Die Presse am Sonntag

Artcurial will an die Spitze

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Das französisc­he Auktionsha­us Artcurial ist auf Expansions­kurs. Martin Guesnet von Artcurial spricht über Pläne, den schwächere­n Markt und den Aufschwung von Paris.

VON EVA KOMAREK

Im April kaufte Artcurial das Schweizer Auktionsha­us Beurret Bailly Widmer Auktionen.

Parallel zur Kunstmesse Paris+ by Art Basel kam im französisc­hen Auktionsha­us Artcurial ein sogenannte­r Single Owner Sale zur Auktion. Unter dem Titel „Eclectic Eye“wurde die Kunst und Einrichtun­g eines Londoner Apartments eines bedeutende­n europäisch­en Sammlerpaa­rs verkauft. Der Erlös belief sich auf 6,2 Millionen Euro, die Verkaufsqu­ote lag bei über 80 Prozent. Zu den Erfolgen dieser Auktion zählt ein neuer Rekordprei­s für eine Gouache von Frantisek Kupka. „Papier Bleus Mouvants“ging mit einer Schätzung von 60.000 bis 80.000 Euro an den Start und erzielte 437.440 Euro. Die Sammlung umfasste zeitgenöss­ische Kunst, Impression­ismus und Moderne sowie Möbel und Kunsthandw­erk.

Bei Antiquität­en sei für Objekte mit guter Provenienz wieder eine stärkere Nachfrage zu bemerken, sagt Filippo Passadore, Direktor der Sektion Furniture & Works of Art, zur „Presse am Sonntag“. Mit Covid habe sich die Bedeutung von Interiors verändert, es werde wieder mehr dafür ausgegeben. „Wir sehen auch verstärkt Sammler, die früher nur zeitgenöss­ische Kunst gekauft haben, die sich jetzt für wichtige Antiquität­en des 18. Jahrhunder­ts interessie­ren“, ergänzt Passadore. So erzielte bei der aktuellen Auktion eine Kommode aus der Zeit von Louis XV. mit dem Stempel von Pierre Roussel 157.440 Euro und eine von Ferdinand Bury gestempelt­e LouisXVISc­hreibtisch­Konsole 57.414 Euro. Überrasche­nd war zudem der Zuschlag für ein Paar Eichelhähe­r aus Meissner Porzellan aus dem 18. Jahrhunder­t, das auf 30.000 bis 50.000 Euro geschätzt war und auf 129.865 Euro stieg.

Bei Sammlungsv­erkäufen wie diesem hat sich das französisc­he Auktionsha­us einen Namen gemacht. Zuletzt ließ das Haus im März etwa mit der Versteiger­ung des Inventars des Hotel Bauer Palazzo in Venedig aufhorchen oder 2018 mit dem Interior des Hotel Ritz in Paris. Aber auch in Segmenten wie Design, Comics, StreetArt, Oldtimer und Vintage Mode ist Artcurial Marktführe­r in Europa. Geht es nach Martin Guesnet, Internatio­nal Senior Advisor und seit 2014 für die Internatio­nalisierun­g des Hauses zuständig, soll Artcurial europäisch­er Marktführe­r im gesamten Auktionsge­schäft werden. Dazu hat das Haus zuletzt kräftig expandiert. So übernahm Artcurial heuer das Schweizer Auktionsha­us Beurret Bailly Widmer. Das in Basel ansässige Unternehme­n wurde 2011 gegründet und ist auf den Verkauf von Gemälden, Papierarbe­iten und Skulpturen aus dem 19. und 20. Jahrhunder­t spezialisi­ert. „Was uns ins Europa fehlte, war die Schweiz. Und diese Lücke haben wir dieses Jahr endlich füllen können“, sagt Guesnet im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Zu den wichtigste­n Konkurrent­en um die europäisch­e Marktführe­rschaft zählt Guesnet das englische Auktionsha­us Bonhams und das Wiener Dorotheum. Auch eine Expansion über Europa hinaus sei vorstellba­r, aber das müsse sich ergeben. „Wir entwickeln uns immer par opportunit­é. Beurret Bailly ist auch so entstanden. Wir kamen im richtigen Moment am richtigen Ort mit den richtigen Menschen zusammen“, sagt Guesnet. Über Hongkong habe man schon vor zehn Jahren nachgedach­t, aber es sei nicht zustande gekommen. Heute sei Hongkong wegen der politische­n Entwicklun­gen in China nicht mehr interessan­t für Artcurial.

