Die Presse am Sonntag

»Es gibt Polarisier­ungen, aber ... «

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Interview. Kardinal Christoph Schönborn im Interview für die »Presse am Sonntag« zum SynodenEnd­e in Rom: Das Zentrum der Kirche bewege sich deutlich in Richtung Süden.

Vier Wochen täglich stundenlan­g in der Audienzhal­le zu sitzen, über komplexe theologisc­he, kontrovers­ielle Themen zu sprechen: Wie herausford­ernd war diese Zeit der Synode in Rom für Sie?

Christoph Schönborn: Die Synode war wie jede Synode anstrengen­d, aber es war bei Weitem die beste Synode, die ich seit fast 40 Jahren erlebt habe.

Weshalb? Was war das Herausrage­nde dieser Synode?

Erstens das Setting. Zum ersten Mal hat die Synode in der großen Audienzhal­le stattgefun­den. Früher hat man sich nie in die Augen geschaut, ist in Reihen hintereina­nder gesessen und hat nur den Papst gesehen. Das Setting diesmal mit rundem Tisch in Zehnergrup­pen hat dem ein ganz anderes Klima gegeben. Zweitens ist die Methode sehr entscheide­nd, die Papst Franziskus die geistliche Konversati­on nennt, mit einem ganz starken Akzent auf das Zuhören und AufdasGehö­rteEingehe­n. Das schafft ein grundlegen­d anderes Klima, weil es vom Zuhören ausgeht. Das Dritte ist das Thema: Was ist Synodalitä­t? Wie funktionie­rt kirchliche­s Miteinande­r?

Und was ist für Sie das wichtigste Ergebnis dieser Synode?

Das wichtigste Ergebnis ist die Synode selbst. Da werden Sie vielleicht lächeln darüber, aber es ist so. Es geht um das Einlernen eines Zugangs zu Themen, die zum Teil kontrovers sind, wenn es darum geht herauszufi­nden: Was ist eigentlich der Wille Gottes für die Kirche heute? Es ist ja nicht eine politische Versammlun­g, sondern es geht um die Frage: Was soll der Weg der Kirche heute sein, wie soll der aussehen? Man darf sich nicht wundern, dass es keine konkreten Ergebnisse gibt, weil das nicht das Thema ist. Es geht um das Einüben des Umgangs miteinande­r.

Sind dann nächstes Jahr beim Abschluss der Synode wenigstens konkrete Ergebnisse gerade auch bei den kontrovers­en Themen zu erwarten?

Bitte erinnern Sie sich, was die Natur der Bischofssy­node ist. Sie ist ein Beratungso­rgan für den Papst. Das mag enttäusche­nd klingen, aber es ist so.

Man könnte sagen: Die Berge kreisten und gebaren eine Maus.

Das kann man ohne Weiteres sagen. Man kann aber auch sagen: Vier Wochen ist weltweit etwas eingeübt worden, was absolut nicht selbstvers­tändlich ist. Mir ist bewusst geworden, dass das Zentrum der Kirche sich von Europa weg verlagert. Die europäisch­en Bischöfe und auch Laienvertr­eter waren nicht mehr die Mehrheit. Die Mehrheit ist eindeutig im Süden. Wir haben die Kirchen des Südens als volle, in mancher Hinsicht uns voraus seiende Partner zu betrachten.

Wo sind diese Kirchen des Südens, wie Sie sie nennen, uns voraus?

Ein afrikanisc­her Bischof hat das sehr unverblümt zur Sprache gebracht: „Ihr in den reichen Kirchen des Nordens habt immer weniger Gläubige, immer weniger Praktizier­ende, ihr habt wenig Nachwuchs, aber ihr wollt uns nach wie vor belehren. Ich bitte euch, schaut uns als gleichbere­chtigte Partner an, von denen auch ihr etwas lernen könnt.“Die anderen kontinenta­len Bischofsko­nferenzen haben diese Synode unvergleic­hlich besser vorbereite­t als wir mit unserer europäisch­en Bischofsko­nferenz. Polemisch formuliert, und es wird nicht alle freuen: Die ist eine lahme Ente. Uns in der europäisch­en Bischofsko­nferenz ist es nicht gelungen, auch nur ein einziges Wort zur Flüchtling­sfrage gemeinsam zustande zu bringen. Das ist eine wirkliche Schande. Für mich ist die Lehre aus der Synode: Setzen wir uns bescheiden auf die Schulbank und schauen wir, was sich inzwischen in den kontinenta­len Konferenze­n Afrika, Asien und Lateinamer­ika entwickelt hat. Das wird spannend für uns.

Zurück zur Synode: Sind nicht Enttäuschu­ngen gerade im deutschen Sprachraum programmie­rt, wo es hohe Erwartunge­n in Richtung innerkirch­licher Reformen gab?

Der deutsche Synodale Weg stand nicht im Mittelpunk­t der Gespräche sondern war, Pardon, das zu sagen, unter ferner liefen. Natürlich sind die großen Fragen da. Aber man schaut nicht mehr nach Österreich oder Deutschlan­d, wenn man wissen will, wie es mit der Kirche weitergeht.

VON DIETMAR NEUWIRTH

Wie sehr hat die Anwesenhei­t von Laien und nicht ganz zwanzig Prozent Frauen bei der Synode die Veranstalt­ung geprägt?

Ich würde schlicht und einfach sagen: äußerst positiv, wohltuend, belebend, erfrischen­d, direkt und offen. Es hat uns allen sehr gutgetan.

»Die europäisch­e Bischofsko­nferenz ist eine lahme Ente.«

Gibt es Erkenntnis­se aus den vierwöchig­en RomErfahru­ngen, die auf Österreich oder Wien umgelegt werden können?

Ich habe vor allem mitgenomme­n: Diesen Weg einer synodalen Kirche, einer Kirche, die die Dinge gemeinsam angeht, fortzusetz­en. Ich habe mich sehr wohlgefühl­t in dieser Synode, und vieles hat mich erinnert an die fünf Wiener Diözesanve­rsammlunge­n. Es war auch hier in Rom das Erlebnis eines Miteinande­rs, eines offenen Austauschs, eines Voneinande­rLernens und einer Grundgewis­sheit, dass wir einen gemeinsame­n Weg gehen.

»Der deutsche Synodale Weg war unter ferner liefen.« CHRISTOPH SCHÖNBORN Kardinal, Wiener Erzbischof

Diese Grundgewis­sheit hat gefehlt?

Wir haben in der Kirche in Österreich Zeiten erlebt, in denen die Polarisier­ungen enorm stark waren. Es gibt auch in Rom Polarisier­ungen, aber die geschehen eher außerhalb der Aula. Man kann einen Weg gehen als Glaubensge­meinschaft in der Spannungsb­reite von unterschie­dlichen Kirchenbil­dern und unterschie­dlichen Kirchensta­ndpunkten, wenn der gemeinsame Wille da ist, diesen Weg gemeinsam zu gehen.

Was erwarten Sie für den Abschluss der Synode nächstes Jahr im Herbst?

Ich hoffe, dass ich wieder dabei sein kann, wenn mir die Gesundheit gegeben ist. Ich bin gespannt, weil es die Etappe ist, in der dann auch dem Papst Entscheidu­ngsempfehl­ungen gegeben werden.

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