»Kritik am Konzept Supermacht«
Mit »Godzilla« wurde der britische Regisseur Gareth Edwards vor zehn Jahren ein Star, nun lässt er in »The Creator« die Roboter auflaufen. Ein Gespräch über künstliche Intelligenz, den Vietnamkrieg und Antiamerikanismus.
Mit dem für unter 500.000 Dollar entstandenen Film „Monsters“wurde der Brite Gareth Edwards bekannt, danach inszenierte er mit „Godzilla“und „Rogue One: A Star Wars Story“zwei millionenteure Megaproduktionen. Ernüchtert von den Mechanismen dieser StudioBlockbuster will er künftig versuchen, aufwendige ScienceFictionGeschichten mit den Mitteln von IndependentFilmen umzusetzen. Mit „The Creator“beweist er: Das ist machbar.
Eigentlich wird dieser Tage immer geklagt, dass viel Geld in Hollywood nur noch für Fortsetzungen oder Remakes von bewährten Erfolgen ausgegeben wird. Oder für Filme, die zumindest – wie „Barbie“– auf etablierten Marken basieren. Wie schwierig ist es, einen komplett neuen ScienceFictionFilm Wirklichkeit werden zu lassen?
Gareth Edwards: Um es kurz zu sagen: sehr schwierig! Was Sie schon daran sehen können, dass mein letzter Film sieben Jahre her ist. Klar, dazwischen lag auch eine Pandemie, aber viel schneller wäre es auch ohne die nicht gegangen. Geklappt hat es letztlich nur, weil wir von einer Produktionsfirma ein wenig Geld vorab bekamen, um in Südostasien nach geeigneten Drehorten zu suchen. Tatsächlich haben wir aber schon gefilmt, zum Beispiel eine Gruppe Mönche auf dem Weg zu ihrem Tempel. Nach unserer Rückkehr bat ich die SpecialeffectsFirma ILM, ein paar dieser Mönche digital in Roboter zu verwandeln und Ähnliches. Dieses kleine, unkonventionelle ScienceFictionReisevideo zeigten wir schließlich dem Studio.
Ihr Film spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der die USA gegen die letzten verbliebenen Roboter und künstlichen Intelligenzen Krieg führen. Wie kam das?
Nach „Rogue One“begab ich mich mit meiner Freundin auf einen Roadtrip von Los Angeles zu ihrer Familie in Iowa. Da fuhren wir im plattesten Farmland an einer riesigen Fabrik vorbei, an der ein japanisches Logo prangte. Ich fragte mich, was dort wohl hergestellt wird – und weil ich nun einmal ein SciFiNerd bin, war mein erster Gedanke: Roboter! Ich stellte mir vor, wie einer dieser Roboter erstmals die Fabrik verlässt, inmitten der Felder steht und in die Weiten des blauen Himmels blickt. Was würde dem durch den Kopf gehen?
Und schon ging in Ihrem Kopf ein Film los.
Zunächst dachte ich, dass das bloß eine nette kleine Szene sein könnte, auf die ich eines Tages einmal zurückkomme. Aber schon wenig später hatte ich das Bild wieder vor Augen und spann es weiter. Was, wenn die Menschen alle Roboter töten wollen und dieser eine entkommen ist? Plötzlich wuchs sich das zu einer ganzen Geschichte aus, und als wir ein paar Tage später in Iowa ankamen, hatte ich schon die Struktur des kompletten Films im Kopf fertig.
Wenn im ScienceFictionGenre sonst von künstlicher Intelligenz erzählt wird, geht es meist um abschreckende Beispiele und düstere Aussichten. Wollten Sie bewusst mit einem positiven Bild gegensteuern?
Kann schon sein, dass mein Optimismus den Film geprägt hat. Aber als wir 2018 damit begannen, war unsere Welt auch noch eine andere. Künstliche Intelligenz war damals ein Ding für die ferne Zukunft. Man dachte bei dem Thema eher an fliegende Autos und Leben auf dem Mond als an unseren Alltag. Roboter waren deswegen für mich eher ein Mittel des Märchenhaften, um von denen zu erzählen, die anders sind als wir. Und natürlich entwickelt man in einer Geschichte, die von der Unterdrückung der anderen handelt, Empathie für diese, selbst wenn es sich dabei um Maschinen handelt. Dass fünf Jahre später das Thema künstliche Intelligenz allgegenwärtig ist und jeder sich ganz unmittelbar davon bedroht oder zumindest verunsichert fühlt, hatte ich damals nicht unbedingt erwartet. Aber das könnte mir natürlich noch zum Vorteil gereichen. Wenn in ein paar Jahren die RoboterApokalypse kommt, werden sie mich verschonen, weil sie gesehen haben, dass ich Verständnis für sie habe.
Aber Spaß beiseite: Beunruhigt es Sie nicht zu sehen, wohin diese Entwicklung geht? Haben Sie keine Sorge, dass bald Filme nur noch von der KI hergestellt werden?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in 100 Jahren auf all diese Diskussionen, ob man KI irgendwie verbieten kann, etwas beschämt zurückblicken werden. Jedes Mal, wenn in der Menschheitsgeschichte eine neue Erfindung für einen großen Fortschritt gesorgt hat, gab es diese Ängste – und am Ende waren eigentlich immer alle froh, dass es so weit gekommen ist. War nicht sogar Sokrates damals gegen die Einführung von Büchern? Er dachte, wir würden alle verdummen, weil niemand mehr etwas lernt, sondern einfach nur nachschlägt. Da schüttelt man heute den Kopf! Natürlich bringen solche Entwicklungen Veränderungen mit sich: Viele Jobs und ganze Branchen wie die Filmindustrie stehen ohne Frage vor Umbrüchen. Aber ich glaube nicht wirklich daran, dass es in unserem besten Interesse ist, uns nicht weiterzuentwickeln. Sonst würden wir doch heute noch in Höhlen ums Lagerfeuer sitzen.
Tatsächlich wirft Ihr Film nicht nur einen Blick in die Zukunft. Dadurch, dass Sie einen Krieg in Südostasien ansiedeln, muss man mehr als einmal an den Vietnamkrieg und dessen filmische Darstellungen denken. Warum waren Ihnen diese Assoziationen wichtig?
Anfangs hatte ich die noch gar nicht im Sinn. Da überlegte ich nur, wohin ich mich für das von mir immer sehr gehasste Schreiben des Drehbuchs zurückziehen könnte. So kam ich auf Thailand, und weil ein Freund von mir damals gerade in Vietnam war, bin ich auch dorthin gereist. Je mehr ich an meinem Roboterfilm schrieb und dabei diese Landstriche vor Augen hatte, die ich mit Filmen wie „Apocalypse Now“, „Platoon“oder „Full Metal Jacket“in Verbindung brachte, desto mehr realisierte ich, dass ich diese Verschmelzung von ScienceFiction und Kriegsfilm eigentlich noch nie auf der Leinwand gesehen hatte. Ich dachte mir, dass ich mich sehr ärgern werde, wenn das eines Tages jemand anderes inszeniert.
Es ist auch passend, weil Ihr Film einen erstaunlich kritischen Blick auf die USA wirft und eine klare Antikriegshaltung vertritt.
Wenn „The Creator“als Antikriegsfilm gesehen wird, macht mich das sehr froh. Aber antiamerikanisch ist er nicht gedacht. Ich liebe die USA. Aber die Geschichte ist auf jeden Fall eine Kritik am Konzept der Supermacht, die sich zum Führer der Welt aufschwingt. Und für die nahe Zukunft, in der sie spielt, erschienen mir da die USA einfach die naheliegendste Wahl.