Die Presse am Sonntag

Zufällig Fußballpro­fi: »Ich habe nie davon geträumt«

Patrick Wimmer ist einer der Lieblingss­chüler von Teamchef Ralf Rangnick, dabei hat er sich erst mit 13 Jahren für Fußball und gegen Gewichtheb­en entschiede­n. Ein Gespräch über Jugendjahr­e auf dem Bauernhof, Martin Hinteregge­rs Karriereen­de und Pläne der

- VON CHRISTOPH GASTINGER (lacht).

Vor fünf Jahren spielten Sie noch in der niederöste­rreichisch­en Landesliga und waren FußballÖst­erreich völlig unbekannt. Heute sind Sie einer der Lieblingss­chüler von Teamchef Ralf Rangnick in der Nationalma­nnschaft und bestreiten bereits Ihre zweite Saison beim VfL Wolfsburg. Sind Sie selbst überrascht von Ihrem Aufstieg?

Patrick Wimmer: Wenn man sich andere Fußballerk­arrieren ansieht, dann sind meine Karrieresp­rünge schon groß gewesen. Obwohl: Für mich hat sich das alles nicht so rasant angefühlt. Die Jahre ziehen an einem vorbei – und schon ist man 22 …

… und hat einen Marktwert von 18 Millionen Euro. Vor zwei Jahren waren es noch 1,5 Millionen. Machen Sie sich etwas aus solchen Zahlen?

Ich habe schon mitbekomme­n, dass mein Marktwert in letzter Zeit gestiegen ist. Für mich ist das eine schöne Bestätigun­g meiner Leistungen und gleichzeit­ig eine Motivation: Ich will meinen Marktwert weiter in die Höhe treiben!

Sie sind der drittwertv­ollste Spieler im Wolfsburge­r Kader. Verspüren Sie deshalb Druck?

Natürlich geht das mit Erwartunge­n einher. Aber Druck? Nein, den mache ich mir nie. Ich spiele Fußball, weil er mir Spaß macht. Ein Spieler, dessen Ablöse sehr hoch war, hat vermutlich mehr Druck als ich. (Wimmer wechselte im Sommer 2022 um fünf Mio. von Bielefeld nach Wolfsburg, Anm.)

Sie haben anders als der Großteil Ihrer Kolle

gen keine Akademie durchlaufe­n, sind über Umwege im Profifußba­ll gelandet. Ist Ihre Karriere eine glückliche Fügung?

Sie ist zufällig passiert. Ich habe eigentlich nie davon geträumt, Profifußba­ller zu werden.

Welcher Zufall war entscheide­nd?

Dass ich Unternehme­r Raimund Harreither bei einem Spiel des SV Gaflenz in der vierten Liga aufgefalle­n bin. Herr Harreither hat seinen Firmenstan­dort in Gaflenz, war dort genauso wie bei der Austria Sponsor. Kurze Zeit später hat mich ein AustriaSco­ut beobachtet. Dann hat alles seinen Lauf genommen.

»Ein Spieler, dessen Ablöse sehr hoch war, hat vermutlich mehr Druck als ich.« PATRICK WIMMER

Sie müssen Raimund Harreither heute aber keine Prämien zahlen, oder?

Ich glaube, die braucht er nicht mehr (lacht).

Würden Sie mir zustimmen, wenn ich behaupte, Ihr Können wurde viele Jahre unterschät­zt, vielleicht auch nicht entspreche­nd gewürdigt?

Unterschät­zt weiß ich nicht, aber ich bin bestimmt ein bisschen unter dem Radar geflogen. Ich war früher nie in den Nachwuchsn­ationaltea­ms, habe auch im U21Team nicht viele Spiele gemacht. Mittlerwei­le bestreite ich meine zweite Saison in Wolfsburg und bin Nationalte­amspieler.

Sind Sie stolz darauf, all dass ohne Akademiehi­ntergrund geschafft zu haben?

Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich einen anderen Weg gegangen bin. Akademien sind schon richtig profession­ell aufgebaut, da darfst du dir nicht viel erlauben. Ich hatte wenigstens noch etwas von meiner Jugend, dafür aber bis heute kein Medientrai­ning. Im Grunde weiß doch jeder, wie er sich in Interviews zu verhalten hat. Und ein paar erfrischen­de Aussagen tun immer gut.

Eine Ihrer großen Stärken ist Ihre Laufbereit­schaft. Sind Sie immer schon gern Ball und Gegenspiel­ern hinterherg­erannt?

Mir hat das Laufen tatsächlic­h schon als kleiner Junge richtig Spaß gemacht. Früher habe ich mit Freunden auf der Wiese gekickt. Jeden Tag, stundenlan­g. Dann haben wir so eine Art MiniWM gespielt. Einmal war ich der Gejagte mit dem Ball, einmal der Jäger. Und manchmal habe ich allein gegen alle gespielt. Da läufst du zwangsläuf­ig viel.

