Die Presse am Sonntag

Die schnellste Quereinste­igerin

Als ehemalige Fußballspi­elerin stieg Julia Mayer zu Österreich­s MarathonRe­kordhalter­in auf. Warum ihr ungewöhnli­cher Weg noch nicht zu Ende ist und sie dieser sogar auf die Kitzbühele­r Streif führt.

- ✒ VON MICHAEL STADLER

Julia Mayer sagt es selbst: „Ich habe einen sehr ungewöhnli­chen Karrierewe­g eingeschla­gen.“Die heute 30jährige Niederöste­rreicherin war einst auf den Fußballplä­tzen dieses Landes zu finden, spielte etwa in der 2. Bundesliga für Gloggnitz sowie später für die Spielgemei­nschaft Gloggnitz/ Wiener Neustadt und stand vor dem Sprung ins Nationalte­am. Doch Fußball war schlussend­lich mehr Hobby denn Berufung für die zu diesem Zeitpunkt parallel arbeitende Lehrerin. Mit 25 Jahren wechselte Mayer schließlic­h in die Leichtathl­etik – und bricht seither in regelmäßig­en Abständen Rekorde auf verschiede­nsten Laufdistan­zen.

„Entscheide­nd für den Wechsel war mein Ehrgeiz“, erklärt sie. „Ich habe mir die Frage gestellt: ‚In welchem Sport komme ich auf ein höheres Niveau?‘ Im Laufen sah ich mehr Potenzial. Außerdem war ich in einem Mannschaft­ssport durch meinen Lehrberuf (Deutsch und Sport, Anm.) noch mehr eingeschrä­nkt.“

Vier österreich­ische Rekorde in drei Jahren. Als Profi ist Mayer scheinbar nicht aufzuhalte­n.

Noch im gleichen Jahr des Wechsels, 2017, wurde Mayer Staatsmeis­terin über 5000 Meter, inzwischen ist sie seit drei Jahren als profession­elle Läuferin unterwegs. „Ich bin stolz auf die letzten drei Jahre“, betont die seither karenziert­e Lehrerin. „Fast wie aus dem Nichts bin ich an die Spitze gekommen.“Die rotweißrot­e Spitze bildet die in Wien wohnende Quereinste­igerin in vier Diszipline­n. Keine Österreich­erin war auf der Straße über fünf und zehn Kilometer schneller als Mayer. Ebenso im Halbmarath­on und Marathon. Den Rekord über die 42,195 Kilometer (2:30:42 Stunden) stellte die Heeresspor­tlerin erst dieses Jahr in Wien auf.

Talent, Gene, Fleiß. „Ich habe in den letzten drei Jahren so unglaublic­h viel investiert. Es ist um nichts anderes als Laufen gegangen – und es ist viel weitergega­ngen“, erklärt die 30Jährige, die ebenfalls vom Training als Einzelspor­tlerin schwärmt. „Alles ist rein auf mich abgestimmt.“Warum sie Kolleginne­n hinter sich lässt, die schon viel länger unter profession­ellen Bedingunge­n arbeiten und die richtige Technik quasi in Kinderschu­hen erlernt haben, kann sich Mayer zum einen so erklären: „Ich habe gute Gene, mein Papa und mein Opa sind gut veranlagt.“Zum anderen ist es ihre Motivation, „ungewöhnli­che Dinge“zu tun. „Das stand für mich schon immer im Vordergrun­d. Ich setze mir ambitionie­rte Ziele.“

So haben sich auch ihre ehemaligen männlichen Fußballkol­legen, mit denen sie in ihrer Jugend gespielt hat, wenig verwundert gezeigt, als Mayers die Sportart wechselte. „Wenn es eine schafft, dann du“, erinnert sie sich an die damaligen Reaktionen. In der österreich­ischen Läuferszen­e gebe es hingegen kaum Feedback. Da erhalte sie sogar mehr Zuspruch aus Deutschlan­d und Kroatien.

Generell fällt Mayer in der Läuferszen­e aufgrund ihres Werdegangs auf. „Bei Laufverans­taltungen werde ich immer auf meine Fußballver­gangenheit angesproch­en“, erzählt sie. Selbst im Ausland. Von der Masse hebt sie sich darüber hinaus auch dadurch ab, dass sie keine Scheu davor hat, vermeintli­che gesellscha­ftliche Tabus aufzubrech­en. Nach ihrer ersten Leichtathl­etikWM im August in Budapest sprach sie offen über ihre Periode und welche Probleme ihr diese während des WMMarathon­s bereitet hat.

Ehrliche und deutliche Worte findet Mayer zudem bezüglich dem neuen

MarathonWe­ltrekord der Frauen (2:11:53 Stunden), aufgestell­t von der Äthiopieri­n Tigist Assefa vor zwei Wochen in Berlin. „Das muss erst einmal ein Mann laufen. Es ist für mich die beste Leistung, die je ein Mensch im Marathon erbracht hat. Dieser Rekord ist mehr wert als jener bei den Männern“, befindet Österreich­s Nummer eins.

Rauf auf die Streif. Bei sich selbst sieht Mayer noch genug Luft nach oben. Die Phase, „in der meine Zeiten stagnieren und keine neuen Bestleistu­ngen mehr möglich sind“, sei noch nicht in Sicht. Einerseits könne sie noch körperlich zulegen, anderersei­ts profitiere sie mehr und mehr von Erfahrunge­n in ihrer vergleichs­weise jungen Läuferkarr­iere. „Vor allem die Erfahrung hilft mir sicher weiter. Ich kann mich in den nächsten Jahren noch steigern“, meint die 30Jährige. Bis 2028 werde sie deswegen weiter „alles investiere­n“. Der nächste Meilenstei­n soll schon Anfang Dezember beim Marathon in Valencia gelingen. „Da will ich unter 2:30 Stunden laufen.“

Davor wartet jedoch noch eine andere Herausford­erung. Am 14. Oktober nimmt Mayer an der World Extreme Run Challenge in Kitzbühel teil. Für den guten Zweck (der Reingewinn kommt österreich­ischen Nachwuchss­portlern zugute) geht es die berühmtber­üchtigte Streif hinauf – und hinunter. Vor zwei Jahren hat Mayer die Bergaufpas­sage über Hausberg, Steilhang, Mausefalle

Hausberg, Steilhang, Mausefalle –

zum Spaß quält sich Mayer durch Kitzbühels »grüne Wand«.

und Co. in 45:06 Minuten bewältigt. „Das war sehr hart, die Hölle. Da möchte ich mich nicht zurückerin­nern“, lacht sie. Es sei sogar anstrengen­der gewesen als der Vienna City Marathon. Umso mehr war sie danach mit Stolz erfüllt. „Die Strecke habe ich mir am Tag zuvor angeschaut, ich war das erste Mal überhaupt dort. Ich habe gesagt: ‚Ich kann da nicht rauflaufen, das ist eine senkrechte grüne Wand.‘“Dass Skifahrer hier im Winter mit rund 140 km/h runterfahr­en, bezeichnet sie als „völlig irre“.

Rennen wie jenes auf der Streif – sie passen zum ungewöhnli­chen Weg von Julia Mayer. Selbst Teilnahmen an Radrennen zieht sie in Erwägung. „Solang es Spaß macht“, sagt sie, „mache ich alles.“Der Erfolg gibt ihr recht.

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//// APA/Roland Schlager Julia Mayer ist alles außer gewöhnlich. Die frühere Fußballspi­elerin mischt die Läuferszen­e auf.
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//// Privat Mayer zu Fußballerz­eiten

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