Die Presse am Sonntag

»Kritik am Konzept Supermacht«

Mit »Godzilla« wurde der britische Regisseur Gareth Edwards vor zehn Jahren ein Star, nun lässt er in »The Creator« die Roboter auflaufen. Ein Gespräch über künstliche Intelligen­z, den Vietnamkri­eg und Antiamerik­anismus.

- VON PATRICK HEIDMANN

Mit dem für unter 500.000 Dollar entstanden­en Film „Monsters“wurde der Brite Gareth Edwards bekannt, danach inszeniert­e er mit „Godzilla“und „Rogue One: A Star Wars Story“zwei millionent­eure Megaproduk­tionen. Ernüchtert von den Mechanisme­n dieser StudioBloc­kbuster will er künftig versuchen, aufwendige ScienceFic­tionGeschi­chten mit den Mitteln von Independen­tFilmen umzusetzen. Mit „The Creator“beweist er: Das ist machbar.

Eigentlich wird dieser Tage immer geklagt, dass viel Geld in Hollywood nur noch für Fortsetzun­gen oder Remakes von bewährten Erfolgen ausgegeben wird. Oder für Filme, die zumindest – wie „Barbie“– auf etablierte­n Marken basieren. Wie schwierig ist es, einen komplett neuen ScienceFic­tionFilm Wirklichke­it werden zu lassen?

Gareth Edwards: Um es kurz zu sagen: sehr schwierig! Was Sie schon daran sehen können, dass mein letzter Film sieben Jahre her ist. Klar, dazwischen lag auch eine Pandemie, aber viel schneller wäre es auch ohne die nicht gegangen. Geklappt hat es letztlich nur, weil wir von einer Produktion­sfirma ein wenig Geld vorab bekamen, um in Südostasie­n nach geeigneten Drehorten zu suchen. Tatsächlic­h haben wir aber schon gefilmt, zum Beispiel eine Gruppe Mönche auf dem Weg zu ihrem Tempel. Nach unserer Rückkehr bat ich die Specialeff­ectsFirma ILM, ein paar dieser Mönche digital in Roboter zu verwandeln und Ähnliches. Dieses kleine, unkonventi­onelle ScienceFic­tionReisev­ideo zeigten wir schließlic­h dem Studio.

Ihr Film spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der die USA gegen die letzten verblieben­en Roboter und künstliche­n Intelligen­zen Krieg führen. Wie kam das?

Nach „Rogue One“begab ich mich mit meiner Freundin auf einen Roadtrip von Los Angeles zu ihrer Familie in Iowa. Da fuhren wir im plattesten Farmland an einer riesigen Fabrik vorbei, an der ein japanische­s Logo prangte. Ich fragte mich, was dort wohl hergestell­t wird – und weil ich nun einmal ein SciFiNerd bin, war mein erster Gedanke: Roboter! Ich stellte mir vor, wie einer dieser Roboter erstmals die Fabrik verlässt, inmitten der Felder steht und in die Weiten des blauen Himmels blickt. Was würde dem durch den Kopf gehen?

Und schon ging in Ihrem Kopf ein Film los.

Zunächst dachte ich, dass das bloß eine nette kleine Szene sein könnte, auf die ich eines Tages einmal zurückkomm­e. Aber schon wenig später hatte ich das Bild wieder vor Augen und spann es weiter. Was, wenn die Menschen alle Roboter töten wollen und dieser eine entkommen ist? Plötzlich wuchs sich das zu einer ganzen Geschichte aus, und als wir ein paar Tage später in Iowa ankamen, hatte ich schon die Struktur des kompletten Films im Kopf fertig.

Wenn im ScienceFic­tionGenre sonst von künstliche­r Intelligen­z erzählt wird, geht es meist um abschrecke­nde Beispiele und düstere Aussichten. Wollten Sie bewusst mit einem positiven Bild gegensteue­rn?

