahme von grünem Strom einfach zu verweigern. Diese Einschränkungen „ersparen uns Netzausbaukosten von mehreren Hundert Millionen Euro“, ist er überzeugt.
Mit diesem Wunsch konnte sich der EVNChef nicht durchsetzen, aber wie „Die Presse“erfahren hat, will der Gesetzgeber eine andere Lösung im geplanten Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) festschreiben. Aus dem Gesetzesentwurf geht hervor, dass die schwarzgrüne Koalition Limits für private Solar und Windstromanlagen einziehen will. Neue Solaranlagen sollen
Bei einer VierKWAnlage ver
Jahrzehnt 15 bis 18 Milliarden Euro ins Stromnetz investiert werden. »Wir sind Energieerzeuger, nicht Energievernichter.« KLAUS HEBENSTREIT Verbund lieren private Solarstromerzeuger etwa 13 Euro im Jahr.
nur noch 80 Prozent der maximalen Nennleistung des Wechselrichters ins Netz einspeisen dürfen. „Dadurch wird das Netz gleichmäßiger belastet“, sagt EControlChef Alfons Haber. Der Ausbaubedarf werde verringert und die monetären Verluste für den Einzelnen hielten sich in Grenzen: Unterm Strich blieben den privaten Solarstromerzeugern demnach zwei bis drei Prozent weniger Geld. Bei einer VierKWAnlage sind das etwa 13 Euro im Jahr.
Mehr Solarstrom. Doch an Kritikern mangelt es nicht. Die landeseigenen Netzbetreiber sollten lieber rascher Leitungen legen, statt die Energiewende zu bremsen, fordern sie. Während im Übertragungsnetz zuletzt einiges vorwärtsgegangen sei, hätten manche Verteilnetzbetreiber die Zeichen der Zeit verschlafen, sagen Branchenkenner. Für sie sieht das ElWG verpflichtende Zehnjahrespläne vor, damit der Netzausbau systematischer vorangeht. Am Ende werden grüne Kraftwerke, Speicher, ein anderer Umgang mit Energie und neue Leitungen notwendig sein, damit der Neubau des Energiesystems gelingt. Das EinspeiseLimit ist kein Hindernis auf diesem Weg. Im Gegenteil: Der Einzelne darf zwar weniger grünen Strom einspeisen, dafür können mehr Menschen mitmachen. Unterm Strich bringt das mehr statt weniger Sonnenkraft für das Land.