»Ich bin jenseits des Warnhinweises«
Geboren wurde Lisa Eckhart in der Steiermark, nun lebt sie in Ostdeutschland. Dort ergründete die Kabarettistin, was die ehemalige DDR mit dem monarchischen Österreich verbindet. Sie spricht über missverstandene OttoWaalkesFilme, die Gefahr einer humorl
In Ihrem neuen Kabarettprogramm verbinden Sie die DDR mit der österreichischungarischen Monarchie. Wo kommt das zusammen?
Lisa Eckhart: Ich meine, dass wäre eine bislang ungewagte, aber lohnende Verbindung aus Kommunismus und Kaiserreich. Es ist den Leuten nicht leicht zu vermitteln, warum sie alle gleich sind. Das passiert leider meist über Ausschluss irgendeiner Gruppe, weil man sich einen Kontrast schafft. Statt auf Leute herabzuschauen, wäre es gut, wenn sie zu jemandem hinaufschauen, wenn sie an der Spitze einen Übermenschen haben, der ungreifbar ist, und unter dem sind alle gleich.
Es soll die Sehnsucht nach einer Führung von oben sein, die Österreicher und Ostdeutsche miteinander gemeinsam haben?
Ich war sehr erstaunt, dass mir sehr viele Ostdeutsche gesagt haben, sie wären lieber mit Österreich vereinigt worden als mit Westdeutschland.
Wer sagt denn so etwas?
Ostdeutsche in meinem Umfeld. Die wären aufgelegt, unsere acht Millionen um ihre 13 Millionen zu vergrößern.
Sie machen dieses Programm in eine angespannte Stimmung hinein: Erst gab es eine OstWestDebatte, nun wird im Wochentakt auf die Umfragewerte der rechtsextremen AfD in ostdeutschen Bundesländern geblickt. Wie nehmen Sie als gebürtige Österreicherin das heutige Ostdeutschland wahr?
Uns wird im Geschichtsunterricht nicht vermittelt, wie präsent diese Mauer im Kopf ist. Die Ostdeutschen sind sehr dankbar, wenn jemand mit einem naiven Blick da hinkommt. Ignoranz hat oft etwas Charmantes. Dass jemand sich diese Geschichten anhört und bereit ist nachzuvollziehen, warum sich jemand so verhält, so denkt und Skepsis hat gegenüber den MainstreamMedien. Denen konnten sie wirklich Jahrzehnte nicht trauen. Da arrogant drüberzubügeln, ist nicht der Weg.
Sehen Sie da auch eine Parallele zu Österreich: Ein Misstrauen gegen den Mainstream?
Nein. Ich mache gern drei Gruppen auf: Westdeutschland, ein blindes Vertrauen in die Regierung. Ostdeutschland, ein blindes Misstrauen. Und dem Österreicher ist es wurscht. Ich habe den Eindruck, Österreicher sehen Politik wie das Wetter: Das ist mal so, mal so, darauf hat man selbst keinen großen Einfluss. Wer anderes behauptet, gilt womöglich als Schwurbler.
Es gibt die These, dass das deutsche Kabarett teilweise rechter wird, um gegen einen angeblich bevormundenden linken Zeitgeist zu provozieren. Wie sehen Sie das?
Es wäre schön, wenn sich das Kabarett vor allem an der vorherrschenden Meinung abarbeiten sollte. Wenn das jetzt eine eher weltoffene, klassisch linke Einstellung ist, ist das doch wunderbar. Dadurch mag das Kabarett rechts erscheinen. Sollte es umschwingen und eine rechte Grundeinstellung vorherrschend sein, werden sich die Kabarettisten auf die Gegenseite stellen.
Wenn die AfD an die Macht kommt, macht Lisa Eckhart linke Programme?
Ich mache auch jetzt linke Programme. Ich sehe mich auf einer klassisch linken Seite. Das ist ja völlig erodiert, rechts und links. Das Rechte, da fehlt es mir ein bisschen an Patriotismus.
Können Sie über den Aufstieg der AfD in Ostdeutschland lachen?
Nein, da fehlt der Wortwitz komplett. Ich finde es auch nicht lustig, dass die Rechten es nicht schaffen, irgendeine Form von teuflischdemagogischem
Charisma ausfindig zu machen. Mir ist schleierhaft, was einen da anspricht. Politisch, inhaltlich sowieso, aber auch, was die Form betrifft. Das ist grobschlächtig. Wenn man dem den Stempel des Populismus gibt, da gibt es weiß Gott besseren Populismus.
Gibt es einen ostdeutschen Humor?
Man sagt, sie hören besser zu. Alfred Dorfer hat, glaube ich, gemeint, er spielt gern in Ostdeutschland. Die hören sehr viel zwischen den Zeilen – auch wenn da oft gar nichts ist. Das mag sein, es ist aber ein sehr schönes Vorurteil, dass man sehr präzise darauf achtet, weil man die Propaganda kennt und ein bisschen genauer hinhört und erst einmal misstrauisch ist.
Apropos misstrauisch. Die ARD versieht alte Fernsehausstrahlung von Otto Waalkes und Harald Schmidt mit Warnhinweisen. Was dachten Sie, als Sie das hörten?
