Hollywood-Auflauf im Höllenloch
Mit »Phantom Liberty« ist eine Erweiterung zum Videospiel »Cyberpunk 2077« erschienen. Sie punktet mit Atmosphäre und Geschichte, hat vereinzelt aber auch spielerische Schwächen.
Dogtown ist ein grausliches Stadtviertel. Die Straßen sind vermüllt, die Gebäude verfallen. Drogen und Gewalt bestimmen den Alltag, ein Warlord und Straßengangs geben den Ton an.
In dieses Höllenloch verschlägt es den Spieler in „Phantom Liberty“– der Erweiterung des futuristischen ActionRollenspiels „Cyberpunk 2077“. Aus Dogtown muss Hauptcharakter V nämlich niemand geringeren als Rosalind Myers, die Präsidentin der „Neuen Vereinigten Staaten von Amerika“, retten. Ihr Flugzeug wurde über dem Stadtviertel abgeschossen, nach der Bruchlandung kämpft sie ums Überleben. Wer Myers Flugzeug ins Visier nahm und warum, muss V herausfinden. Dafür wühlt er sich durch ein Dickicht von Intrigen, kriminellen Verbindungen und fragwürdigen Charakteren.
V bleibt jedoch keine andere Wahl: Er wurde in „Cyberpunk 2077“mit einen Virus infiziert, das sich langsam, aber stetig ausbreitet. Der Tod scheint ihm gewiss. Eine mysteriöse Anruferin verspricht ihm in „Phantom Liberty“jedoch eine Heilung, wenn er Myers aus Dogtown rettet.
Geheimagent und Actionstars. Zunächst einmal muss V dafür in das schwer bewachte Viertel schleichen. Ist das geschafft, spielt „Phantom Liberty“in den ersten Spielstunden gleich seine Stärken aus: Bombastisch wird der Absturz von Myers Flugzeug und die Rettungsaktion inszeniert.
Hilfe dabei erhält er unter anderem vom Geheimagenten Solomon Reed – ein loyaler Staatsdiener, dessen Verhältnis zu Myers aber durchaus angespannt ist. Reed wird von Hollywoodstar Idris Elba „gespielt“: Elba leiht ihm seine Stimme und sein Aussehen. Ebenfalls mit dabei ist wieder Actionstar Keanu Reeves, der bereits im Hauptspiel „Cyberpunk 2077“eine wichtige Figur verkörperte. Die Starauftritte geben der rasanten und wendungsreichen Geschichte eine zusätzliche Würze. Sie täuschen aber nicht darüber hinweg, dass so wie das Hauptspiel auch die Erweiterung „Phantom Liberty“manche spielerische Schwäche hat.
Ungeschickte Gegner. Die Fahrzeuge steuern sich stellenweise noch immer ungelenk, Schwachpunkt sind aber vor allem die Kämpfe. Zwar werden unzählige Feinde gegen den Spieler geworfen, oft verhalten die sich aber ungeschickt. Sie verharren viel zu oft in denselben Positionen, statt V etwa zu flankieren. Taktieren ist meist nicht notwendig, wodurch „Phantom Liberty“manchmal ein wenig zur Schießbude verkommt. Und zwar lassen sich in der Spielwelt Abertausende Gegenstände aufsammeln und kombinieren: Großen Spaß werden damit aber nur Bastler mit viel Zeit haben. Ansonsten bringt die Flut an Gegenständen eher überquellende und unübersichtliche Inventare mit sich.
Doch lohnt sich ein Abstecher in das auch grafisch eindrucksvolle Dogtown trotz der spielerischen Schwächen. Die rund 15 bis 20 Stunden dauernde Hauptgeschichte lockt mit zahlreichen Wendungen, V kann sie mit seinen Entscheidungen maßgeblich beeinflussen. Daneben kann der Spieler Nebenmissionen erledigen und einfach durch Dogtown schlendern. Dort wird er von Gangs oder Passanten bedrängt, kann in neonbeleuchteten Märkten einkaufen gehen oder verrückten Predigern auf Blechdächern zuhören. Grauslich bleibt es ja, dieses gottverlassene Dogtown. Aber verdammt atmosphärisch ist es auch.