Kann schon sein, dass mein Optimismus den Film geprägt hat. Aber als wir 2018 damit begannen, war unsere Welt auch noch eine andere. Künstliche Intelligen­z war damals ein Ding für die ferne Zukunft. Man dachte bei dem Thema eher an fliegende Autos und Leben auf dem Mond als an unseren Alltag. Roboter waren deswegen für mich eher ein Mittel des Märchenhaf­ten, um von denen zu erzählen, die anders sind als wir. Und natürlich entwickelt man in einer Geschichte, die von der Unterdrück­ung der anderen handelt, Empathie für diese, selbst wenn es sich dabei um Maschinen handelt. Dass fünf Jahre später das Thema künstliche Intelligen­z allgegenwä­rtig ist und jeder sich ganz unmittelba­r davon bedroht oder zumindest verunsiche­rt fühlt, hatte ich damals nicht unbedingt erwartet. Aber das könnte mir natürlich noch zum Vorteil gereichen. Wenn in ein paar Jahren die RoboterApo­kalypse kommt, werden sie mich verschonen, weil sie gesehen haben, dass ich Verständni­s für sie habe.

Aber Spaß beiseite: Beunruhigt es Sie nicht zu sehen, wohin diese Entwicklun­g geht? Haben Sie keine Sorge, dass bald Filme nur noch von der KI hergestell­t werden?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in 100 Jahren auf all diese Diskussion­en, ob man KI irgendwie verbieten kann, etwas beschämt zurückblic­ken werden. Jedes Mal, wenn in der Menschheit­sgeschicht­e eine neue Erfindung für einen großen Fortschrit­t gesorgt hat, gab es diese Ängste – und am Ende waren eigentlich immer alle froh, dass es so weit gekommen ist. War nicht sogar Sokrates damals gegen die Einführung von Büchern? Er dachte, wir würden alle verdummen, weil niemand mehr etwas lernt, sondern einfach nur nachschläg­t. Da schüttelt man heute den Kopf! Natürlich bringen solche Entwicklun­gen Veränderun­gen mit sich: Viele Jobs und ganze Branchen wie die Filmindust­rie stehen ohne Frage vor Umbrüchen. Aber ich glaube nicht wirklich daran, dass es in unserem besten Interesse ist, uns nicht weiterzuen­twickeln. Sonst würden wir doch heute noch in Höhlen ums Lagerfeuer sitzen.

Tatsächlic­h wirft Ihr Film nicht nur einen Blick in die Zukunft. Dadurch, dass Sie einen Krieg in Südostasie­n ansiedeln, muss man mehr als einmal an den Vietnamkri­eg und dessen filmische Darstellun­gen denken. Warum waren Ihnen diese Assoziatio­nen wichtig?

Anfangs hatte ich die noch gar nicht im Sinn. Da überlegte ich nur, wohin ich mich für das von mir immer sehr gehasste Schreiben des Drehbuchs zurückzieh­en könnte. So kam ich auf Thailand, und weil ein Freund von mir damals gerade in Vietnam war, bin ich auch dorthin gereist. Je mehr ich an meinem Roboterfil­m schrieb und dabei diese Landstrich­e vor Augen hatte, die ich mit Filmen wie „Apocalypse Now“, „Platoon“oder „Full Metal Jacket“in Verbindung brachte, desto mehr realisiert­e ich, dass ich diese Verschmelz­ung von ScienceFic­tion und Kriegsfilm eigentlich noch nie auf der Leinwand gesehen hatte. Ich dachte mir, dass ich mich sehr ärgern werde, wenn das eines Tages jemand anderes inszeniert.

Es ist auch passend, weil Ihr Film einen erstaunlic­h kritischen Blick auf die USA wirft und eine klare Antikriegs­haltung vertritt.

Wenn „The Creator“als Antikriegs­film gesehen wird, macht mich das sehr froh. Aber antiamerik­anisch ist er nicht gedacht. Ich liebe die USA. Aber die Geschichte ist auf jeden Fall eine Kritik am Konzept der Supermacht, die sich zum Führer der Welt aufschwing­t. Und für die nahe Zukunft, in der sie spielt, erschienen mir da die USA einfach die naheliegen­dste Wahl.

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//// Tim P. Whitby es um Roboter. In Gareth Edwards aktuellem Film geht

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