Über Grenzgänge und -läufe
Anfang November geht es bei »Wien rundumadum« zum 10. Mal laufend rund um die Stadt. Aber auch ganz Österreich, Kreisverkehre und sogar Küchentische werden gern im Laufen umrundet.
VON TOM ROTTENBERG
Genau genommen ist der Name irreführend. Denn wirklich exakt rund um die Bundeshauptstadt geht es am 4. November bei „Wien rundumadum“(WRU) nicht. Allerdings hat sich in den zehn Jahren, in denen der weit über die Grenzen (sic!) der Stadt bekannte „Ultra“(länger als ein Marathon) ausgetragen wird, noch niemand beschwert, dass die Route ab Favoriten bis zur Donau nördlich der Stadtgrenze verläuft. Oder dass man, nachdem man übers Kraftwerk Freudenau kommt, nicht ganz zum Südostzipfel der Lobau rennt, bevor es durch die Pampa der transdanubischen Gemüse und sonstigen Felder vorbei an der Seestadt Aspern gen Norden nach Hirschstetten geht.
Wer 24 Stunden für 130 Kilometer mit fast 2000 Höhenmetern hat, diskutiert nicht, ob da ein Stückerl Stadt fehlt. Ob der Weg exakt auf dem Grenzstrich verläuft: Wer bei „schwarzer Luft“– das Gros der maximal 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer rennt ab der Lobau im Dunkeln – 40 Kilometer auf unbeleuchteten Wander und Feldwegen vor sich hat, hat andere Themen. Das wichtigste: nicht verlaufen! Und: Hoffentlich hat die letzte Kontrollfahrt des Veranstalterteams jenem „verhaltensoriginellen“Rentner, der am Marchfeldkanal regelmäßig Wegweiser entfernt „weil ich Läufer nicht mag“, heuer die Tour vermasselt. Und spätestens, wenn der Bisamhügel zum Bisamgebirge wird, kommt die große Frage: „Warum tue ich das?“
Zaaach, aber wunderschön. Wenn der Blick aber dann oben, bei der letzten „Labe“, über die Lichter der Stadt schweift, ist sie beantwortet: Es ist zwar „zaaach“, aber auch wunderschön, sich der Stadt durchs Umrunden anzunähern – und sie dabei von allen Seiten zu sehen. Klischee und Touristenblicke vom Leopoldsberg ebenso wie Unbekanntes oder Ausgeblendetes: Simmeringer Siedlungen, Gstetten der Donaustadt – die Hinterzimmer der Stadt. Aber vor allem die Vielfalt des Wiener Grüns: Wienerwald, Lainzer Tiergarten, Wienerberg, Neugebäude, Lobau. Transdanubische Felder, Marchfeldkanal und Bisamberg – und zu Beginn und am Schluss Donau und Donauinselufer: Wien peripher kann etwas. Erst recht fußläufig.
Ob man dafür wie der (Mehrfach) WRUSieger Klemens Huemer im Vorjahr 12 Stunden 42 braucht oder 23 Stunden und 5 Minuten wie Josef Stöger und Erwin Ostry, die Letzten beiden 2022, ist egal: „Wien rundumadum ist kein Wettkampf, sondern ein Erlebnislauf“, sagt Veranstalter Florian Holecek – und betont, die Route nicht erfunden zu haben: 2004 fasste das Wiener Forstamt einige Stadtwanderwege so zusammen, dass sie in Summe rund um die Stadt führen. In fünf bis sechs spaziergangs oder sonntagsfamilienwanderungskompatiblen Etappen, deren Einund Ausstiege jeweils öffentlich gut erreichbar sind.
Dass jemand versuchen würde, das en bloc laufend abzuspulen, lag nahe. Derlei, sagt Holecek, gab es vermutlich bald – aber eben undokumentiert. Doch seit 2014 umrundet man organisiert (www.wienrundumadum.at) – und mit Erfolg: Die WRU„G’schichten“ neben der „ganzen“gibt es auch eine „halbe“und eine „viertel G’schicht“– sind meist ausverkauft. Expansion ist aber kein Thema: Mehr als 500 Personen schicken die Veranstalter nicht auf die Strecke – aus Logistik und Naturschutzgründen.
Mitten in der Donau. Wien tatsächlich entlang der Stadtgrenze umrunden? Ja, hin und wieder versuchen das launige Einzelgänger, schaffen es aber nie zu 100 Prozent: Vor der Lobau verläuft die Stadtgrenze länger genau mittig in der Donau.
Maxlouis Koebele/captureit.de
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