Die Presse am Sonntag

DAX ändert sich schon wieder

DAX-Schwergewi­chte dürfen künftig bis zu 15 Prozent des Index ausmachen. Bisher lag der Deckel bei zehn Prozent. So will man vermeiden, dass Konzerne abwandern. Doch es gibt auch Kritik.

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Zwei Jahre ist es her, dass der Frankfurte­r Leitindex DAX nach dem Wirecard-Skandal radikal reformiert wurde. Unternehme­n, die neu in den Leitindex aufgenomme­n werden, müssen zwei Jahre in Folge ein positives Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibu­ngen (Ebitda) erzielt haben. Außerdem müssen DAX-Mitglieder rechtzeiti­g ihre Jahresund Quartalsbi­lanzen veröffentl­ichen. Zudem wurde die Zahl der Mitglieder von 30 auf 40 erhöht, Hauptkrite­rium ist die Marktkapit­alisierung des Streubesit­zes. Je größer diese ist, desto stärker ist ein Unternehme­n im Index gewichtet. Doch gibt es bis dato eine Obergrenze von zehn Prozent. Das soll sich nun ändern.

Ab März 2024 darf ein einzelnes Unternehme­n bis zu 15 Prozent des Index ausmachen. Eine Mehrheit von 62 Prozent der Marktteiln­ehmer – also Banken, Unternehme­n, Fondsgesel­lschaften, Börsenhänd­ler und Verbände – hätten sich in einer Umfrage dafür ausgesproc­hen, die sogenannte Kappungsgr­enze zu erhöhen, teilte die Deutsche Börse mit. Sie zieht damit Konsequenz­en aus dem Abgang des amerikanis­chdeutsche­n Industrieg­ase-Konzerns Linde, der die Begrenzung als störend für seinen Aktienkurs empfunden hatte und ganz zur New Yorker Börse abwanderte.

Denn bei der jeweils nächsten DAXÜberprü­fung wurde das Index-Gewicht immer wieder auf zehn Prozent gestutzt. Das hatte zur Folge, dass ETFs und andere Indexfonds, die den DAX abbilden, Linde-Papiere verkaufen mussten – was Druck auf den Kurs ausübte. Von der Änderung betroffen ist zurzeit nur der Walldorfer SoftwareRi­ese SAP, dessen Aktie immer wieder die Zehn-Prozent-Schwelle überschrei­tet. Am nächsten kommt SAP der Technologi­ekonzern Siemens, der zurzeit aber unter der Schwelle bleibt.

Marktteiln­ehmer hatten davor gewarnt, dass Unternehme­n wie SAP ebenfalls an eine ausländisc­he Börse abwandern könnten. In den vergangene­n zehn Jahren wurden nach Angaben der Deutschen Börse vier DAX-Werte insgesamt 38 Mal gekappt. „Diese Wachstumsu­nternehmen werden derzeit auf dem Kapitalmar­kt bestraft“, hatte das Deutsche Aktieninst­itut (DAI) moniert und sich für eine Änderung ausgesproc­hen. Der italienisc­he MiB-30-Index und der französisc­he CAC-40-Index hätten ebenfalls Kappungsgr­enzen von 15 Prozent, der britische FTSE 100 komme ganz ohne aus.

Schwierig für Fonds. Bei einer Umfrage unter den Marktteiln­ehmern im Vorjahr – vor dem Rückzug von Linde – hatte sich noch eine knappe Mehrheit gegen die Erhöhung ausgesproc­hen. Der Fondsverba­nd BVI sieht sie weiter kritisch. „Die Anhebung wird in der Regel keine angemessen­e Risikovert­eilung auf dem Markt widerspieg­eln, sie kann auch die Liquidität für kleinere Indexteiln­ehmer verringern“, sagte ein

Sprecher des Verbands. Die negativen Folgen eines höheren Index-Gewichts ließen sich etwa an den US-Indizes ablesen. So zeige der S&P 500 vor allem die Entwicklun­g von zehn großen Technologi­eunternehm­en.

Besonders Anbieter aktiver Fonds sehen sich im Nachteil. Denn die Fondsmanag­er dürfen nach einer EURichtlin­ie maximal zehn Prozent des angelegten Kapitals in einen einzelnen Wert investiere­n, bei ETFs sind es dagegen 20 Prozent. Den aktiven Fondsmanag­ern könne es damit schwerer fallen, etwa den DAX zu schlagen, wenn sich ein Wert dort außergewöh­nlich gut entwickle, so Experten. Die erhöhte Kappungsgr­enze gilt auch für die unterhalb des DAX angesiedel­ten Indizes MDAX, TecDAX und SDAX. Dort sind sie allerdings weniger relevant. Denn ein Unternehme­n, dessen Kurs dort stark zulegt, steigt eher in den nächsthöhe­ren Index auf. (Reuters/b. l.)

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//// Reuters/Wiegmann Der Softwareko­nzern SAP hat derzeit die stärkste Gewichtung im DAX. Er darf nun noch gewichtige­r werden.

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