Die schnellste Quereinsteigerin
Als ehemalige Fußballspielerin stieg Julia Mayer zu Österreichs MarathonRekordhalterin auf. Warum ihr ungewöhnlicher Weg noch nicht zu Ende ist und sie dieser sogar auf die Kitzbüheler Streif führt.
Julia Mayer sagt es selbst: „Ich habe einen sehr ungewöhnlichen Karriereweg eingeschlagen.“Die heute 30jährige Niederösterreicherin war einst auf den Fußballplätzen dieses Landes zu finden, spielte etwa in der 2. Bundesliga für Gloggnitz sowie später für die Spielgemeinschaft Gloggnitz/ Wiener Neustadt und stand vor dem Sprung ins Nationalteam. Doch Fußball war schlussendlich mehr Hobby denn Berufung für die zu diesem Zeitpunkt parallel arbeitende Lehrerin. Mit 25 Jahren wechselte Mayer schließlich in die Leichtathletik – und bricht seither in regelmäßigen Abständen Rekorde auf verschiedensten Laufdistanzen.
„Entscheidend für den Wechsel war mein Ehrgeiz“, erklärt sie. „Ich habe mir die Frage gestellt: ‚In welchem Sport komme ich auf ein höheres Niveau?‘ Im Laufen sah ich mehr Potenzial. Außerdem war ich in einem Mannschaftssport durch meinen Lehrberuf (Deutsch und Sport, Anm.) noch mehr eingeschränkt.“
Vier österreichische Rekorde in drei Jahren. Als Profi ist Mayer scheinbar nicht aufzuhalten.
Noch im gleichen Jahr des Wechsels, 2017, wurde Mayer Staatsmeisterin über 5000 Meter, inzwischen ist sie seit drei Jahren als professionelle Läuferin unterwegs. „Ich bin stolz auf die letzten drei Jahre“, betont die seither karenzierte Lehrerin. „Fast wie aus dem Nichts bin ich an die Spitze gekommen.“Die rotweißrote Spitze bildet die in Wien wohnende Quereinsteigerin in vier Disziplinen. Keine Österreicherin war auf der Straße über fünf und zehn Kilometer schneller als Mayer. Ebenso im Halbmarathon und Marathon. Den Rekord über die 42,195 Kilometer (2:30:42 Stunden) stellte die Heeressportlerin erst dieses Jahr in Wien auf.
Talent, Gene, Fleiß. „Ich habe in den letzten drei Jahren so unglaublich viel investiert. Es ist um nichts anderes als Laufen gegangen – und es ist viel weitergegangen“, erklärt die 30Jährige, die ebenfalls vom Training als Einzelsportlerin schwärmt. „Alles ist rein auf mich abgestimmt.“Warum sie Kolleginnen hinter sich lässt, die schon viel länger unter professionellen Bedingungen arbeiten und die richtige Technik quasi in Kinderschuhen erlernt haben, kann sich Mayer zum einen so erklären: „Ich habe gute Gene, mein Papa und mein Opa sind gut veranlagt.“Zum anderen ist es ihre Motivation, „ungewöhnliche Dinge“zu tun. „Das stand für mich schon immer im Vordergrund. Ich setze mir ambitionierte Ziele.“
So haben sich auch ihre ehemaligen männlichen Fußballkollegen, mit denen sie in ihrer Jugend gespielt hat, wenig verwundert gezeigt, als Mayers die Sportart wechselte. „Wenn es eine schafft, dann du“, erinnert sie sich an die damaligen Reaktionen. In der österreichischen Läuferszene gebe es hingegen kaum Feedback. Da erhalte sie sogar mehr Zuspruch aus Deutschland und Kroatien.
Generell fällt Mayer in der Läuferszene aufgrund ihres Werdegangs auf. „Bei Laufveranstaltungen werde ich immer auf meine Fußballvergangenheit angesprochen“, erzählt sie. Selbst im Ausland. Von der Masse hebt sie sich darüber hinaus auch dadurch ab, dass sie keine Scheu davor hat, vermeintliche gesellschaftliche Tabus aufzubrechen. Nach ihrer ersten LeichtathletikWM im August in Budapest sprach sie offen über ihre Periode und welche Probleme ihr diese während des WMMarathons bereitet hat.
Ehrliche und deutliche Worte findet Mayer zudem bezüglich dem neuen
MarathonWeltrekord der Frauen (2:11:53 Stunden), aufgestellt von der Äthiopierin Tigist Assefa vor zwei Wochen in Berlin. „Das muss erst einmal ein Mann laufen. Es ist für mich die beste Leistung, die je ein Mensch im Marathon erbracht hat. Dieser Rekord ist mehr wert als jener bei den Männern“, befindet Österreichs Nummer eins.
Rauf auf die Streif. Bei sich selbst sieht Mayer noch genug Luft nach oben. Die Phase, „in der meine Zeiten stagnieren und keine neuen Bestleistungen mehr möglich sind“, sei noch nicht in Sicht. Einerseits könne sie noch körperlich zulegen, andererseits profitiere sie mehr und mehr von Erfahrungen in ihrer vergleichsweise jungen Läuferkarriere. „Vor allem die Erfahrung hilft mir sicher weiter. Ich kann mich in den nächsten Jahren noch steigern“, meint die 30Jährige. Bis 2028 werde sie deswegen weiter „alles investieren“. Der nächste Meilenstein soll schon Anfang Dezember beim Marathon in Valencia gelingen. „Da will ich unter 2:30 Stunden laufen.“
Davor wartet jedoch noch eine andere Herausforderung. Am 14. Oktober nimmt Mayer an der World Extreme Run Challenge in Kitzbühel teil. Für den guten Zweck (der Reingewinn kommt österreichischen Nachwuchssportlern zugute) geht es die berühmtberüchtigte Streif hinauf – und hinunter. Vor zwei Jahren hat Mayer die Bergaufpassage über Hausberg, Steilhang, Mausefalle
Hausberg, Steilhang, Mausefalle –
zum Spaß quält sich Mayer durch Kitzbühels »grüne Wand«.
und Co. in 45:06 Minuten bewältigt. „Das war sehr hart, die Hölle. Da möchte ich mich nicht zurückerinnern“, lacht sie. Es sei sogar anstrengender gewesen als der Vienna City Marathon. Umso mehr war sie danach mit Stolz erfüllt. „Die Strecke habe ich mir am Tag zuvor angeschaut, ich war das erste Mal überhaupt dort. Ich habe gesagt: ‚Ich kann da nicht rauflaufen, das ist eine senkrechte grüne Wand.‘“Dass Skifahrer hier im Winter mit rund 140 km/h runterfahren, bezeichnet sie als „völlig irre“.
Rennen wie jenes auf der Streif – sie passen zum ungewöhnlichen Weg von Julia Mayer. Selbst Teilnahmen an Radrennen zieht sie in Erwägung. „Solang es Spaß macht“, sagt sie, „mache ich alles.“Der Erfolg gibt ihr recht.