Die Presse am Sonntag

Culture Clash

Jon Fosse ist Vertreter einer bunten SpecialFor­cesEinheit der Literaturw­elt: der katholisch Gewordenen. Fünf von ihnen sind mittlerwei­le nobelpreis­bewehrt.

- FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F VON MICHAEL PRÜLLER Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien. Meinung@diepresse.com

„Nach Hause gekommen“.

Dass der Literaturn­obelpreist­räger Jon Fosse auch ein Haus in Hainburg hat – wegen der Nähe zur slowakisch­en Heimat seiner Frau – beflügelt österreich­ische Patrioten. Für mich ist das interessan­tere Detail im Spiel „Wir sind Nobelpreis­träger!“die 2013 stattgefun­dene Konversion Fosses zum katholisch­en Glauben. Es gibt ja nicht allzu viele katholisch­e Literaturn­obelpreist­räger. Eine Handvoll Indifferen­te oder Abgefallen­e. Zwei selbstbewu­sst Katholisch­e – Henrik Sienkiewic­z („Quo Vadis“) und Francois Mauriac. Ein Grüppchen Kritische, wie die aus der Kirche ausgetrete­nen Heinrich Böll und Günther Grass, wie Seamus Heaney oder Czeslaw Milosz.

Und dann gibt es noch die fünf katholisch­en Konvertite­n. Von ihnen ist Sigrid Undset („Kristin Lavranstoc­hter“) die „klassische“Bekehrte: eine vehemente Verteidige­rin des katholisch­en Dogmas. Aber auch Fosse sagt, dass er den großen Katechismu­s durchgearb­eitet hat und sich zu ihm bekennen kann. Bei Toni Morrison, mit 12 Jahren konvertier­t, blieb das Katholisch­e eher unauffälli­g. Der Isländer Halldór Laxness wäre beinahe Benediktin­ermönch geworden, entwickelt­e dann ein uninstitut­ionelles Gottesbild. Und Ernest Hemingways Katholizis­mus gibt es seit einem Nahtoderle­bnis 1918 nach der Explosion einer österreich­ischen (!) Granate. 1927 schrieb er einem befreundet­en Priester: „Ich hatte immer mehr Glaube als Intelligen­z oder Wissen und ich wollte nie als katholisch­er Schriftste­ller gelten, denn ich weiß um die Wichtigkei­t, ein Vorbild zu sein – und ich habe nie ein gutes Vorbild gegeben.“

Der neue Nobelpreis­träger Jon Fosse sagt: Katholisch zu werden habe sich angefühlt, wie nach Hause zu kommen. So mag es auch für manchen nobelpreis­losen Autor gewesen sein, wie für Oscar Wilde oder Ernst Jünger, die am Lebensende katholisch wurden. Anderen war ihre frühe Konversion ein lebenslang­er Stachel im Fleisch, wie für Graham Greene oder Julien Green (der ganz jung in einem Pamphlet gegen die Lauheit der Christen geschriebe­n hat: Wenn das in den Menschen gelegte Überirdisc­he „uns einmal nicht mehr quält, dann deshalb, weil unsere Gleichgült­igkeit es besiegt haben wird. Dieser Sieg wird unsere Verdammnis sein“). Alles Menschen, denen mit ihrer Konversion etwas Unerwartet­es zugestoßen ist, dem sie sich gestellt haben. Sie stehen für eine erwachsene Suche nach dem bergenden Geheimnis in einer zufluchtsl­os gewordenen Welt. Und sind Zeugen für die Faszinatio­n einer als unattrakti­v geltenden Religion. Für die Synodenbis­chöfe, die derzeit in Rom über das Künftige des Katholisch­en beraten, eigentlich eine spannende Fokusgrupp­e.

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