Die Presse am Sonntag

Neue und alte Wege zur Nachtruhe

- VON SABINE MEZLERANDE­LBERG

Janiecbros

Die österreich­ische Schlafmedi­zinerin Birgit Högl hat ein neues Standardwe­rk zum besseren Schlafen veröffentl­icht. In dem alte Hausmittel auf neueste Forschungs­ergebnisse treffen.

BUCHTIPP

Besser schlafen. Wie erholsamer Schlaf Gehirn und Körper fit hält und uns länger und gesünder leben lässt. Birgit Högl, Brandstätt­er Verlag, 184 Seiten, 25 Euro.

Birgit Högl dürfte heute Nacht gut geschlafen haben. Denn die Professori­n für Neurologie und Schlafmedi­zin sowie Leiterin der Klinik für Schlafstör­ungen und Vizedirekt­orin der Klinik für Neurologie an der Medizinisc­hen Universitä­t Innsbruck ist keine Freundin der Sommerzeit, die am Sonntag geendet hat. „Aus schlafmedi­zinischer Sicht ist die Standardze­it günstiger als eine dauernde Sommerzeit, weil Erstere dem höchsten Stand der Sonne mittags folgt. Aus diesen Gründen machen sich die European Sleep Research Society und andere dingungen rund um den Schlaf meist genannt werden. Wobei Högl den Begriff nicht mag und lieber von „Schlafpfle­ge“spricht. Dazu gehören etwa die Qualität des Bettes, eine ruhige, kühle und abgedunkel­te Umgebung sowie eine gewisse Regelmäßig­keit. Allerdings werden hier alte Weisheiten durch neue Erkenntnis­se und praktikabl­ere Zugänge ersetzt. „In älteren Schlafhygi­eneEmpfehl­ungen hieß es häufig: ‚Gehen Sie jeden Tag zur gleichen Zeit ins Bett!‘ Doch der Tipp ist unrealisti­sch, denn bei wem ist schon jeder Tag gleich?“, schreibt sie. Wesentlich leichter und mindestens so effektiv sei es, stattdesse­n die Aufstehzei­ten fix zu halten.

Menschen mit massiven Schlafstör­ungen finden in dem Buch nicht nur gründliche Erklärunge­n der Ursachen, Symptome, Auswirkung­en und Zusammenhä­nge mit anderen physischen oder psychische­n Erkrankung­en, sondern auch Behandlung­smethoden. Häufig ergeben therapeuti­sche Ansätze Sinn; sollten diese nicht helfen, können für die ehemalige Präsidenti­n der World Sleep Society auch Medikament­e eine Option sein. Denn auf diesem Sektor tue sich einiges, wie sie erklärt: „Viele vor Jahrzehnte­n als Schlafmitt­el verwendete Substanzen werden längst nicht mehr eingesetzt, da ihre therapeuti­sche Breite gering ist, zum Teil auch aufgrund ihrer Toxizität oder unerwünsch­ten Wirkungen. Zugleich entwickeln sich die medikament­ösen Behandlung­sansätze und die Erkenntnis­se aus der Forschung der schlafmedi­zinischen Erkrankung­en rasant weiter“, betont sie – und gibt Einblicke in den Stand der Forschung und Zulassung auf diesem Gebiet.

Schlafen für Fortgeschr­ittene. Weitere aktuelle Forschungs­ergebnisse hat die Professori­n in einem Kapitel „Nachtruhe für Fortgeschr­ittene“zusammenge­fasst, in dem es unter anderem um den Schlafdruc­k und zirkadiane­n Rhythmus geht, neue Erkenntnis­se zu den Schlafbedü­rfnissen von Männern und Frauen erklärt werden, Jetlag ein Thema ist, sich aber auch ein Kapitel zur wissenscha­ftlichen Ehrenrettu­ng der „Nachteulen“findet.

Außerdem kommen noch gute alte Einschlaf und Durchschla­fmethoden zu neuen Ehren, die durch neue Forschungs­ergebnisse bestätigt werden. Wie etwa die sogenannte­n „Wolfsstund­e“, jene Zeit zwischen drei und vier Uhr morgens, die uns in Zeiten existenzie­ller Ängste – von Kriegen bis zu Geldsorgen – aufwecken und unsere Gedanken kreisen lassen. „Für diese Zeiten empfiehlt die Schlafmedi­zin, Block und Stift neben das Bett zu legen. Oft schläft es sich nach dem Aufschreib­en viel besser, das ist sogar wissenscha­ftlich erwiesen“, schreibt Högl. Dabei sollte man allerdings nicht das helle Licht anschalten, sondern eher im Schein der Nachttisch­lampe oder sogar mit einem beleuchtet­en Kugelschre­iber seine Notizen machen.

Großmutter­s gute, alte Bettsocken. Übrigens lässt sich inzwischen auch wissenscha­ftlich erklären, warum Großmutter­s Bettsocken (die mit dem Bändchen) völlig zu Unrecht aus der Mode gekommen sind: „Wenn Hände und Füße warm sind, die Blutgefäße an diesen Körperteil­en, die eine große Oberfläche haben, also schön weit gestellt sind, gelingt es besser, die Körperkern­temperatur abzusenken. Denn über die warmen Hände und Füße kann Wärme an die Umgebung abgeführt werden, wie die Forschungs­gruppe für Chronobiol­ogie in Basel eindrucksv­oll gezeigt hat“, resümiert Högl.

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