Früher war der FSKJugendschutz mit 18 Jahren erledigt. Man dachte, ab diesem Alter hat jeder die geistige Reife, Dinge einzuordnen und psychologisch zu verarbeiten. Nun müssen wir in jedem Lebensalter gewarnt werden. Die Leute infantilisieren sich bereitwillig. Sie werden verzärtelt und denkfaul. Dann können sie auch nicht mehr sehen, wenn vor etwas Grässlichem kein Warnhinweis ist. Man muss das Urteilsvermögen in den Menschen trainieren und es ihnen nicht einfach so abnehmen. In den OttoWaalkesFilmen ist klar, dass sie einen antirassistischen Impetus haben. Das zu verteufeln, halte ich für kontraproduktiv. Es braucht sehr viel bewusstes Missverstehen, um nicht zu sehen, dass da ein philanthropischer Gedanke dahintersteckt.
Rechnen Sie irgendwann mit Warnhinweisen für LisaEckhartProgramme?
Ich bin jenseits des Warnhinweises. Auf Zigaretten stehen Warnhinweise, nicht auf Crystal Meth. Ich bin Crystal Meth.
Das hat keinen Sinn, da überlegt keiner mehr, ob das schädlich ist.
Sie haben Österreich im Teenageralter verlassen. Wen verstehen Sie besser, die Österreicher oder die Deutschen?
Die Franzosen. Das wird auch sicher mein Exil sein, sobald ich politisch untragbar geworden sein werde. Wirklich verstehen tu ich aber niemanden. Ich bin keine große Ethnologin. Ich nehme manche Dinge wahr. In einem künstlerischen Rausch übersetzt sich das in mehr oder minder geschmackvolle oder geschmacklose Pointen. Das Verstehen maße ich mir nicht an.
Was machen die Franzosen anders?
Ich spüre eine tiefe Verbundenheit. Allein schon die Namen: In Österreich und Frankreich steckt das Reich. Dazwischen ist Deutschland. Ein gewöhnliches Land. Unsere Patisseriekunst sollte den Deutschen auch zu denken geben. Wie sie es geschafft haben, so einen konditoristischen Krater zwischen uns aufzumachen, wo man keine annehmbare Torte findet.
Haben Sie sich schon einmal eine Kritik so zu Herzen genommen, dass Sie gesagt haben: „Okay, den Witz mache ich nicht noch einmal, da überschreite ich wirklich Grenzen“?
Nein. Ich improvisiere nicht auf der Bühne, alles ist zehn Mal überdacht. Fliegen Dinge raus, dann nicht, weil sie eine Grenze überschreiten, sondern, weil sie schlicht nicht so lustig sind, wie ich mir das erhofft habe. Das sind keine moralischen, sondern humoristische Bedenken, die mich ereilen.
Der AntisemitismusBeauftragte der deutschen Bundesregierung sagte, Ihre Pointen basieren auf Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Das ist Ihnen egal?
Mit diesen Vorwürfen wird man als Humorist immer konfrontiert sein. Humor gilt manchen als etwas grundsätzlich Menschenverachtendes. Weil es eben über etwas lacht. Es ist etwas Übermenschliches, es ist das, was uns zu Menschen macht und uns versöhnt mit dem furchtbaren Bewusstsein um unsere Sterblichkeit. Das ist das einzige Geschenk, ein Trostpflaster. Da die Unsterblichkeit in verschiedenen Formen näher rückt, scheinen die Menschen das nicht mehr zu brauchen, dieses göttliche Instrument, um mit der Sterblichkeit zurechtzukommen.
Sie glauben, das Ende des Humors naht?
Lachen erscheint als etwas Ungehöriges. In Deutschland ist eine Sendung populär, wo sich zehn Komiker einen Abkrampfen, sechs Stunden nicht zu lachen. Das scheint mir wie eine Generalprobe für eine humorlose Gesellschaft. Sich so zu kontrollieren, bis über nichts mehr gelacht wird, weil sie immer meinen, es ginge auf Kosten eines anderen. Das ist ein völliges Missverständnis des Humors.
Sie leben in Sachsen. Redet man dort mit einer Österreicherin über die DDRZeit?
Man erzählt mir bereitwillig. Jeder hat das anders wahrgenommen. Was sich aber durchzieht: Sie wollen nicht ihrer Geschichte beraubt werden. Sie hatten auch ihre Kindheit und ihre zum Teil sehr normalen Leben, wenngleich unter verschärften Bedingungen. Dass ihnen das abgesprochen wird, kränkt sie am meisten.
Warum sind Sie eigentlich aus dem großen Berlin ins kleine Leipzig gezogen?
Ich habe mich immer amourös entführen lassen. Es war nie die Stadt selbst, ich folge blind der Liebe und lerne die Städte kennen und lieben. Das hat sich bewährt. Ich hoffe, auf diese Art noch viel in der Welt herumzukommen. Es braucht immer einen Exoten, der mich mit in seine Heimat nimmt.
Das wird Ihr Mann nicht gern lesen.
Ja. Aber der liest nicht die „Presse“.