Wenn António Guterres den Terror erklärt
Der Spitzendiplomat der Vereinten Nationen sollte eine moralische Instanz sein. Das Wort ihres höchsten Verwaltungsbeamten hat weltweit politisches Gewicht. Diese Art Autorität wurde von António Guterres allerdings leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Der Portugiese, der sein Land von 1995 bis 2002 regierte und danach zur UNO wechselte, mischte sich eindeutig zweideutig in den NahostKonflikt ein. Zwar verurteilte er den Terror von Palästinensern, ihre Massaker an Juden, aber er ortete auch eine „erdrückende Besatzung“durch Israel: „Es ist wichtig zu erkennen, dass die Angriffe der Hamas nicht im luftleeren Raum stattfanden“, meinte der ExPräsident der Sozialistischen Internationale und amtierende UNGeneralsekretär.
Rücktritt? Verständlich, dass Israel daraufhin seinen Rücktritt forderte; man kann diese Aussagen als Gleichsetzung ihres Staates mit der Hamas interpretieren, die nicht nur das Nachbarland, sondern auch Gaza terrorisiert. 2005 zog der letzte israelische Soldat aus diesem Küstenstreifen ab. Seither gibt es dort eine Selbstverwaltung – ohne irgendwelche demokratischen Regeln. Guterres mag mit seiner Rede in extrem linken und radikal islamischen Kreisen punkten. Wie aber wurde sie in konservativen Blättern der freien Welt aufgenommen? Beginnen wir in der neutralen Schweiz. Israel sei von der UN viel gewohnt, so die „Neue Zürcher Zeitung“, werde mit einseitigen Resolutionen überflutet. Nun „war wieder so ein Moment, der die Emotionen zum Kochen brachte“. Die Bemerkungen des UNGeneralsekretärs könnten so verstanden werden, dass Israel den Terrorakt letztlich selbst verschuldet habe. „Dieser Vorwurf ist ungeheuerlich und menschenverachtend, weil er den Terror eben doch rechtfertigt und die Verantwortung dafür in absurder Weise umkehrt.“Für die Untaten sei allein die Hamas verantwortlich. Dennoch könne Israel solche Kritiker nicht einfach ignorieren: „Denn Guterres findet mit seinen weiteren Ausführungen zur humanitären Lage im Gazastreifen viel Gehör und Zustimmung.“
„Die Welt“in Berlin sieht durch Guterres nicht nur den schlimmsten Terroranschlag der jüngeren Vergangenheit relativiert: „Es ist eine unvorstellbare Verletzung der Würde der Ermordeten und ihrer Angehörigen.“Hannah Arendt habe vor sehr langer Zeit geschrieben, Menschenrechte, das sei der Inbegriff eines heuchlerischen oder schwachsinnigen Idealismus. „Der Generalsekretär der Vereinten Nationen ist offenbar angetreten, den Beweis dafür zu führen. Er sollte zurücktreten.“
„The Daily Telegraph“kritisiert ihn ebenfalls hart: „Herr Guterres hat dem Ruf der UN beträchtlichen Schaden zugefügt, indem er so offensichtlich in diesem Konflikt Partei ergreift“, meint man in London. Seine Aufgabe sei es, im Hintergrund zu arbeiten, mit seinem Amt bei diesem Zusammenprall mildernd zu wirken. Jetzt sei der Schaden angerichtet: „In der arabischen Welt, wo Israel als Aggressor, nicht als Opfer gesehen wird, hat die Interpretation des UNGeneralsekretärs Gewicht und Einfluss.“Seine simple Einschätzung zeige, dass er „entweder nicht weiß, worüber er spricht, oder dass er willentlich entschieden hat, Israel sei schuld“.
VON NORBERT MAYER
„Hall of Shame“. „Die Schande der Vereinten Nationen“sieht „The Wall Street Journal“in deren Generalsekretär. In der stets sich erweiternden „Hall of Shame“der Anstifter globaler Unordnung solle man ihm ein besonderes Podest vorbereiten. Seine „schändlichen Bemerkungen“seien ein Beispiel dafür, warum man sich nirgendwo auf diese Organisation als Friedensbewahrer verlassen könne, meint das Blatt aus New York. Wenn Guterres Israel zum Waffenstillstand auffordere, belohne er effektiv die Terroristen in ihrer Strategie, Zivilisten zu töten, während er einem Mitglied der UNO die Möglichkeit der Selbstverteidigung verwehre. „Seine Botschaft an die Schurken dieser Welt ist, dass ihnen, wenn sie Amok laufen, die UNO dabei helfen werde, ihre Verheerungen zu rechtfertigen.“
Die Schande der UNO? UNGeneralsekretär António Guterres bei seiner Ansprache am 20. Oktober auf der ägyptischen Seite des einzigen Grenzübergangs zwischen Ägypten und Gaza. IMAGO/Ahmed Gomaa