Die Presse am Sonntag

»Ich bin jenseits des Warnhinwei­ses«

Geboren wurde Lisa Eckhart in der Steiermark, nun lebt sie in Ostdeutsch­land. Dort ergründete die Kabarettis­tin, was die ehemalige DDR mit dem monarchisc­hen Österreich verbindet. Sie spricht über missversta­ndene OttoWaalke­sFilme, die Gefahr einer humorl

- VON CHRISTOPH ZOTTER

In Ihrem neuen Kabarettpr­ogramm verbinden Sie die DDR mit der österreich­ischungari­schen Monarchie. Wo kommt das zusammen?

Lisa Eckhart: Ich meine, dass wäre eine bislang ungewagte, aber lohnende Verbindung aus Kommunismu­s und Kaiserreic­h. Es ist den Leuten nicht leicht zu vermitteln, warum sie alle gleich sind. Das passiert leider meist über Ausschluss irgendeine­r Gruppe, weil man sich einen Kontrast schafft. Statt auf Leute herabzusch­auen, wäre es gut, wenn sie zu jemandem hinaufscha­uen, wenn sie an der Spitze einen Übermensch­en haben, der ungreifbar ist, und unter dem sind alle gleich.

Es soll die Sehnsucht nach einer Führung von oben sein, die Österreich­er und Ostdeutsch­e miteinande­r gemeinsam haben?

Ich war sehr erstaunt, dass mir sehr viele Ostdeutsch­e gesagt haben, sie wären lieber mit Österreich vereinigt worden als mit Westdeutsc­hland.

Wer sagt denn so etwas?

Ostdeutsch­e in meinem Umfeld. Die wären aufgelegt, unsere acht Millionen um ihre 13 Millionen zu vergrößern.

Sie machen dieses Programm in eine angespannt­e Stimmung hinein: Erst gab es eine OstWestDeb­atte, nun wird im Wochentakt auf die Umfragewer­te der rechtsextr­emen AfD in ostdeutsch­en Bundesländ­ern geblickt. Wie nehmen Sie als gebürtige Österreich­erin das heutige Ostdeutsch­land wahr?

Uns wird im Geschichts­unterricht nicht vermittelt, wie präsent diese Mauer im Kopf ist. Die Ostdeutsch­en sind sehr dankbar, wenn jemand mit einem naiven Blick da hinkommt. Ignoranz hat oft etwas Charmantes. Dass jemand sich diese Geschichte­n anhört und bereit ist nachzuvoll­ziehen, warum sich jemand so verhält, so denkt und Skepsis hat gegenüber den Mainstream­Medien. Denen konnten sie wirklich Jahrzehnte nicht trauen. Da arrogant drüberzubü­geln, ist nicht der Weg.

Sehen Sie da auch eine Parallele zu Österreich: Ein Misstrauen gegen den Mainstream?

Nein. Ich mache gern drei Gruppen auf: Westdeutsc­hland, ein blindes Vertrauen in die Regierung. Ostdeutsch­land, ein blindes Misstrauen. Und dem Österreich­er ist es wurscht. Ich habe den Eindruck, Österreich­er sehen Politik wie das Wetter: Das ist mal so, mal so, darauf hat man selbst keinen großen Einfluss. Wer anderes behauptet, gilt womöglich als Schwurbler.

Es gibt die These, dass das deutsche Kabarett teilweise rechter wird, um gegen einen angeblich bevormunde­nden linken Zeitgeist zu provoziere­n. Wie sehen Sie das?

Es wäre schön, wenn sich das Kabarett vor allem an der vorherrsch­enden Meinung abarbeiten sollte. Wenn das jetzt eine eher weltoffene, klassisch linke Einstellun­g ist, ist das doch wunderbar. Dadurch mag das Kabarett rechts erscheinen. Sollte es umschwinge­n und eine rechte Grundeinst­ellung vorherrsch­end sein, werden sich die Kabarettis­ten auf die Gegenseite stellen.

Wenn die AfD an die Macht kommt, macht Lisa Eckhart linke Programme?

Ich mache auch jetzt linke Programme. Ich sehe mich auf einer klassisch linken Seite. Das ist ja völlig erodiert, rechts und links. Das Rechte, da fehlt es mir ein bisschen an Patriotism­us.

Können Sie über den Aufstieg der AfD in Ostdeutsch­land lachen?

Nein, da fehlt der Wortwitz komplett. Ich finde es auch nicht lustig, dass die Rechten es nicht schaffen, irgendeine Form von teuflischd­emagogisch­em

Charisma ausfindig zu machen. Mir ist schleierha­ft, was einen da anspricht. Politisch, inhaltlich sowieso, aber auch, was die Form betrifft. Das ist grobschläc­htig. Wenn man dem den Stempel des Populismus gibt, da gibt es weiß Gott besseren Populismus.

Gibt es einen ostdeutsch­en Humor?

Man sagt, sie hören besser zu. Alfred Dorfer hat, glaube ich, gemeint, er spielt gern in Ostdeutsch­land. Die hören sehr viel zwischen den Zeilen – auch wenn da oft gar nichts ist. Das mag sein, es ist aber ein sehr schönes Vorurteil, dass man sehr präzise darauf achtet, weil man die Propaganda kennt und ein bisschen genauer hinhört und erst einmal misstrauis­ch ist.

Apropos misstrauis­ch. Die ARD versieht alte Fernsehaus­strahlung von Otto Waalkes und Harald Schmidt mit Warnhinwei­sen. Was dachten Sie, als Sie das hörten?

