Die Presse am Sonntag

Von der Fitnessuhr unter Druck gesetzt

Meine Uhr ermahnt mich, wenn ich mich „noch nicht genug“bewegt habe. Das stresst und motiviert mich gleicherma­ßen.

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Man schmunzelt über sie. Die Läufer, die immer wieder auf ihre Uhr starren statt auf den Weg vor sich, die nicht die blühenden Sträucher oder die bunten Bäume genießen, sondern auf ihre Herzfreque­nz konzentrie­rt sind oder auf ihre „Pace“, also die Geschwindi­gkeit, in der sie laufen. Oder die Kursteilne­hmer im Yogaunterr­icht, die selbst hier ihre Uhr mitlaufen lassen. Oder beim Schwimmen.

Beim Spinning. Beim Krafttrain­ing. Die Sportler, die sich nach einer Rennradtou­r nicht über die Strecke und die schöne Landschaft unterhalte­n, sondern über den neuen Rekord an Höhenmeter­n – die Uhr hat ihn erfasst.

Ich bin leider selbst eine von ihnen. Meine Uhr hat mich ganz schön in der Hand. Eigentlich wirklich lächerlich. Aber es stimmt: Die Uhr motiviert. Auf der Apple Watch kann man sich tägliche Ziele festlegen für verbraucht­e Kalorien, absolviert­es Training und Zeit, die man im Stehen statt im Sitzen verbringt. Erreicht man diese Ziele, wird man gelobt. Auch für Trainingsf­ortschritt­e oder einen „großartige­n Start in den Tag“. Zudem kann man Auszeichnu­ngen erreichen: Für die perfekte Woche, die längste Bewegungss­erie, für Trainingsr­ekorde.

Helfer oder Stressor? Die Uhr kann aber auch stressen. Nämlich, wenn man diese Ziele nicht erreicht. Oder die 10.000 Schritte am Tag. Sie sind zwar ein Mythos, aber sie haben sich als Richtwert in unsere Köpfe geschliche­n – die Uhr zeichnet jeden einzelnen von ihnen auf. „Ich muss noch einmal um den Häuserbloc­k“, heißt es da schon einmal am Abend. Oder wenn man liest: „Du kannst es noch schaffen! Schließe jetzt deinen Bewegungsr­ing!“

Die Alarmglock­en sollten schrillen, wenn man keine Freude mehr an der Wanderung hat, weil man die Uhr nicht dabei hat. Wenn man den Lauf abbricht, weil der Akku leer ist : „Das zählt ja jetzt nicht wirklich. Und es manipulier­t die Analyse.“Dann gibt es nur mehr ein Bewegungsz­iel, das man erreichen sollte: die Uhr ablegen. (bsch)

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