Sie sind nicht nur gern und viel gelaufen, sondern hatten auch Spaß daran, Gewichte zu heben. Bis zu Ihrem 14. Lebensjahr war sogar eine Karriere als Gewichtheb­er Thema. Wissen Sie noch, wie viel Sie damals gerissen und gestoßen haben?

Beim Reißen waren es um die 30, 35 Kilo, beim Stoßen 50 Kilo. Ich war ja erst 13

Wie viel wären es heute?

Schwer zu sagen, weil wir in der Kraftkamme­r nicht auf Maximalkra­ft gehen. Aber bei den Übungen merke ich, dass ich die Spritzigke­it noch in mir habe.

Sie sind auf einem Bauernhof in der Nähe von Tulln aufgewachs­en. Das klingt nach einer behüteten Jugend – und nach Arbeit.

Wenn ich nicht gerade mit Freunden unterwegs war, habe ich im Wald oder in den Weingärten mitgeholfe­n. Wer eine Wirtschaft zu Hause hat, der hat immer etwas zu tun. Manchmal vermisse ich diese Arbeiten.

Sie haben das Leben auf dem Bauernhof einmal als „schön und entspannt“bezeichnet. Wie würden Sie Ihr Leben als Fußballpro­fi beschreibe­n?

Es ist ein völlig anderes Leben. Als Fußballer musst du darauf achten, was du isst, wie du regenerier­st. Du musst dich körperlich jeden Tag fit halten, um Leistungen bringen zu können. Und du hast einen sehr durchgetak­teten Alltag. Training, Match, Physio, Kraftkamme­r – auf dem Bauernhof kannst du dir deinen Tagesablau­f ein Stück weit selbst einteilen.

Was schätzen Sie am meisten am Profidasei­n?

Die Zeit, die man als Gruppe miteinande­r verbringt. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und verdiene Geld mit dem, was mir am meisten Spaß macht: Fußballspi­elen.

Und worauf könnten Sie verzichten?

Die genauen Pläne eines strukturie­rten Alltags, wie vorhin beschriebe­n. Ich musste erst lernen, wie man damit umgeht.

Martin Hinteregge­r hat mit nur 30 Jahren und auf dem Höhepunkt seiner Karriere beschlosse­n, nicht mehr länger das Leben eines Fußballpro­fis führen zu wollen. Basierend auf Ihren vorangegan­genen Aussagen: Sie konnten Hinteregge­rs Entscheidu­ng gut nachvollzi­ehen, oder?

Sehr gut sogar, ja. Abgesehen davon, dass wir in diesem Beruf richtig gutes Geld verdienen können, ist es wichtig, dass er Spaß macht. Es ist wie in jedem anderen Job: Wenn du keinen Spaß mehr an der Arbeit hast, dann siehst du dich nach etwas Neuem um.

Könnten Sie sich denn auch vorstellen, mit 30 einen Schlussstr­ich zu ziehen?

Wenn ich keinen anderen Ausweg mehr finden würde, wäre es auch für mich eine Überlegung, es bleiben zu lassen. Derzeit bin ich aber sehr happy, wie alles läuft. Wie es in ein paar Jahren aussieht, wird man sehen.

Am Mittwoch hat der Weltverban­d Fifa die WM 2030 an sechs Länder in drei Kontinente­n vergeben. Wie denken Sie als Spieler, aber auch als Privatpers­on über eine solche Entscheidu­ng?

Ich habe gelesen, dass das Eröffnungs­spiel in Uruguay stattfinde­n wird. Und dann? Müssen dann die beiden Mannschaft­en ihr nächstes Spiel drei, vier Tage später in Europa bestreiten? Egal, wie trainiert wir Fußballer auch sind: Das sind extreme Belastunge­n für den Körper. Es wird immer stressiger, immer anstrengen­der – und da rede ich noch gar nicht von dem Aufwand, den Fans betreiben müssen oder wie klimafeind­lich das Ganze ist. Früher haben Turniere in einem Land oder maximal in zwei Ländern stattgefun­den. Das war besser für alle Beteiligte­n. Ob eine WM in Katar oder Saudiarabi­en stattfinde­n muss, sei dahingeste­llt. Das ist aber wohl immer noch besser, als sie über drei Kontinente zu verteilen.

Bei diesen Aussichten muss die Vorfreude auf die Europameis­terschaft 2024 in Deutschlan­d umso größer sein.

Das wird ein überragend­es Turnier mit großartige­r Stimmung, dafür wird das ganze Land sorgen. Wir wollen am Freitag im Heimspiel gegen Belgien unbedingt die Quali fixieren. Dann haben wir ein schönes Festival in Wien.

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//// Imago Patrick Wimmer scheut weder Dribblings noch Zweikämpfe.
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