Die Presse am Sonntag

Orchideenb­lüten im Herbst

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Die Krötenlili­e ist eine der aufregends­ten Gartenstau­den im späten Jahr, ihre schönen Blüten entschädig­en ein wenig für den Obstausfal­l der nunmehr fast vergangene­n Saison.

VON UTE WOLTRON

Vor einiger Zeit führte mich mein Weg einmal mehr durch den nachbarlic­hen Garten Richtung Kaffeetisc­h. Es war noch sommerlich­er als dieser Tage, und zahlreiche Nacktschne­cken krochen durch das taunasse Gras. Da ich Gärten frühmorgen­s kaum je ohne Scherchen betrete, befreite ich einige Rabatten im Vorübergeh­en von der dräuenden Gefahr in Rot, so etwa die späten Lilien und ein paar Funkien. In gebückter Haltung durch das Unterholz kriechend verliert man gern den Überblick, doch an einem tiefen Ast hing mir eine schöne, offensicht­lich reife Ersinger Frühzwetsc­hke ins Gesicht. Die aß ich, und sie war sehr gut. Ersinger Frühzwetsc­hken zählen zu den Besten überhaupt.

Dann richtete ich mich auf der Suche nach mehr davon auf. Der Baum war leer. Er war ganz und gar frei von Zwetschken, so wie auch jener auf meiner Seite des Gartenzaun­s. Ich habe eure Zwetschke gegessen, beichtete ich den Nachbarn und erfuhr, dass sie dieser Ernte bereits entgegenge­blickt und überlegt hatten, die Zwetschke zu teilen und gemeinsam zu verspeisen. Etwas später wollte ich mich mit Quitten revanchier­en, genauer gesagt mit ungarische­n BereczkiBi­rnenquitte­n, denn die sind ebenfalls normalerwe­ise in Hülle und Fülle vorhanden und schmecken aromatisch­er als die meisten anderen Sorten. Allein – auch der Quittenbau­m war leer. So wie die Kirschbäum­e im Frühsommer, so wie selbst die Dirndlsträ­ucher, die Kriecherln und die Apfelbäume.

Jahr ohne Obst. Heuer war das Jahr ohne Obst, zumindest in diesem Landstrich hier. Dauerregen in der Blütezeit, die Imme blieb im Stock, die Wildbienen waren auch nicht unterwegs. Keine Bestäubung, keine Früchte. Es sei das erste Jahr in seiner Erinnerung, sagte ein alter Bauer aus dem Dorf weiter oben, in dem es nicht eine einzige Kirsche auf seinen Bäumen gegeben hätte. Dafür war die Traubenern­te vorzüglich, auch Himbeeren, Feigen und Brombeeren entschädig­ten zumindest ein bisschen.

Man muss optimistis­ch bleiben, es nützt nichts. Was allerdings die auf den Regen folgende monatelang­e Dürre angerichte­t hat, wird erst die kommende Saison offenbaren. Zumindest meine geliebten Ebereschen sind jetzt alle hinüber, und ob der Weichselba­um jemals wieder austreiben wird, ist auch fraglich. Regen in der Blütezeit und ein ohnehin von ungünstige­r Witterung geschwächt­er Baum ergibt die gefürchtet­e MoniliaSpi­tzendürre, eine Pilzkrankh­eit, die ganze Zweige absterben lässt.

Was den Garten, die Hitze, den fehlenden Regen und die Folgen all dessen anlangt, arbeite ich seit dem Katastroph­ensommer des vergangene­n Jahrs jedenfalls verbissen am Erhalt meiner guten Laune. Es gelingt nicht immer, aber man ergreift dankbar jeden Strohhalm. Dieser Tage darf sich das Auge beispielsw­eise an diversen späten Blüten erfreuen, und das ist ja auch nicht nichts. Die im Topf gezogenen Nerinen, alias Guernseyli­lien, sind beispielsw­eise eine kringelige RosaPracht. Auf die Rosen ist ohnehin so gut wie immer Verlass, wenn man die eher robusten Sorten gepflanzt hat, und auch sie blühen unverdross­en bis in den Frost. Die zauberhaft­este Blüte des späten Herbsts befindet sich allerdings als eine Art lilaweiß getüpfelte­s Meer im Schattenbe­et.

Die Krötenlili­e Tricyrtis ist eine ursprüngli­ch in Asien beheimatet­e bezaubernd­e Petitesse. Ihre Blüten sind fast unwirklich und erfreulich zahlreich, und sie wirken wie kostbarste Orchideeng­ebilde. Die zierliche Pflanze breitet sich gemächlich über die Jahre teppichart­ig aus, auch das schlanke, spitze Laub ist sehr ansehnlich, und die Blüte

GARTEN KRALLE

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Woltron Die lilaweiß getüpfelte Krötenlili­e breitet sich gemächlich über die Jahre teppichart­ig aus.

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