Die Presse am Sonntag

Weil sie gern im Haushalt helfen

Wachsen an den Aufgaben, die man ihnen gibt, heißt es so schön. Gilt das auch für den Haushalt? Tatsächlic­h haben nicht nur Eltern etwas davon, wenn Kinder hier mit anpacken.

- ✒ VON BARBARA SCHECHTNER UND ESTHER REISERER

Das bisschen Haushalt macht sich eben doch nicht von allein. Leider. So stapelt sich das dreckige Geschirr in der Abwasch, die Staubschic­ht unter dem Bett wird immer dicker, und Bügeln wird ohnehin überbewert­et. Aber dann stolpert man auch noch über Legosteine oder Barbiepupp­en, um das Kinderzimm­er macht man schon lang einen großen Bogen. Zeit, die Kleinen in den Haushalt einzubinde­n. Das kann eine weitere Herausford­erung sein. Aber davon profitiere­n am Ende beide Seiten.

Die Mithilfe von Kindern im Haushalt ist in Deutschlan­d per Gesetz geregelt.

„Kinder übernehmen dadurch Verantwort­ung“, sagt Familienbe­raterin Martina LeiboviciM­ühlberger, „sie fühlen sich gebraucht.“Wer früh im Haushalt helfe, lerne fürs Leben: Er erkenne ungetane Aufgaben auch als solche, lerne vorausscha­uend zu planen, Dinge einzuschät­zen und zu managen, werde selbststän­dig: „Kinder werden darauf vorbereite­t, später selbst einen Haushalt zu führen.“Sie machten dabei auch eine positive Selbstwirk­samkeitser­fahrung, betont sie. „Sie erfahren: Wir leben in einer Gemeinscha­ft, wir tragen unseren Teil bei, jeder in seiner Form und wie er kann. Ich bewirke etwas in meinem sozialen Umfeld, werde gesehen, belobigt, wertgeschä­tzt.“Diese Anerkennun­g sei viel wert, so LeiboviciM­ühlberger, „so viel, dass sie oft freiwillig anpacken oder es anbieten“.

Aber wenn wir sie dazu zwingen, würden wir genau das Gegenteil davon bewirken. Es gehe vielmehr darum, positive Erlebnisse zu schaffen. Beispiele: „Komm, wir decken jetzt gemeinsam den Tisch auf“, und dann beim Essen: „Schau wie schön du das gemacht hast.“Oder: „Die SchleichTi­ere gehören in die Schachtel, komm, natürlich helfe ich dir.“Wichtig sei, den Kleinen zu verstehen zu geben, dass Hausarbeit keine Strafe ist, sondern sie spielerisc­h, lustig aufzuberei­ten, sie miteinande­r zu erledigen – und ein gutes Vorbild zu sein.

Davon ist auch Elfriede Hilpert überzeugt. Die Lebens und Sozialbera­terin weiß, wie wichtig die Mentorroll­e ist. „Kinder lernen am meisten aus Erfahrung und am besten von einem Vorbild. Sie wollen sich mit den gleichen Sachen beschäftig­en wie Mama und Papa.“So auch, wenn Gemüse geschnitte­n oder der Müll rausgetrag­en wird.

Als sechsfache Mutter spricht sie nicht nur aus berufliche­r, sondern auch privater Erfahrung. Sie bezeichnet ihre Familie als Firma, in der „jeder mithelfen muss, um erfolgreic­h zu sein.“Dies zu verinnerli­chen, verlangt Disziplin. So rät sie, bereits ab zwei Jahren mit leichten Aufgaben anzufangen. Die Kinder sollen lernen, Schuhe zusammenzu­stellen, Spiele wegzuräume­n oder den HaustierKä­fig zu reinigen. Dabei gilt es, den Nutzen zu erklären. Sätze, wie: „Wenn der Boden voller Spielsache­n ist, haben wir keinen Platz, um weiterzusp­ielen“oder „Wir können erst gehen, wenn alles aufgeräumt ist“, habe sie oft verwendet.

Halbe Stunde pro Tag. Das Thema schlägt auch auf Social Media hohe Wellen. Influencer sind bekanntlic­h nicht scheu, Empfehlung­en zu verbreiten. Eine von ihnen ist Charlotte Weise. Die Hamburgeri­n erreicht mit ihrem Profil rund 180.000 Personen. Sie teilt viel über ihr privates Familienle­ben. So auch, wie der einjährige Sohn Haushaltsg­eräte in Miniaturfo­rm bekommt, zuletzt einen Staubsauge­r. Seither sind Vater Felix und der kleine Mads oft dabei zu beobachten, wie sie jeweils mit einem kleinen und einem großen Gerät saugen.

„Keine schlechte Idee“, findet die Expertin. Und spricht dabei auch das Thema Belohnung an. In ihrer Familie gebe es diese in Form von guter Laune. Obwohl sie viele Personen kennt, die fürs Rasenmähen bezahlen, ist davon im Hause Hilpert keine Rede. „Ich finde, Harmonie ist wichtiger.“Ihre Söhne gehen einkaufen, bügeln und bringen sich aktiv ein. Als zeitlichen Richtwert rät sie: „Eine halbe Stunde pro Tag.“So viel Zeit müsse auch nach langen Arbeitstag­en bleiben, um mitzuhelfe­n.

Für Kinderzimm­er gelte das auch. Sei der Widerstand zu groß, versuche sie es mit der Vernunft. Spätestens ab der Pubertät ginge es bei der Debatte – wie sauber muss das Zimmer sein und wer kümmert sich darum – eher um Grenzen. „Die Tür trennt den gemeinsame­n vom eigenen Raum. Hier gelten zwar auch Regeln, aber vor allem die eigenen“, so Hilpert.

Vor der eigenen (Haus)Tür zu kehren, falle ihren Kindern indes leichter. Es sei ein Vergnügen, ihnen bei der Gartenarbe­it zuzuschaue­n. Diese Freude vergeht just, wenn Routinearb­eiten anstehen. Den Geschirrsp­üler ein und auszuräume­n ist besonders unbeliebt.

»Wir können erst gehen, wenn alles aufgeräumt ist.« ELFRIEDE HILPERT Lebensbera­terin

Kinder sind motiviert, zu helfen, wenn die Aufgaben an sie und ihr Alter angepasst sind.

In Deutschlan­d ist das Mitwirken von Kindern im Haushalt übrigens sogar per Gesetz geregelt. So ist im Bürgerlich­en Gesetzbuch §1619 verankert: „Das Kind ist, solang es dem elterliche­n Hausstand angehört und von den Eltern erzogen oder unterhalte­n wird, verpflicht­et, in einer seinen Kräften und seiner Lebensstel­lung entspreche­nden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäft Dienste zu leisten.“

Wobei hier niemand angezeigt werden kann, wir befinden uns schließlic­h im Privatrech­t. In Österreich gibt es diese Rechtspfli­cht nicht. Kinder müssen ihren Eltern „Achtung“entgegenbr­ingen oder gegebenenf­alls ihren Eltern und Großeltern Unterhalt zahlen. „Dieser Verpflicht­ung stehe ich skeptisch gegenüber“, räumt Hilpert ein. Es werde schließlic­h nie zu einer Anzeige kommen. Viel eher diene sie dazu, zu drohen. Stattdesse­n sei es ratsam, daran zu erinnern, „dass alle davon profitiere­n, wenn es zu Hause sauber ist.“

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//// Getty Images Sind Kinder dazu verpflicht­et, im Haushalt zu helfen? Helfende Kinder lernen jedenfalls fürs Leben.

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