Niedrige Mehrwertst­euer. Artcurial profitiert durch den Aufschwung von Paris als Kunstmetro­pole, der mit dem Brexit Fahrt aufgenomme­n hat. „Diese Entwicklun­g hat nicht erst vor vier, fünf Jahren begonnen. Es braucht viele Elemente, die einen starken Markt ausmachen. Da sind die Kunstschaf­fenden, die Kunstvermi­ttler, Institutio­nen, Museen, Galerien, Auktionshä­user, aber auch die Politik, die helfen müssen. In Frankreich gibt es den gemeinsame­n Willen, Paris und Frankreich wieder auf dem Kunstmarkt starkzumac­hen“, sagt Guesnet. So seien etwa die Ausfuhrges­etze viel liberaler als in anderen europäisch­en Ländern. Bis zu einem Wert von 150.000 Euro könne man Objekte einfach ausführen. Und wenn ein Objekt als für das Land wertvoll gekennzeic­hnet werde und sich eine staatliche Institutio­n dafür interessie­re, dann werde dieser ein Vorkaufsre­cht eingeräumt. Könne die Institutio­n innerhalb von drei Jahren die Finanzieru­ng nicht aufbringen, dürfe das Objekt auch ins Ausland verkauft werden. Zudem habe sich Frankreich dafür entschiede­n, die Mehrwertst­euer auf Kunstwerke nicht zu erhöhen, sondern an der Ausnahmere­gel festzuhalt­en. Mit einem Mehrwertst­euersatz von 5,5 Prozent sei Frankreich eines der attraktivs­ten Länder, was Abgaben und Steuern betreffe.

Dennoch, den generell schwächere­n Markt spürt auch Artcurial, trotz des Rekorderge­bnisses im Vorjahr und eines guten ersten Halbjahres 2023. „Wir müssen heute schon um jeden Käufer kämpfen. Da, wo man fünf, sechs Käufer für ein Bild gehabt hat, hat man heute vielleicht einen oder zwei. Was das Volumen angeht, ist der Markt sicher um 20 Prozent zurückgega­ngen“, räumt Guesnet ein. „Die goldene Regel sind attraktive Schätzunge­n. Wenn wir die nicht haben, dann wird es im aktuellen Markt sehr komplizier­t. Mit attraktive­n Schätzunge­n ist es okay.“Es sei weiterhin viel Geld da, Kunst bleibe attraktiv.

Auktion in Marokko unsicher. Sorgen bereitet Guesnet die aktuelle Entwicklun­g in Nahost. „Wir haben außerhalb von Europa ja einen Auktionsst­andort in Marokko. Da spürt man natürlich die aktuelle Lage viel stärker als woanders.“Die nächste Auktion in Marrakesch ist für Ende Dezember geplant. Ob diese auch tatsächlic­h stattfinde­n wird, ist sich Guesnet nicht sicher. „Wir planen die Auktion derzeit normal weiter, aber die geopolitis­che Situation ist dramatisch. Es gab eine starke Annährung von Marokko und Israel. Und gerade in Ma

»Was das Volumen angeht, ist der

Markt sicherlich um 20 Prozent zurückgega­ngen.«

rokko haben wir viele Kunden aus Israel.“Versteiger­t werden in Marokko vor allem afrikanisc­he zeitgenöss­ische Kunst und Orientalis­ten. Für Letztere sei der Markt ziemlich ausgereizt. „Der Markt für Orientalis­ten erneuert sich nicht. Die Sammler von Orientalis­ten sind in Wahrheit die Generation 70 plus. Das ist ähnlich wie bei Comics, auch dieser Markt ist ziemlich ausgereizt“, sagt Guesnet. Dabei sorgt das Auktionsha­us immer wieder mit Rekordzusc­hlägen für europäisch­e Comics für Schlagzeil­en. So erzielte das Originalti­telbild des fünften „Tim und Struppi“Bandes, „Der Blaue Lotos“, 2021 mit 3,2 Millionen Euro einen Doppelreko­rd: Einerseits markierte es einen neuen Höchstprei­s für den Comiczeich­ner Hergé, anderersei­ts war es ein neuer Rekord für ein Originalco­micwerk bei einer Auktion. „Im Gegensatz zu Möbeln und Objets d‘Art, wo es eine neue Generation von Käufern gibt, interessie­ren sich für die europäisch­en Comics nur wir Älteren. Und ein Markt muss sich ja immer neu entwickeln.“

»Leben und Tod und alles dazwischen« von Norbert Philipp, 22.10.

»Er ist da«

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Lächeln, das jede Bitterkeit und jeden Schmerz für immer verbannt. Er ist da.“Franziska Schneglber­ger, St. Florian

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