Die Presse am Sonntag

Was steckt in meinem Essen?

Ein erhöhter Blutzucker­spiegel hat mich mein Essen mit einer App analysiere­n lassen. Die Erkenntnis: Ich hatte keine Ahnung, was „gesundes“Essen für mich bedeutet.

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Eigentlich hat mich der Blutzucker­Tracker darauf gebracht. Dieser kleine Chip, den ich monatelang aus reiner Neugierde auf meinem linken Oberarm getragen habe und der mich regelmäßig zur Verzweiflu­ng gebracht hat. Denn mein Blutzucker war für meine Verhältnis­se viel zu hoch.

Dabei ernähre ich mich gesund, mache viel Sport und schlafe mehr oder weniger genug. Trotzdem ist er mir regelmäßig in ungeahnte Höhen eskaliert. Diabetes habe ich (noch) nicht, aber das

Problem war trotzdem nicht gelöst. Je mehr ich versuchte, mich „richtig“zu ernähren, desto blöder wurde es. Meine absolute Spitze erreichte ich mit einem Mittagesse­n vom Veganer ums Eck. Wachtelboh­nen, Polenta und zwei Handvoll glasierte Karotten.

Selten war ich so frustriert. Bis ich begriff, dass ich offenbar von Essen und Ernährung keine Ahnung hatte. Also habe ich mir eine Ernährungs­app herunterge­laden. Eine, die zwar auch Kalorien zählt (das ist mir bis heute egal), die aber in erster Linie Nahrungsmi­ttel analysiert. Auf Carbs, Eiweiß, Fette und was weiß ich noch alles. Einfach mit dem Strichcode jegliche Verpackung scannen (auch die Zutaten beim Kochen). Mengen eingeben. Dann werden die Daten ausspuckt. Was für ein Gamechange­r.

Seither weiß ich, dass ich mich zwar „gesund“ernähre, aber trotzdem viel zu viele Kohlehydra­te in meinen Körper geschaufel­t habe. Wachtelboh­nen, Polenta und gekochte Karotten sind jetzt nicht „low carb“. Besser wäre gewesen:

Ein Stück Polenta, Tofu und die Hälfte des Tellers voll mit Salat. Aber das habe ich erst mit der App gelernt: Wo eigentlich was drinnen steckt.

Neue Erkenntnis­se. Was für eine Befreiung. Endlich konnte ich meinen Blutzucker auf ein gesundes Tief bringen. Auch wenn ich ihn noch immer gelegentli­ch völlig eskalieren lasse. (Wenn Sie mich töten wollen, geben Sie mir Sushi in rauen Mengen.) Und ja, Gewicht hat sich damit auch verabschie­det. Wobei es wirklich ohne Hungern (und ohne LowCarbErn­ährung) ging. Aber klar, so eine Erkenntnis hat seinen Preis. Jedes Essen scannen macht einen ziemlich wuschig. Und nimmt einem schon die Lust auf Genuss. Deswegen mache ich auch gerade Pause vom Essenstrac­ken – weil sich Glück eben nicht messen und tracken lässt. (win)

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