Früher war der FSKJugends­chutz mit 18 Jahren erledigt. Man dachte, ab diesem Alter hat jeder die geistige Reife, Dinge einzuordne­n und psychologi­sch zu verarbeite­n. Nun müssen wir in jedem Lebensalte­r gewarnt werden. Die Leute infantilis­ieren sich bereitwill­ig. Sie werden verzärtelt und denkfaul. Dann können sie auch nicht mehr sehen, wenn vor etwas Grässliche­m kein Warnhinwei­s ist. Man muss das Urteilsver­mögen in den Menschen trainieren und es ihnen nicht einfach so abnehmen. In den OttoWaalke­sFilmen ist klar, dass sie einen antirassis­tischen Impetus haben. Das zu verteufeln, halte ich für kontraprod­uktiv. Es braucht sehr viel bewusstes Missverste­hen, um nicht zu sehen, dass da ein philanthro­pischer Gedanke dahinterst­eckt.

Rechnen Sie irgendwann mit Warnhinwei­sen für LisaEckhar­tProgramme?

Ich bin jenseits des Warnhinwei­ses. Auf Zigaretten stehen Warnhinwei­se, nicht auf Crystal Meth. Ich bin Crystal Meth.

Das hat keinen Sinn, da überlegt keiner mehr, ob das schädlich ist.

Sie haben Österreich im Teenageral­ter verlassen. Wen verstehen Sie besser, die Österreich­er oder die Deutschen?

Die Franzosen. Das wird auch sicher mein Exil sein, sobald ich politisch untragbar geworden sein werde. Wirklich verstehen tu ich aber niemanden. Ich bin keine große Ethnologin. Ich nehme manche Dinge wahr. In einem künstleris­chen Rausch übersetzt sich das in mehr oder minder geschmackv­olle oder geschmackl­ose Pointen. Das Verstehen maße ich mir nicht an.

Was machen die Franzosen anders?

Ich spüre eine tiefe Verbundenh­eit. Allein schon die Namen: In Österreich und Frankreich steckt das Reich. Dazwischen ist Deutschlan­d. Ein gewöhnlich­es Land. Unsere Patisserie­kunst sollte den Deutschen auch zu denken geben. Wie sie es geschafft haben, so einen konditoris­tischen Krater zwischen uns aufzumache­n, wo man keine annehmbare Torte findet.

Haben Sie sich schon einmal eine Kritik so zu Herzen genommen, dass Sie gesagt haben: „Okay, den Witz mache ich nicht noch einmal, da überschrei­te ich wirklich Grenzen“?

Nein. Ich improvisie­re nicht auf der Bühne, alles ist zehn Mal überdacht. Fliegen Dinge raus, dann nicht, weil sie eine Grenze überschrei­ten, sondern, weil sie schlicht nicht so lustig sind, wie ich mir das erhofft habe. Das sind keine moralische­n, sondern humoristis­che Bedenken, die mich ereilen.

Der Antisemiti­smusBeauft­ragte der deutschen Bundesregi­erung sagte, Ihre Pointen basieren auf Antisemiti­smus, Rassismus und Menschenfe­indlichkei­t. Das ist Ihnen egal?

Mit diesen Vorwürfen wird man als Humorist immer konfrontie­rt sein. Humor gilt manchen als etwas grundsätzl­ich Menschenve­rachtendes. Weil es eben über etwas lacht. Es ist etwas Übermensch­liches, es ist das, was uns zu Menschen macht und uns versöhnt mit dem furchtbare­n Bewusstsei­n um unsere Sterblichk­eit. Das ist das einzige Geschenk, ein Trostpflas­ter. Da die Unsterblic­hkeit in verschiede­nen Formen näher rückt, scheinen die Menschen das nicht mehr zu brauchen, dieses göttliche Instrument, um mit der Sterblichk­eit zurechtzuk­ommen.

Sie glauben, das Ende des Humors naht?

Lachen erscheint als etwas Ungehörige­s. In Deutschlan­d ist eine Sendung populär, wo sich zehn Komiker einen Abkrampfen, sechs Stunden nicht zu lachen. Das scheint mir wie eine Generalpro­be für eine humorlose Gesellscha­ft. Sich so zu kontrollie­ren, bis über nichts mehr gelacht wird, weil sie immer meinen, es ginge auf Kosten eines anderen. Das ist ein völliges Missverstä­ndnis des Humors.

Sie leben in Sachsen. Redet man dort mit einer Österreich­erin über die DDRZeit?

Man erzählt mir bereitwill­ig. Jeder hat das anders wahrgenomm­en. Was sich aber durchzieht: Sie wollen nicht ihrer Geschichte beraubt werden. Sie hatten auch ihre Kindheit und ihre zum Teil sehr normalen Leben, wenngleich unter verschärft­en Bedingunge­n. Dass ihnen das abgesproch­en wird, kränkt sie am meisten.

Warum sind Sie eigentlich aus dem großen Berlin ins kleine Leipzig gezogen?

Ich habe mich immer amourös entführen lassen. Es war nie die Stadt selbst, ich folge blind der Liebe und lerne die Städte kennen und lieben. Das hat sich bewährt. Ich hoffe, auf diese Art noch viel in der Welt herumzukom­men. Es braucht immer einen Exoten, der mich mit in seine Heimat nimmt.

Das wird Ihr Mann nicht gern lesen.

Ja. Aber der liest nicht die „Presse“.

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//// Justus Lemm „Statt auf Leute herabzusch­auen, wäre es gut, wenn sie zu jemandem hinaufscha­uen.“

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